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Toxic Smile, Alias Eye, Zenobia 19.10.2002 Leipzig, Anker
von
ta
Am neunzehnten Oktober des Jahres 2002, einem Samstag, fand im ehrwürdigen und schon von illustren Bands wie Saxon, Lift und den Backstreet Boys (na gut, denen vielleicht nicht) (nee, die waren in der Messehalle 7, wenn ich mich recht erinnere - Anm. rls) frequentierten Anker in Leipzig ein unter dem ominösen Titel "Prog-Rock-Nacht L.E." - zudem mit einer 1 versehen - stehendes Gipfeltreffen der Rhythmen jenseits des 4/4tel-Taktes, Skalen fern von konventionellen Dreiklangprinzipien kreierenden und unter den Namen Toxic Smile, Zenobia und Alias Eye agierenden Musiziergemeinschaften statt, welche den Weg von Mannheim, Berlin und Korea (!!!?) auf sich genommen hatten, um, begleitet von der peripheren Hoffnung, dass der eigene Name über regionale Grenzen hinaus bekannt werden könnte und man die vom Veranstalter vorerst ohne offizielle Angabe von Gründen wieder vom Billing verbannten und den Besuch Leipzigs trotz Vorankündigung kurzfristig auf ein bis dato unbekanntes Datum verschiebenden (hoffentlich) bzw. vollkommen vernachlässigen wollenden (hoffentlich nicht) Pfälzer Vanden Plas adäquat wenigstens für einen Abend vergessen machen könne, Klänge zwischen Taschenrechner und Genieseele darzubieten, die nicht weniger komplex sein sollten als dieser Satz. Das Ende zeigte, dass sowohl dieses Vorhaben als auch der Satz ein wenig überzogen waren.
Zenobia aus Berlin eröffneten den Reigen fortschrittlicher Klänge mit einem achtsaitigen und per Tapping bearbeitetem Bass, einem wild tanzenden und sehr souveränen Sänger, tightem Spiel und einem vergeigten Gitarrensolo (nette Wortkombination eigentlich ...). Wer nach dem ersten Song respektive 10 Minuten dachte, dass nun wohl noch ein paar singlekompatiblere Nummern kommen würden, sah sich schließlich doch getäuscht, als der Keyboarder den Titeltrack der aktuellen Zenobia-Veröffentlichung, "Meet Thy Maker", den er angestimmt hatte, erst 25 Minuten später beendete - oder waren es mehrere ineinanderfließende Kapitel konzeptioneller Musikgeschichte? Angesichts solcher Kreativität im Kopf geblieben ist mir bis auf die Zeile "You must love yourself, before you can love others" jedenfalls nichts, eine coole Prog-Liveband sind Zenobia aber allemal, zumal die Pink Floyd- und Yes-Referenzen clever platziert waren.
Das kann ich von Alias Eye nur bedingt behaupten. Die hatten zwar einen guten Keyboarder, einen sympathischen und spielstarken Gitarristen, zitierten - sehr aufgesetzt allerdings - Bach und ein Stück, das bis auf mich jeder erkannte und hatten ein paar recht eingängige Melodien im Gepäck ("Field Of Names", "Premortal Dance"), allerdings redete der Sänger recht viel zwischen den einzelnen Songs und dabei kam allerlei überflüssiger Mumpitz von seinen Lippen. Das in sich gekehrte Gehabe vom Basser war zudem eindeutig albernder Art und wirkte nicht augenzwinkernd genug, um als Ironie auf das Prog-Klischee der Bühnenintrovertiertheit verstanden werden zu können. Immerhin zeigen sich Alias Eye mit solchen Mätzchen aber als nicht vollkommen in prog'schen Stereotypen gefangen, was sich auch in den Stücken bestätigte: Eingängige Melodien, permanentes Zurückschrauben rhythmisch-vertrackter Elemente (abgesehen von kleinen Ausbrüchen), voluminöser, angenehmer Gesang. Was blieb, war melodiöse, abwechslungsreiche, unbefangene und natürlich fortschrittliche Rockmusik. Spielfehler waren natürlich so rar wie ein Mortician-Cover. Letztendlich überwogen die positiven Aspekte so sehr, dass Alias Eye sogar mit Zugaberufen verabschiedet wurden (angesichts eines weiteren 20-Minuten-Mammuts hatte sich das wohl keiner bei den davor aufspielenden Berlinern getraut ...) und glatt noch einmal für ein Stück die Bühne enterten. Danke!
Toxic Smile waren nach der Absage von Vanden Plas der Headliner, hatten damit aber nicht das schlechte Los gezogen, das eine der beiden Vorbands zweifelsohne erwischt hätte. Schließlich zählen die Leipziger (seinerzeit noch mit Majorlabelplattenvertrag in Korea) nicht erst seit gestern als sägs'sche Prog-Hoffnung Nr. 1 und haben mitunter ähnlich hookline-lastiges Material in der Tasche wie die Kaiserslauterner: Das superbe "Madness And Despair" manifestierte für mich jedenfalls den Höhepunkt des Sets und auch die balladesken Stücke "Hate Me" und "Could It Be" waren verhältnismäßig eingängig, ohne freilich in belanglose Gefilde abzudriften. Dass im Prog auch Stimmungen erzeugt werden können (was diverse Nörgler gerne negieren), bewies weiterhin das in ein Bass-Saxophon-Solo mündende Basssolo, welches, untermalt von der tollen Lichtshow, neben exzellenter Technik genug Raum für kleine Gefühle ließ. Gewohnt vertrackt selbstverständlich war das neue, u.a. mit "Raised", "LPG" und "Crossroads" betitelte Material, welches an diesem Abend erstmals coram publico (erstmals coram publico maximum lipsiensis jedenfalls - der Gig vom April 2002 war ja eher eine öffentliche Probe - Anm. rls) vorgestellt wurde und auch das Instrumental "O.T." wollte sicher kein Airplay bei Radio Energy - Warum auch? Eine kleine Präsentation vor eingeschworener Prog-Gemeinde hat schließlich genug Reize. Diese Gemeinde war zwar an diesem Abend nicht wirklich in Massen erschienen, spendete aber wohlwollenden Applaus und klatschte die natürlich bestens eingespielte Toxic Smile-Bande um den stimmlich und ansagetechnisch gut aufgelegten Sänger Larry und Hauptsongwriter sowie Keyboarder Marek wie schon vorher Alias Eye für eine Zugabe auf die Bühne zurück. Was wäre noch zu bemerken? a) Auf die neue Platte darf man gespannt sein und b) an Dream Theater habe ich während der gesamten Spielzeit nicht gedacht, was c) heißt, dass es auf der Karriereleiter für eine Stufe aufwärts Zeit wäre. Viel Glück!
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