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Herrenmagazin
von kk anno 2011

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Die vier Mitglieder der Hamburger Indie-Band Herrenmagazin müssen Organisationstalente sein: Erst vor wenigen Monaten haben Deniz Jaspersen, Rasmus Engler, König Wilhelmsburg und Paul Konopacka ihr zweites Album "Das wird alles einmal Dir gehören" veröffentlicht, schon denken sie an das nächste und überbrücken die Wartezeit der Fans mit einer Audiolith-Remix-EP. Nebenher basteln sie auch noch Unikate für die Fans ... und das, obwohl eigentlich keiner der Vier wirklich Zeit hat.
v.l.n.r.: Rasmus Engler (Schlagzeug), Deniz Jaspersen (Gesang und Gitarre), König Wilhelmsburg (Gitarre), Paul Konopacka (Bass). Foto: Motor Music
Zweieinhalb Wochen touren die Vier nun durch Deutschland und bespielen insgesamt 17 Städte. Danach geht's zurück in den Alltag: Paul und Deniz kümmern sich um ihr Studium. Ersterer spielt außerdem seit kurzem bei der Indie-Band Tusq, Letzterer arbeitet zusätzlich nachts in einer Mutter-Kind-Einrichtung. König ist Sozialarbeiter, Rasmus jobbt unter anderem im Hamburger Club Uebel & Gefährlich und spielt in diversen anderen Bands (Das Bierbeben, Gary, Dirty Dishes). Jeder der Vier macht irgendetwas nebenbei, denn die Band als Verdienst allein reicht nicht, gibt Deniz zu: "Es ist zu viel Zeit für ein Hobby und zu wenig Geld für einen Beruf. Wir verdienen damit kein Geld. Wir geben aber auch keins aus. Wir ruinieren nur unser Leben." Dennoch müssen die vier Hamburger irgendwie alles unter einen Hut bringen ...

Deniz: "Wir proben halt nicht."
König: "Mir geht's halt einfach immer schlecht." (lacht)
Rasmus: "Ich schlaf' einfach nicht."

Dem melancholisch resignierten Indie der vier Herren ist das nicht anzuhören, weder auf Platte noch live. Aber natürlich schränkt es die Band auch ein, beim Songschreiben beispielsweise, wie Rasmus anmerkt: "Wir können uns eben nicht mal problemlos ein Wochenende zusammensetzen, weil wir genug damit zu tun haben, dass sich das, was wir sowieso schon machen, einigermaßen anhört." Die Songs von Herrenmagazin würden vermutlich ohne Zeitmangel ganz anders klingen, denn momentan entscheidet die Band immer sehr spontan aus dem Bauch heraus: Deniz spielt dem Rest seine Akustikballaden vor - ein "chronischer Singer-Songwriter", scherzt Rasmus - und dann entscheidet sich sehr schnell, ob der Song funktioniert oder nicht. Die Lieder verselbstständigen sich in "Das passiert dann halt einfach"-Manier, erklärt Deniz: "Engler spielt sowieso meistens einen komplett anderen Beat, als ich mir das ursprünglich dachte. Das ist dann aber genau richtig, weil ich dann denke: Krass! Na klar! Logisch! Und König ...", dieser fällt ihm ins Wort: "... macht eh, was er will". Deniz setzt fort: "Das hätte ich mir eh nicht alles ausdenken können. Und dann denk ich auch so: Ja fett! Geil! Der Einzige, auf den ich mich immer verlassen kann, ist Paul Konopacka, menschlich aber auch musikalisch. Musikalisch sind wir uns am einigsten." Auf dem nächsten Album wollen die Vier etwas weg vom bisherigen Vorgehen, mehr zusammen schreiben und mehr jammen, denn andernfalls würde es Deniz zu langweilig. Aber damit es dazu kommen kann, braucht es wieder Zeit. Rasmus wünscht sich und den Rest der Band für zwei Wochen auf eine Insel: "Die Greifswalder Oie zum Beispiel, die ist nämlich unbewohnt."
Der aktuelle Langspieler 'Das wird alles einmal Dir gehören'
Einen kleinen Schritt in Richtung dieses Songwritings haben Herrenmagazin schon auf dem aktuellen Album "Das wird alles einmal Dir gehören" getan. Im Gegensatz zum Debüt "Atzelgift" haben die Hamburger dieses nämlich live aufgenommen. "Hat natürlich Nachteile", erklärt Paul, "weil man weniger bearbeiten kann. Aber es hat natürlich mehr Feeling." Ein Balance-Akt: Mehr Authentizität und Energie gegen weniger klaren Sound. Der Klang von Herrenmagazin hat sich aber auch in einer anderen Hinsicht verändert, merkt Rasmus an, denn 2005 wurde der damalige Gitarrist Philip Wildfang durch König ersetzt. "Da König in seiner Fanhaftigkeit ein breitgefächerteres musikalisches Spektrum abdeckt und ein etwas größeres Wissen hat als der Typ, der da vorher stand, muss es zwangsläufig etwas vielschichtiger werden."
Zu textlicher Resignation und musikalischer Vielschichtigkeit gesellt sich außerdem noch ein bisschen Punk-Attitüde ins Bandgefüge von Herrenmagazin. Die manifestiert sich derart, dass die vier Hamburger eine gewisse Gleichgültigkeit an den Tag legen: "Diese vollkommene Verweigerung", erklärt Rasmus, "als Band Pressemappen zu machen und sich irgendwo anzubiedern. So faul zu sein, wenn jemand anfragt und ein Demo möchte, zu sagen 'Ja, wir haben aber keins.' Diese Respektlosigkeit der nächsten Stufe gegenüber ist uns allen sehr eigen." Für Herrenmagazin zählt die Musik, kein Marketing. Das setzt sich fort bis zur wenig strategischen Auswahl der Vorband. "Wenn wir ein bisschen Einfluss darauf haben", erklärt Rasmus, "dann nehmen wir natürlich irgendwelche Leute, die wir seit ewig kennen."
Kippen ist eine solche befreundete Band, die das Konzert als auch die Tour im Werk II eröffnet. Drei Jungs aus Braunschweig, deren Absichten irgendwie besser sind als die Umsetzung. Denn entweder hören sich Kippen auf der Bühne nicht so richtig selbst, Dissonanz ist bei ihnen latentes Stilmittel oder sie sind tatsächlich etwas verstimmt und nicht ganz treffsicher, was Töne angeht, denn das, was beim Publikum ankommt, ist zuweilen ganz schön schief. Da muss man schon ein Ohr zudrücken, um sich auf die etwas diffusen Texte konzentrieren zu können. Wer sich auch mit denen so gar nicht anfreunden kann, bekommt wenigstens lustige Ansagen: "Im nächsten Lied geht es um Arbeit. Nicht sowas wie Kunst studieren, wo man irgendwas auf eine Leinwand kackt. Sondern ehrliche, harte Arbeit, wie sie authentisch in Filmen wie 'Stirb Langsam' dargestellt wird."

Herrenmagazin in der Halle D des Werk II
Ähnlich amüsant bleibt es bei Herrenmagazin, die bester Laune sind. Im Vorhinein hatte Deniz zwar bemerkt, das Werk II sei viel zu groß ("Völlig überdimensioniert. Ich fühl' mich schlecht."), davon spürt man aber nichts, denn sämtliche Anwesenden stellen sich gleich zu Anfang solidarisch so vor die Bühne, dass es aussieht, als wäre die Halle D voll. Mit der Resonanz, die den Herren nun auf der Bühne entgegenschlägt, hatten diese wohl nicht gerechnet. Aus Verblüffung wird Euphorie und plötzlich sieht man ganz deutlich freigelegt, warum Deniz, Rasmus, Paul und König so viel Stress für ein, zwei Stunden am Abend in Kauf nehmen: Sie gehen in ihrer Musik auf. Gefühlvolle, aufrichtige Musik und Texte, die sich sowohl Band als auch Publikum kathartisch von der Seele schreien können. Deniz Jaspersen mit seiner neuen Gitarre
Für noch mehr gute Stimmung sorgt kurz nach Beginn des Konzerts Tourmanager Säge, der spontan die Band mit einer Runde Schnäpse versorgt. Der erste, bei dem dieser seine Wirkung tut, ist wohl Rasmus, der zur Erheiterung aller die wohl besten Ansagen zwischen Liedern seit Langem macht. Eine sarkastische Argumentation, warum Deutschland lieber von anatomischen Spastikern regiert werden sollte ("Die sorgen dann dafür, dass wir überall die Treppen hochkommen."), erfundene Geschichten über Erlebnisse mit der Band Mikrokosmos 23 ("Wir haben am Bahnhof auf unsere vier Taxis gewartet - für jeden eins - und dann hat uns eine Band angesprochen und wir mussten Interesse heucheln.") und stumpf-dumme Solidaritätsbekundungen für den Stadtteil ("Der nächste Song ist für den Bahnhof Connewitz Süd, der soll erhalten bleiben!"). Bei so viel Amüsement interessiert auch keinen, ob Rasmus dann doch Schwierigkeiten hat, beim Song "Krieg" das Tempo zu halten oder ob sich einer der drei anderen Herren mal verspielt. Unwichtig, findet in gewissem Maße auch die Band.

Deniz: "Wir können nur das, was wir können. Wir können uns nicht verstellen. Wir versuchen das immer noch ein bisschen besser auf den Punkt zu bringen."
Rasmus: "Wir können vor allem nur das, was wir wollen. Wenn wir jetzt mehr wollen würden, dann könnten wir uns natürlich hinstellen und ... es bringt ja auch alles nichts. Es ist ja alles Quatsch."

Richtig. Ist nämlich super so.

Links:
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