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Gamma Ray, Sonata Arctica, Vanishing Point    29.09.2001    Lichtenfels, Stadthalle
von mst

Eine der herausragendsten Gestalten des German Heavy Metal hatte zum gemeinsamen Abfeiern eingeladen und es war beeindruckend wie viele sich diesen Event nicht entgehen lassen wollten. Die Lichtenfelser Stadthalle war jedenfalls gut gefüllt, aber da der Name Kai Hansen bisher immer für gute Musik bürgte, war das wohl nicht so verwunderlich. Eine gute Tradition bei Gamma Ray-Konzerten sind auch die guten bis genialen Support-Bands. Waren es auf der „Somewhere Out In Space“-Tour noch Jag Panzer und Hammerfall die die Bangerherzen erfreuten, traten uns auf der „Powerplant“-Tour Steel Prophet und Edguy mit Schmackes in den Allerwertesten. Nun galt es also für Vanishing Point und Sonata Arctica sich diesem Härtetest zu unterziehen.
Pünktlich um 20 Uhr betraten die Australier Vanishing Point die Bühne und legten los. Meines Wissens war es die erste Tour durch good old Germany und dementsprechend motiviert ging man ans Werk. Der erste Eindruck war durchaus positiv, die Band hatte ein professionelles Auftreten, der Sänger traf auch die schwierigsten Töne und an Sound und Licht wurde auch nicht gespart. Mir kam es nur so vor, soweit man das bei einer knappen halben Stunde Spielzeit beurteilen kann, als ob die Lieder sich sehr ähnelten. Nun muss das an sich nichts Schlechtes sein, aber mich konnten die Jungs aus dem Land der Kängurus nicht wirklich auf ihre Seite ziehen. Ihr Melodic Metal mit Progressiv-Einflüssen war zwar ein netter Einstieg in den Abend, konnte aber zu keiner Zeit an die Hammershows von Steel Prophet oder Jag Panzer heranreichen. Maybe Next Time!
Sonata Arctica hatte ich noch von ihrer Anheizerrolle bei der letzten Stratovarius-Tournee in guter Erinnerung, als sie die zweite Support-Band Rhapsody locker an die Wand spielten. Trotzdem hätte ich nie und nimmer damit gerechnet, dass die Band ein solches Feuerwerk abbrennen würde. Die Jungs waren motiviert bis in die Haarwurzeln, kämpften förmlich um die Gunst eines jeden Anwesenden und hatten das Publikum nach kurzer Zeit auf ihre Seite gezogen. Neben der Action auf der Bühne brillierte man noch auf den Instrumenten und brachte die Highlights der „Ecliptica“-Scheibe und etliche neue Stücke (krönender Abschluss „Wolf And Raven“) absolut phantastisch rüber. Der Sänger hatte die ganze Palette drauf, baute mittlerweile an den richtigen Stellen auch einige tiefe Grunts ein und lieferte sich mit dem Basser einen privaten Kleinkrieg, der darin gipfelte, dass man ständig versuchte sich gegenseitig mit Wucht in den Hintern zu treten. Was bleibt ist eine geschlossene Mannschaftsleistung einer Band, der man anmerkt dass sie noch hungrig ist und Spaß hat, sowie die Tatsache, dass sich Sonata Arctica an diesem Abend viele neue Freunde erspielt haben. Einziger Minuspunkt war die Spielzeit von knappen vierzig Minuten, aber dafür konnte man schließlich nichts.
In mir regten sich leise Zweifel ob Gamma Ray diesen Auftritt würden toppen können. Allerdings war deren Einstieg schon furios. Zu den pompösen Klängen von „Induction“ zeigte uns Drummer Daniel eine heiße Feuerspuckereinlage hinter seinem gewaltigen Drumkit, wonach man das alles vernichtende „Dethrone Tyranny“ ins begeisterte Volk blies. Für mich ist dieses Stück schon jetzt ein absoluter Band-Klassiker. Wenn man sich Gamma Ray auf der Bühne ansah, konnte man allerdings ein kollektives Fragezeichen über dem Publikum schweben sehen. Entweder war Gamma Ray-Basser Dirk Schlächter mit seinem bisherigen Aussehen unzufrieden und er ließ sich zum Ebenbild von Markus Großkopf umoperieren oder es war wirklich der Helloween-Bassist der da oben abrockte. Kai lieferte dann die Erklärung: Dirk war wegen einer Knieoperation im Krankenhaus und Markus half seinem ehemaligen Band-Kollegen aus der Klemme. Das wiederum tat der Bühnenpräsentation keinen Abbruch, man überbot sich gegenseitig im Dauergrinsen und wurde vom Publikum gnadenlos abgefeiert. Daran konnte nicht einmal die strunzhäßliche Schimmelfleckenhose von Gitarrist Henjo Richter etwas ändern. Von der „No World Order“-Scheibe wurden unter anderem das Titelstück, „Follow Me“ und „Eagle“ gespielt („intelligente“ Ansage zu „Eagle“: „Was ist klein, hat Stacheln und kann nicht fliegen?“. (Man vergesse nicht den unsterblichen Klassiker, den die Kürbisköpfe schon anno 1988 eingeholzt hatten: „Igel Fly Free“ – Anm. rls) Clever eingebaute ältere Songs wie „Man On A Mission“, „Short As Hell“ und „Rebellion in Dreamland“ hielten die Stimmung permanent am Brodeln. Nach einer reichen Stunde bildete das um einige Mitsingspielchen erweiterte „Somewhere Out In Space“ den Abschluss des regulären Teils. Man ließ sich jedoch nicht lange bitten und intonierte als erste Zugabe mit „Valley Of The Kings“ einen Favoriten von mir, dem man das Mammutstück „Heading For Tomorrow“ in einer fast zwanzigminütigen Fassung folgen ließ. Hier war dann definitiv Schluss, man kam noch zum Abklatschen und Schweißverteilen in den Fotograben und überall sah man glückliche Gesichter. Eitel Sonnenschein also? Für mich nicht ganz, denn erstens hatten Sonata Arctica die Meßlatte durch ihren Auftritt ziemlich hoch gelegt und zweitens fehlten mir noch einige Highlights wie „Send Me A Sign“, „Space Eater“, Helloween-Stücke wie „Future World“, „Ride The Sky“ oder „I Want Out“. Ich kann zwar verstehen, dass Kai mit seiner Vergangenheit ein bisschen abschließen will, aber andererseits braucht er sich dafür ja wohl auch nicht zu schämen, oder? (Da bekommt der Altbanger noch heute vor Rührung feuchte Augen, wenn er sich an die Version von „Judas“ auf der „Powerplant“-Tour erinnert – Anm. rls) Ich hätte dafür sogar auf „Heading For Tomorrow“ verzichtet, das doch einige Längen hatte. Versteht mich nicht falsch, es war trotzdem ein sehr gutes Konzert, bei Gamma Ray erwarte ich nur noch ein kleines bisschen mehr. Aber da ein „normales“ Konzert der Mannen um Kai Hansen immer noch besser ist als 99% ihrer True Metal-Enkel, gingen wir glücklich, etwas taub und voller Vorfreude auf das nächste Mal nach Hause. Denn dann sind wir auf alle Fälle wieder mit dabei.
 






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