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HAARUS LONGUS SATANAS? - Teil 12: DIE WIEGE DES BÖSEN
von rls

In diesem Teil soll versucht werden, überblicksartig die Geschichte der tatsächlichen Verquickungen und Verbindungen zwischen Rockmusik und Satanismus aufzuzeigen. Dabei wollen wir uns der Gegenwart bis zu den Endachtzigern nähern, bevor Teil 13 die Serie "Haarus Longus Satanas?" mit einer Betrachtung aktuellerer Entwicklungen, Bands, Trends etc. in der "schwarzen Abteilung" der Rockmusik vorläufig abschließen wird (so sieht jedenfalls der momentane Plan aus; wann ich endlich mal dazu komme, den Teil 13 zu schreiben, steht indes auf einem anderen Blatt ...).

Die satanische Dimension

Zu Anfang sei jedoch ein Rückgriff in Zeiten gestattet, als noch niemand an die Entwicklung eines musikalischen Genres namens Rockmusik, an elektrischen Strom, an Katasterämter und an Genforschung dachte/glaubte. Die Vorstellung, alle Geschehnisse, die negative Auswirkungen auf einen bestimmten Menschen oder eine Personengruppe, müßten von einer feindlichen Gottheit induziert worden sein, ist so alt wie der Götterglaube der Menschheit selbst. Wir können bedenkenlos bis in die Zeit der Höhlenmaler von Lascaux zurückgehen und uns eine kleine Geschichte zusammenspinnen, wie sie damals hundert-, ja tausendfach passiert sein muß. Angenommen, die berühmte Wildpferdjagd über einen Abhang hatte zum wiederholten Male ungenügende Ergebnisse gezeitigt, während ein feindlicher Nachbarstamm permanent riesige Beute an der gleichen Stelle machte, war sonnenklar, daß deren Jagdgeister mächtiger sein mußten als die eigenen. Und da die fremden Jagdgeister die eigenen beeinträchtigten, hatten sie somit auch negative Auswirkungen auf das Wohlergehen des eigenen Stammes. Lösungswege für dieses Problem gab es gleich mehrere, wobei die Unterwerfung unter den feindlichen Stamm und der Gang an dessen Fleischtöpfe sicherlich die Endstufe darstellte. Einfacher war zweifellos, den eigenen Schamanen in die Wüste zu schicken und mit einem neuen die Geister des feindlichen Stammes zu "übernehmen" - eine Verhaltensweise, die sich analog im Alten Testament an zahlreichen Stellen nachlesen läßt und die den unangenehmen Nebeneffekt hatte, daß die ursprünglichen eigenen Jagdgeister, die ja mit dem Schamanen in die Wüste geschickt worden waren, nun ihrerseits den übergewechselten Stamm zu piesacken begannen, weil sie logischerweise vom "Abfall" alles andere als begeistert waren.
Mit Aufkommen der hebräisch-semitisch-arabischen Figur Satan (die eine Art Gemisch aus verschiedenen bösartigen Prinzipien genannter Kulturkreise darstellt) beginnen solche Verhaltensweisen eine nomenklatorisch mehr oder weniger korrekte "satanische" Dimension anzunehmen. Religionen mit Ausschließlichkeitsanspruch, zu denen der seinerzeitige jüdische Jahwismus zählte, waren konsequenterweise gezwungen, alle Gottheiten außer ihrer eigenen als negativ abzustempeln, unabhängig davon, in welchen Kulturkreisen und Zusammenhängen sich diese präsentierten. (Auf diese Weise ist die auch im heutigen christlichen Volksglauben weit verbreitete Gleichsetzung von Figuren wie Satan, Luzifer, Beelzebub und vielerlei anderen entstanden, obwohl Satan beispielsweise starke Wurzeln beim altägyptischen Set hat, Beelzebub oder richtiger Baal-Zabuth aber aus der großen Masse der kanaanitischen Naturgottheiten stammt.) Als Ergebnis stand dann meist nur noch eine schwammige Figur als Gegenspieler des eigenen Gottes zu Buche, so der Teufel oder Satan im jüdisch-christlichen Glaubensgefüge oder der Scheitan im Islam. Personen, die nicht der besagten Religion angehörten, vollzogen diese "Vereinigung" oft nicht mit oder machten sie rückgängig, so daß beispielsweise heutzutage zwischen Christen und Nichtchristen klassische semantische Mißverständnisse auftreten: Betrachtet der Christ alle höheren Mächte außerhalb der Trinität seines eigenen Gottes und dessen Heerscharen an Engeln als satanisch, bezeichnet der Begriff des Satanismus in antichristlich ausgerichteten Kreisen nur eine Spielart von außerhalb des christlichen Kreises stehenden Religionen, Kulten etc. Konsequenterweise müßte man also bei der Abhandlung der Literatur über Rockmusik und Satanismus den Background des Autors, also eher christlich oder eher kulturhistorisch, einbeziehen, und die Autoren selbst müßten sich im klaren sein, aus welcher Richtung sie die Betrachtung vornehmen wollen. Genau dies aber ist beispielsweise bei Bäumer nicht der Fall. "Wir wollen nur deine Seele" gibt sich vom Inhalt und Aufbau her kulturhistorisch, ist aber in Wirklichkeit aus einer stark konservativ-christlichen Perspektive heraus verfaßt.
Kehren wir wieder in die Geschichte zurück. Mit der Ausbreitung der jahwistischen, später der christlichen Religion, bekamen die im Höhlenmaler-Abschnitt genannten feindlichen Gottheiten die Einheitsbezeichnung "Satan" übergestülpt. Die genannte Vorstellung über feindliche Einflüsse wurde damit zur "satanischen" Dimension. Über die Jahrhunderte hinweg erfuhr diese satanische Dimension dahingehend eine Erweiterung, als viele nicht ins vorherrschende Weltbild passenden Ereignisse, im Extremfall schlicht und einfach alle außerhalb des persönlichen Weltbildes liegenden Elemente, pauschal das Etikett "satanisch" verpaßt bekamen. Die Geschehnisse um Galileo Galilei sind ein treffendes Beispiel dafür. Diese Entwicklung wurde durch die geistige Aufbruchstimmung der Aufklärung in säkularer Richtung eingedämmt, hat aber dennoch ihre Spuren im in gewisser Weise immer noch christlich geprägten Abendland hinterlassen und tritt in fundamental-religiösen Kreisen (nicht nur im christlichen Bereich - der Islam bietet zahlreiche Paradebeispiele dafür) auch heute noch unverdeckt ans Tageslicht.

Die Übertragung auf den Musiksektor

Kulturelle Vorreiter sorgen nicht selten für Provokationen, indem sie "dem Zeitgeist voraus" sind, also Werke schaffen, die von der Masse der Menschen in ihrem geistigen Horizont nicht verstanden werden. Diese Werke als satanisch zu brandmarken, erscheint angesichts der eben beschriebenen "satanischen Dimension" als konsequent. Klassisches Beispiel aus der musikalischen Vergangenheit ist kein Geringerer als Johann Sebastian Bach, der sich nicht selten vor seinen Vorgesetzten verantworten mußte, warum er solcherart "teuflische Musik" komponieren und spielen würde. Die christlich geprägten Ami-Metaller Tourniquet haben aus diesem Szenario den Song "Besprinkled In Scarlet Horror" ihrer "Microscopic Views Of A Telescopic Realm"-Scheibe gemacht. Es ist der Ausspruch eines Dorfkantors volkstümlich geworden, der, als er in seine Kirche kam und die Orgel brausen, donnern und toben hörte, bestürzt ausrief: "Das ist der Teufel, der da spielt - oder Bach!" Letztgenannte Option traf ins Schwarze. Daß Bach seine Werke stets mit SDG (Soli Deo Gloria) absignierte und sein Komplettwerk (selbst die eigentlich gar nicht für kirchenmusikalische Zwecke geschriebenen Werke mit Ausnahme vielleicht der "Kaffee-Kantate") heutzutage als kirchenmusikalischer Standard gilt, sei nur am Rande erwähnt. Szenarien, wie sie Bach damals erlebte, wiederholen sich auch in der Jetztzeit an allen Ecken und Enden, sowohl im christlichen als auch im säkularen Sektor.
Man stelle sich vor diesem Hintergrund nunmehr die Entwicklung des Rock'n'Roll der 50er Jahre vor. Das kulturelle Phänomen der Abgrenzung der jungen Generation von der ihrer Eltern, das grundsätzlich für Reibungspunkte sorgt, muß hier ebenso mit einfließen wie die rassistischen Tendenzen in Deutschland ("Don't buy negro records!"), den USA (die schwarze Bürgerrechtsbewegung hatte zu dieser Zeit erfolgstechnisch noch nicht allzuviel vorzuweisen) und anderen Ländern (wir erinnern uns an die schwarzen Wurzeln des Rock'n'Roll, die irgendwo im Blues lagern). Die Eltern der deutschen Nachkriegsteens, selbst eher mit braunen oder roten Kampfliedern, günstigstenfalls mit Dixieland oder den Comedian Harmonists aufgewachsen, konnten erwartungsgemäß mit der aus Amerika herüberschwappenden Welle des Rhythm & Blues und des Rock'n'Roll nichts anfangen - statt dessen war die Musik und der damit einhergehende Bewegungsaspekt ein gefundenes Fressen für die Jugend. Den verständnislosen Eltern, sofern sie klassisch-religiös geprägt waren, schien es daher ein Leichtes, der neuartigen Musik eine "satanische Dimension" beizumessen. Ob sich dies bis in den begrifflich von Bernhard Wenisch geprägten "Wahnsatanismus" (die konsequenteste Form dieser Erscheinung, welche alle dem eigenen Geist unverständlichen Handlungen als satanische Dimension ansieht und zu der man schöne Analogien konstruieren kann, so etwa einen "Wahnsemitismus", als dessen deutlichster Protagonist Adolf Hitler zu gelten hat) hineinsteigert oder in eher "normalem" Ablehnungsrahmen bleibt, ist natürlich von Fall zu Fall extrem unterschiedlich.
Nun allerdings traten findige Köpfe der Musikindustrie oder auch aus den Bands selbst hervor. Sie kombinierten, daß, wenn die Elterngeneration einigen Bands oder gleich ganzen Stilen eine "satanische Dimension" beimißt und das ihren Kindern entsprechend vermittelt, man sich aus Marketinggesichtspunkten ja einfach ein satanisches Image zulegen kann, das die noch nicht mit sonderlich viel Durchblick ausgestatteten Kids wiedererkennen würden, wobei mit einem Anstieg des Publikumsinteresses zu rechnen sein dürfte. Gleichzeitig erfolgte damit eine Ausnutzung des Protest- und Differenzierungsgedankens (jede junge Generation hat das Bedürfnis, sich von ihrer Elterngeneration abzugrenzen, auch und gerade auf kulturellem Gebiet), zumal selbsternannte Philosophen okkultistisch orientierter Strömungen wie Aleister Crowley die Figur Satan zu einer Protestfigur gegen das Christentum bzw. die scheinbar christlich geprägte Gesellschaft hochstilisiert hatten. Das genannte Phänomen des Marketingsatanismus blieb in den 50ern noch eine absolute Ausnahmeerscheinung, schwoll aber in den folgenden Jahrzehnten stetig an, erreichte Anfang der 80er in Gestalt von Venom einen in seiner Konsequenz nicht wieder erreichten Höhepunkt und stabilisierte sich seither in absoluten Zahlen gemessen auf einem sehr hohen Level, auch wenn angesichts der allgemein extrem angewachsenen Zahl von Bands die Quote am Sinken ist.
Der Protestgedanke besitzt noch eine weitere Dimension. Gerade in den härteren musikalischen Genres ist eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation sehr weit verbreitet. Nun sind die Intelligenzquotienten der jeweiligen Texter großen Differenzen unterworfen, die Wahrnehmungen der Gesellschaft und ihrer Ausprägungen sind es ebenso, und schlußendlich muß man auch noch regionale Unterschiede berücksichtigen. Von daher nehmen sowohl die Art und Weise der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft als auch deren Qualität sehr unterschiedliche Werte an. Bands, die die christliche Prägung der Gesellschaft als immer noch sehr bedeutsam ansehen, neigen somit dazu, anstelle gesellschaftsverneinender Texte christentumsverneinende Texte zu schreiben und damit ihre Protesthaltung gegenüber gesellschaftlichen Einflüssen ausdrücken zu wollen - getreu dem alten Sprichwort "Man schlägt den Sack und meint den Esel". Die Verbindung mit Gewaltklischees führt dann zu einem Textgebräu, das dem Außenstehenden als völlig ablehnenswert erscheint, da es sich nur noch marginal von tatsächlichen satanischen bzw. antichristlichen Aussagen unterscheidet und die feinen Nuancen selbst vom Experten mitunter kaum noch auszumachen sind. Ein guter Teil antichristlicher Statements der heutigen Musikszene kommt auf diese Art und Weise zustande.
Zurück in die Geschichte: Auch wenn Fundamentalisten anderes behaupten, ist satanisches Gedankengut in der Musik der 60er nur in geringem Maße auszumachen. Die als klassisches Exempel gerne an den Haaren herbeigezogenen Rolling Stones nutzten gelegentlich satanische Symbolik, um ihre (marketingorientierte) rebellische Haltung auszudrücken und sich damit die Sympathien der Kids zu sichern. Apropos Sympathien: Gleich zwei Faktoren haben mitgeholfen, "Sympathy For The Devil" als angeblichen stichhaltigen Beweis für die satanische Ausrichtung der Stones zu brandmarken, zum einen die augenscheinliche Übereinstimmung des englischen "sympathy" mit dem deutschen "Sympathie" (obwohl hier die Übersetzung "Mitleid" korrekt wäre, womit der Song "Mitleid mit dem Teufel" heißt), zum anderen die Tatsache, daß Udo Lindenberg den Song tatsächlich unter dem Titel "Sympathie für den Teufel" coverte (aber textlich ebenfalls sarkastisch-mitleidig zu Werke geht). Daß einzelne Stones-Mitglieder tatsächlich privat Kontakt zu Okkultisten hatten, schlug sich in der eigentlichen Bandarbeit nicht nieder (der geplante Soundtrack zu "Lucifer Rising" des okkulten Filmemachers Kenneth Anger kam nie zustande, und ein Plattentitel wie "Goat's Head Soup" ist in Verbindung mit dem Cover eher eine Satanslästerung, wenn man daraus nun nicht gerade das Prinzip eines "satanischen Abendmahls" konstruiert).
In den 70ern traten Black Sabbath mit einer augenscheinlich satanischen Attitüde auf den Plan. Tatsächlich gibt es einige recht düstere Texte in ihrem Schaffen, die jedoch eher als sehr plastische Reflexionen ihres Umfeldes interpretiert werden sollten. Die Mitglieder von Black Sabbath waren gesellschaftlich unterprivilegierte Arbeiterkinder aus der mittelenglischen Industrieregion, die seinerzeit ungefähr genauso lebensbejahend herüberkam wie das Ruhrgebiet zu schlimmsten Zeiten. Gitarrist Tony Iommi meinte sinngemäß, daß man einerseits von der Protestbewegung der 68er und deren musikalischen Begleiterscheinungen inspiriert wurde, aber schlecht über Blumen im Haar singen konnte, wenn es in ganz Birmingham weit und breit nur Schmutz und Staub, aber keinen einzigen halbwegs grünen Grashalm gab. Besagte düstere Texte (die nur eine Facette des Schaffens von Black Sabbath widerspiegeln - es gibt auch Antikriegssongs wie "War Pigs" oder gar christlich spiritualisierte Tracks wie "After Forever"; man vergesse ebenfalls nicht, daß sich Ur-Sänger Ozzy Osbourne zum christlichen Glauben bekennt) sorgten schnell dafür, daß Black Sabbath ein okkult-satanisches Image verpaßt bekamen, was die Band marketingstrategisch intelligent mit der Verwendung entsprechender Symbolik aufgriff (der Bandname zählt nicht dazu - der stammt aus einem steinalten Horrorfilm mit Boris Karloff; aus den 30er Jahren, wenn ich mich recht erinnere). Damit wären wir wieder bei einer "satanischen Dimension" nach dem Vorbild der 50er Jahre. Vor diesem Theaterdonner blieb fast unbeachtet, daß parallel zu den Frühwerken Black Sabbaths tatsächlich eine "echte" okkulte Band in der Szene erschien, nämlich Black Widow. Deren Debütalbum "Sacrifice" hat musikalisch mit Black Sabbath nicht so viel zu tun, wie gelegentlich behauptet wird, sondern erinnert eher an Jethro Tull und hat recht interessante Kompositionen an Bord; es kam wie das selbstbetitelte Black Sabbath-Debüt 1970 heraus und konnte sich sogar kurzzeitig in den hinteren Regionen der Charts behaupten (was bei der damaligen geringeren Anzahl an veröffentlichten Platten nicht sonderlich schwierig war). Die Lyrics bestehen teilweise aus konkreten Ritualanweisungen und Beschwörungsformeln okkulter Art. Geholfen hat's nicht; nach zwei weiteren Platten löste sich die Band nicht zuletzt aufgrund ausbleibenden Erfolgs auf.
In der Phase der geistigen Öffnung vor allem in Richtung der Ostreligionen seit den Spätsechzigern hielt auch deren Gedankengut und Symbolik Einzug in die Musikwelt. Verknüpft mit animistischen Gedanken, baute sich beispielsweise Led Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page seine eigene kleine Welt auf. Dessen Kontakte umfaßten auch im weitesten Sinne als satanisch zu betrachtende Kreise. Einige Widerspiegelungen dieser Geisteswelt finden sich in Form einer lustigen Symbolmixtur auf der einen oder anderen Led Zeppelin-Platte wieder. Für die echte satanische Fraktion war diese Mixtur allerdings definitiv ungeeignet, da sie in letzter Konsequenz wohl nur von Page selbst verstanden wurde und alle anderen Deutungen allenfalls vage Interpretationen zulassen, die zudem in zahlreiche Denkrichtungen möglich sind.

Die Auswirkungen der Organisierung der satanistischen Szene

Okkulte Orden gibt es schon seit Jahrhunderten. Sie besitzen thematisch eine ausgesprochen große Streubreite und existieren auch heute in nicht geringer Zahl. Dagegen scheiterten alle Versuche, eine Art "satanistischer Volkskirche" zu implementieren. Aleister Crowley und Anton Szandor LaVey konzentrierten sich ebenfalls mehr auf Ordensbildung, obwohl sie an einer stärkeren Verbreitung ihrer Ideen alles andere als uninteressiert waren. Aufgrund gesellschaftlicher Restriktionsmaßnahmen, aber auch massiver interner Probleme, nicht zuletzt eines gnadenlosen Egozentrismus, der in den lehrend vermittelten Grundsätzen manifestiert ist, sich aber beim Aufbau einer Bewegung als fürchterlich kontraproduktiv erweist, blieben die Wirkungskreise der aufgebauten Strukturen relativ klein. Sich selbst als elitär begreifende Kreise nahmen die Lehren der Genannten allerdings teilweise bis komplett in sich auf. Künstler gehören natürlicherweise zu diesen Kreisen, und somit fand das entsprechende Gedankengut partiell den Weg auch in die Musik bzw. richtiger in deren Begleiterscheinungen ("satanische" musikalische Elemente oder Instrumente gibt es bekanntlich nicht). Die genannten Black Widow waren ein recht früher Vertreter dieser Strömung. Erst in den 80er Jahren fanden sich im Heavy Metal die nächsten bekannteren Exempel. Damit sind weder AC/DC noch Venom oder Possessed gemeint (allesamt Marketingsatanisten, allenfalls mit geringem beigemischtem Protestgedanken - bei AC/DC blieb es sowieso im wesentlichen bei den Songs "Highway To Hell" und "Hells Bells"), auch nicht Iron Maiden, sondern hauptsächlich Mercyful Fate. Sänger King Diamond nutzte das Forum, das er in Gestalt der Band hatte, um seine okkult-satanisch geprägten Glaubensansichten teilweise recht unverhüllt zu postulieren. Nachahmer fand er nur wenige, und die Zahl der Fans, die sich hernach ernsthaft mit Satanismus zu befassen begannen, dürfte sich ebenfalls in Grenzen halten. Kaum öffentliche Popularität erlangten auch einige britische Bands wie Witchfynde und Witchfinder General, musikalisch den alten Black Sabbath, textlich aber teilweise Black Widow nacheifernd. Szeneintern sind sie allerdings durchaus bekannt, und die Fähigkeit, eine düstere Atmosphäre zu erzeugen, wird von verschiedenen Musikern gern positiv herausgestellt. Dagegen sind beispielsweise die textlich scheinbar durchaus ernsthaft-satanischen Amis Satan's Host selbst unter eingefleischten Metallern so gut wie unbekannt, ihr Album "Metal From Hell" ist äußerst selten (lohnt allerdings die Suche auch nicht, denn musikalisch ist's recht mittelmäßig, trotz dem von Jag Panzer bekannten und beliebten Harry Conklin, der gasthalber auf der Platte singt).
Einem Großteil der anderen Bands im härteren Areal, die sich in den 80ern einen satanischen Anstrich gaben oder entsprechende Elemente verarbeiteten, kann man ohne große Bedenken das Schild "Protestsatanisten" umhängen. Die eine oder andere skurrile Ausprägung fällt dabei besonders ins Auge, so etwa die Amis Manowar, die sich mit fast schon comichaftem Charakter als "Verteidiger des wahren Metal" positioniert haben (was J.B.O. zur Parodie "Verteidiger des wahren Blödsinns" inspirierte) und sich eskapistisch in eine Zeit zurückbeamen, in der noch starke Männer mit wehendem Haar auf Streitrossen durch die Lande flogen und mit Schwert und Kriegshammer für ihre Ideale einstanden (ob es diese heute romantisch verklärten Zeiten jemals real gegeben hat, ist fraglich, soll aber an dieser Stelle nicht erörtert werden). Die Figur Satan wird in solchen Zusammenhängen gern als Freiheitssymbol für einen gewissen rechtsfreien Raum gebraucht, womit man ihre zwanghaften Züge allerdings völlig außer acht läßt. Das schwedische Bandprojekt Bathory lenkte den Eskapismus in eine andere Richtung, indem es die vorchristliche Geschichte Skandinaviens glorifizierte. Die Verwendung okkulter und/oder satanischer (auch heidnischer, altgermanischer oder eben -skandinavischer) Symbolik in den 80er Jahren ist eine Begleiterscheinung des geschilderten Phänomens des Protestsatanismus und nur in seltenen Fällen wirklich als Ausdruck einer satanistischen Weltanschauung anzusehen. Für den Außenstehenden gestaltet sich die Unterscheidung allerdings oftmals schwierig bis unmöglich - ein zu Protestzwecken gebrauchtes Pentagramm sieht nun mal genauso aus wie ein als religiöses Symbol benutztes. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Umfeld (der Band/des Trägers usw.) und den Hintergründen erscheint also unabdinglich. Dabei ist Genauigkeit dringend geboten, denn gerade das Thema "Tod" wird von vielen Autoren gern mit dem Thema "Teufel" zu "Tod & Teufel" zusammengefaßt, was aber alles andere als korrekt ist und den Intentionen vieler Bands zuwiderläuft. Abschließend sei noch gesagt, daß die Anzahl der "echten" Satanisten in Metalbands (die ihre Ansichten entsprechend vertraten) in den 80ern wahrscheinlich sogar kleiner war als die Anzahl der "echten" Christen, die analog handelten.

In Teil 13 erreichen wir voraussichtlich die Gegenwart und das Ende unserer Analyse.



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