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Thoralf Pötsch & Band, Stutzki, reiprich&pötsch die band    27.01.2001    Kohren-Sahlis, Foyer der Ev. Heimvolkshochschule
von rls

Anläßlich eines Gitarrenseminars bietet es sich ja förmlich an, den Referenten auch gleich noch konzertant agieren zu lassen. Ergo trommelte Thoralf Pötsch einen Stapel seiner Bandkollegen bzw. -nahestehenden zusammen und beschallte mit selbigen das mit reichlich Hall aufwartende, aber dennoch einen guten Sound nicht zur Unmöglichkeit verkommen lassende Foyer der Evangelischen Heimvolkshochschule (früher hieß das simpel "Rüstzeitheim") im beschaulichen Töpferstädtchen Kohren-Sahlis, auf halbem Wege zwischen Leipzig und Chemnitz befindlich. Neben den Seminarteilnehmern hatten sich auch ein paar Handvoll externe Zuhörer eingefunden.
Die Reiprich & Pötsch-Formation hatte ich bis dahin nur als Liedermacherduo erlebt und war somit gespannt auf das, was die 1998 ins Leben gerufene Bandbesetzung vollbringen würden. Und es war sicher kein Zufall, daß ich hinterher im Autotapedeck "Senderos De Traicion" von den Heroes Del Silencio laufen hatte, denn da läßt sich im musikalischen Sektor durchaus die eine oder andere Parallele ziehen. Im Gegensatz zu Enrique Bunbury ist Torsten Reiprich allerdings der großen Sänger keiner - er konzentrierte sich mehr auf eine fast rezitativartige Deklamation der eindringlichen, oft sehr hart-trockenen Texte, die u.a. dem Schaffen von Rimbaud oder Trakl entnommen wurden. Die Musik allerdings im opernhaften Sinne als Rezitativ begreifen zu wollen ginge völlig fehl, denn die Instrumentalisten setzten durchaus eigene Akzente, allen voran natürlich Thoralf Pötsch an den sechs Saiten. Frank Oberhof verließ bisweilen seinen Platz hinter dem Keyboard und setzte einen "Zerrwanst" ein, was natürlich sehr stimmungsuntermauernd wirkt, wenn man dazu einen Seemannstext intoniert. Größter Wohlfühler war allerdings (neben den wunderbaren zweistimmigen Gitarren in "Lublin") das abschließende "Mohnblumen", dessen Harmonik durchaus die eine oder andere derselben zum mittwintrigen Erblühen bewegen könnte. Feine, nahezu unkategorisierbare Rockmusik war das, die verdeutlichte, was aus Rage Against The Machine geworden wäre, wenn sie alle vordergründig schwarzwurzligen Elemente aus ihrer Musik entfernen und einen exhumierten Frank Zappa als Rezitator ans Mikro lassen würden.

Carsten Stutzki bediente bei den anderen Formationen hauptamtlich das Mischpult, aber solch einen einzigartigen Menschen stellt man natürlich nur zu gerne auch auf die Bühne. Stutzki singt nach wie vor zum Klange der Laute (oder was auch immer das war) seine auf mittelhochdeutschen Texten beruhenden Weisen, hatte diesmal perkussive und vokale Unterstützung zur Verfügung, die unter Beweis stellte, auch Flöte blasen zu können, und trieb das Publikum mit schnoddrigen Ansagen ein ums andere Mal zu Lachanfällen. Sitcomartig die Szene, als er ankündigte, jetzt käme etwas Ruhigeres, und prompt mit lautem Getöse im Publikum eine leere Bierflasche umfiel. Ich hatte Stutzki fast drei Jahre nicht live gesehen und konnte mich nicht erinnern, daß er beim letzten Mal auch so locker agiert hätte. Von daher also eine sehr angenehme Überraschung, die sich noch vergrößerte, als in den letzten Song, ein Frühlingslied, plötzlich die komplette reiprich&pötsch band einfiel und ein Musterexempel einer sinnfälligen Kombination aus Mittelalter und Rock ablieferte. Daumen weit hoch!

Nach einem Viertelstündchen Pause stand dann eine Formation namens "Thoralf Pötsch & Band" auf der Bühne. Diese ergab sich, indem man von reiprich&pötsch die band Torsten Reiprich subtrahierte und statt dessen einen zweiten Gitarristen namens Patrick hinzufügte. Auch die Gewichtung von Musik und Text änderte sich: Der Set wurde von Instrumentalnummern dominiert (die wenigen Vocals sang Thoralf selbst - sie waren aber eh kaum zu vernehmen) und lagerte sich stilistisch irgendwo zwischen den beiden großen SAs, die da SAntana und SAtriani heißen. Und es war sicher kein Zufall, daß ich beim heimatlichen Abendbrot vor dem Gig "Alpha" von Asia im CD-Player hatte: Man wage das Gedankenexperiment, die Keyboardparts der alten Asia-Platten auf die Gitarre zu übertragen und umgekehrt - das Ergebnis dürfte nicht allzuweit von der Pötsch-Combo entfernt liegen. Zwei Akustik-Instrumentals mit expliziten lateinamerikanischen Einflüssen sorgten für besinnlichere Momente, ansonsten regierte nicht übermäßig schneller, aber filigraner Traditionsrock. Egoprobleme hat Thoralf nicht - auch Patrick durfte einige Soli beisteuern, und selbst Neu-Bassist Ecki (der übrigens in Essen wohnt und regelmäßig durch die halbe Republik gondelt, um bei der Band mitzuwirken - geht auch nicht ohne 'ne Großportion Enthusiasmus) bekam einige Leadparts zugewiesen. Größter Trumpf (neben Thoralf selbst natürlich, der mit einem riesigen Spektrum von gefühlvoll über freakig und energiegeladen bis zu flitzefingerig den Nachwuchsgitarristen im Publikum zeigte, wohin sie in 15 Jahren ständigen Übens bei ordentlichem Talent auch kommen können) war allerdings Neu-Schlagzeugerin Kathrin, die ihr Instrument mit von einem Uhrwerk nicht allzuweit entfernter Präzision bearbeitete und trotz ihrer gerade mal 19 Jahre mit einer stoischen Routine spielte, dennoch aber genug jugendlichen Enthusiasmus herüberklöppelte, um ihren Bandkollegen, die teilweise ihre Väter sein könnten, ordentlich Dampf unterm Hintern zu machen. Flöte spielen (siehe Stutzki) und singen (mit einer dunklen, warmen Stimme, die trotzdem so ganz und gar unschwarz, unsoulig klang) kann sie übrigens auch noch - ein kleines Multitalent also, das die Reihen dieser Herren ganz ausgezeichnet ergänzt und ein großes Scherflein zum Gelingen dieses Gigs beitrug. Und daß einige Songs an diesem Abend ihre Livepremiere erlebten und nicht immer so gespielt wurden wie geplant, bemerkte der nicht mit ihnen vertraute Zuschauer überhaupt nicht.
 






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