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Lift    30.09.2002   Leipzig, Markttage
von ta

Die Markttage in Leipzig, das heißt: versiffte Pommesbuden, fettige Bratwurststände, Bierstände, Kneipenmobilar, Volksfeststimmung und Menschen en masse. Ächz ... Mittendrin in einem solchen Ambiente: Lift, die Band, welche für mich den sogenannten Ostrock kultiviert hat (der zu einer Zeit geschah, da ich noch gar nicht geboren ...) und annähernd das einzige Grüppchen Mensch, das mir im deutschsprachigen Sektor soviel bedeutet, besonders in Bezug auf die Scheiben 77'er Porträt-LP, "Meeresfahrt" und "Spiegelbild". Dass ich sie nach der "Sachsen-Dreier"-Tour von 1999, wo man zusammen mit Elektra und der Stern Combo (Meißen) deutsche Bühnen betrat, noch einmal on stage zu Gesicht bekommen würde, erschien mir recht unwahrscheinlich ...- doch die Markttage machten es möglich. Ob die Band es nötig hat, bei einem solchen Event aufzuspielen, ist fraglich und da es sich um ein kostenloses Konzert handelte, war auch das Publikum ein arg durcheinandergewürfelter Haufen: Vom schwelgerischen Ostalgiker über den anfangs pogenden Jungpunk (!!!) zum betrunkenen Technokomiker über Bierstandbesucher mit peripherem Interesse bis hin zum zufällig vorbeiwandernden Fußvolk war alles vertreten. Besondere Erwähnung im positiven Sinne verdient der langhaarige Mittedreißiger mit Blindenstock in der ersten Reihe - die etwa vier Meter vor der Bühne begann -, welcher ausnahmslos alles Textgut auf Abruf parat hatte. Respekt! Und die Band? Dass von der Originalbesetzung nur noch Werther Lohse existiert, ist bekannt. (Auch Lohse war allerdings nicht in der Urbesetzung vom Januar 1973 dabei. Die ersten anderthalb Jahre trommelte noch Konrad Burkert, der erst Mitte 1974 durch Drummer und Sänger Lohse ersetzt wurde. - Anm. rls) Selbiger wird auf Ewigkeit Mittelpunkt jeder Lift-Show nach November 1978, wo Ursänger Henry Pacholski und Basser Gerhard Zachar tödlich verunglückten, sein. Seine Stimme hat auch nach 25 Jahren nicht an Ausdrucksstärke und Volumen eingebüßt, selbst schwierige Passagen wie der Schlussrefrain von "Scherbenglas" oder die epische "Tagesreise" (leider gekürzt, aber dennoch sehr überraschend) werden souverän gemeistert und mit einem gesunden Schuss Herzblut (oder war's Theatralik?) dargeboten, lediglich die wunderschöne "Abendstunde, stille Stunde ..." traut er sich - wie auf der 99er-Tour-offenbar nicht mehr zu. Der Rest der Band hält sich überwiegend zurück, kann dabei aber musikalisch voll überzeugen, was besonders ein mittendrin eingebautes Drumsolo, an das sich ein pumpender Rhythmussektionsfunkgroove oberster Liga von Peter und Jens (dr & bass) anschließt, verdeutlicht. Bis auf ein paar Stücke "neueren" Datums, nämlich "Freitag", "Finden wir uns neu" und "Nach Hause" waren ausnahmslos Klassiker vertreten: "Wasser und Wein" (als Opener gespielt), "Jeden Abend", "Nach Süden", "Komm her", "Wir fahren über's Meer", natürlich "Am Abend mancher Tage", die schon genannten Stücke "Scherbenglas" und "Tagesreise" und der 73'er Uraltschinken "Mein Herz soll ein Wasser sein", als von Bodo Kommnick dezent mit Gitarre untermaltes Duett von W. Lohse und Geigerin Yvonne Fechner vorgetragen, was den Auftritt zum sicheren Sieg vor entsprechendem Publikum hätte werden lassen können ... wobei ein paar mutigere Stücke wie das "Liebeslied" oder die "Ballade vom Stein", die zwar beide selbst steinalt, aber weniger populär sind, wünschenswert gewesen wären und gezeigt hätten, dass Lift nicht nur noch von einem Mythos zehren, der mit einer lebendigen Band lediglich marginal zu tun hat. Trotzdem: Danke, es war schön.



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