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Black Math Horseman
von kk anno 2011

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Was ist düster und was nicht? Im Internet geben Hobby-Kategorisierer der Band Black Math Horseman Genrebezeichnungen wie "Atmospheric Doom Metal", "Heavy Post-Rock" und "Progressive Doom". Bryan Tulao, Gitarrist der Band, hingegen findet die Musik weniger dunkel. Fallen hier Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinander?
"Jedes Mal wenn Menschen zusammenkommen und Musik machen, entsteht eine Chemie. Ich finde, man kann nicht planen, ob man düster klingt oder nicht. Wären du und ich in einer Band, könnten wir die düsterste Musik der Welt machen. So etwas geschieht unvorhergesehen. Unsere Musik finde ich nicht besonders finster. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, sie ist hübsch. Schön. Üppig." Ist man einmal in die Klanglandschaft von Black Math Horseman eingetaucht, ergibt das Sinn. Die mächtigen Gitarrenwände, das naturgewaltige Schlagzeug, der weltfremde Frauengesang, sogar die atonalen Passagen - sie fügen sich harmonisch und natürlich ineinander. Zunächst mögen Black Math Horseman nach purer Dunkelheit klingen. Aber mit der Zeit gewöhnen sich die Ohren daran und auf einmal hört man im zuvor tiefschwarzen Klangwald auch Grün und Braun und kann formschöne Umrisse ausmachen.
Black Math Horseman würden nicht so vollendet klingen, verstünden sich die Bandmitglieder nicht so gut. Tulao und Schlagzeuger Sasha Popovic verbindet eine gemeinsame Vergangenheit in der Alternative-Rock-Band Mother Tongue. Gitarrist Ian Barry und Frontfrau Sera Timms kannte Tulao durch Freunde.
"Die beiden hatten schon zuvor ein Projekt, bei dem sie Gitarre spielten. Ian und Sera fragten mich, ob ich den Bass übernehmen wolle. Um ehrlich zu sein: Als wir das erste Mal zusammen spielten, klang das nicht besonders gut. Nach ein paar Versuchen sagte Sera: 'Weißt du was? Ich spiel Bass.' Das ist ihr Hauptinstrument. Mittlerweile verstehen wir uns alle blind, wir stimmen uns sofort aufeinander ein."

Black Math Horseman: Bryan Tulao und Ian Barry

Bryan, euer Debüt "Wyllt" hat Scott Reeder [Bassist von Kyuss, Anm. d. Verf.] produziert. Wie habt ihr ihn kennengelernt und wie kann man sich die Aufnahmen mit ihm vorstellen?
Bryan: Sash und ich kannten ihn von der ersten Mother-Tongue-Tour, auf der wir für Kyuss eröffneten. Am Tag nach unserem ersten Black-Math-Horseman-Konzert sagte Sash: "Wir klingen gut in einem Raum, aber ich will eine Aufnahme von uns hören. Was haltet ihr davon, wenn ich Scott anrufe?" Der antwortete mit "Klar, kommt zu mir! Ich nehm euch auf." Eine Sache unter Freunden. Sein Studio heißt "The Sanctuary" und ist auf seiner Farm. Die Sache war: Wir hatten noch nie zuvor auch nur eine Note von dem gehört, was wir spielten. Wir wollten einfach wissen, wie wir klingen. "Lasst uns einfach ein paar Mikrofone aufstellen und einmal die Lieder durchgehen." Wir spielten sie also live ein. Ab und zu kam Scott in den Aufnahmeraum und justierte ein paar Mikrofone, sagte "OK" und ging wieder. Von früh morgens bis Mitternacht sagte er kaum ein Wort. Wir waren uns nicht sicher, ob er es scheiße findet: "Klingt alles gut? Ich weiß nicht wie das klingen muss?" - "Jaja, alles cool." Erst als wir gingen, sagte er: "Das war großartig! Ich hatte keine Ahnung, was das wird und wie ihr klingen würdet." - "Wir dachten, du hasst es, weil du so ruhig warst!" - "Nein, ich musste es nur verarbeiten." Danach fanden wir alle: "Wow, das klingt ziemlich gut!" Eigentlich hatten wir das Ganze als Demo angesetzt, geworden ist es ein Album. Mittlerweile haben wir noch ein paar Lieder bei ihm aufgenommen, die wir vermutlich diesen Sommer veröffentlichen werden.

Wie habt ihr eure Stücke geschrieben?
Bryan: Wir sind alle gleich eingebunden, was das Schreiben angeht. Ian ist überwiegend derjenige, der Riffs einbringt. Wesentlich ist dann Sashs Schlagzeugspiel, es ist sehr musikalisch. Manchmal haben Ian und ich gemeinsam etwas geschrieben, wussten aber ohne Sash nicht, ob es funktionieren würde. Besonders bei der Arbeit am nächsten Album ging uns das so. Wir schreiben etwas und finden es großartig, dann kommt Sash und fragt "Aber wie wär's, wenn wir es so machen würden?" - "Ja, das ist eigentlich sogar besser. Scheiße Sash, lass es uns nochmal schreiben." Ian und ich schreiben außerdem gerne Atonales. Klänge, die nicht funktionieren sollten, erzeugen Spannung. Am Ende kommt Sera und sagt: "Das klingt gut, aber ich finde, es sollte heavier und intensiver sein." Manchmal habe ich das Gefühl, das Rock-Element kommt von ihr. Interessant ist, dass wir alle etwas Verschiedenes spielen. In manchen Bands habe ich die Erfahrung gemacht, dass Gitarre und Bass dasselbe spielen, hier ist das nicht so.

Versucht ihr bei Konzerten, die Stücke so zu spielen wie auf dem Album?
Bryan: Manche ändern wir leicht ab; die unterscheiden sich dann vom Album. Aber eigentlich entwickelt sich live jedes Lied. Das ist irgendwie interessant: Es lässt sich auch so gar nicht mit Mother Tongue vergleichen. Das hier ist eine komplett neue Erfahrung, denn es ist auch nicht so richtig wie Jammen ... Manchmal läuft es absolut schief, aber ein anderes Mal führt uns das an unglaubliche Orte.

Das Debütalbum "Wyllt" ist der erste Teil einer geplanten Trilogie, die einem Konzept folgen soll, das, wie auch der Klang von Black Math Horseman, recht mystisch ist: Der Albumname "Wyllt" bezieht sich auf den walisischen Propheten Myrddin Wyllt, der im sechsten Jahrhundert nach Christus gelebt haben soll. Gitarrist Ian Barry kann seinen Bandkollegen zufolge das Konzept in seinen Grundzügen am besten wiedergeben.

Ian, welcher Gedanke steht hinter "Wyllt"?
Ian: Das Album basiert auf einer zeitlosen Geschichte einer Variante von Merlin. Es gab immer einen Weisen - in den Zeiten von Königen, aber die Geschichte lässt sich genauso gut auch in die heutige Zeit übertragen. Diese Ratgeber waren bewusster für manche Dinge und besser in Einklang mit dem Auf und Ab der Menschheit. Man hofft, dass eine solche Person in der Nähe und in einer einflussreichen Position ist. Denn Menschen in Machtpositionen werden manchmal von ihrer Macht verzehrt. Dann ist hoffentlich jemand da, der beratend zur Seite steht. In Amerika zum Beispiel gibt es verblüffende Landschaften, aber man hat es nicht geschafft, sich mit den Einheimischen zu arrangieren. Sie wurden ausgestoßen. Solche Geschichten wiederholen sich selbst. Es gibt immer ein Ringen von Menschen in Machtpositionen und Ratgebern, die naturverbundener sind. Auf "Wyllt" ist es der Black Math Horseman, der versucht, seine unglaubliche Gabe und seinen Einfluss auf andere verantwortlich zu nutzen. Es wird so viel über Superhelden gesprochen, die lernen müssen, mit ihrer Verantwortung umzugehen - das ist dasselbe. Bei uns ist es esoterischer, magischer vielleicht. Es sind Elemente hinzugekommen, die wir als Band lieben.

Glaubst du, es gibt jetzt gerade eine solche Person?
Ian: Ich glaube, es ist gefährlich, einen bestimmten Archetyp auf gewisse Personen anzuwenden. Ich denke, dass jeder von uns die Fähigkeit besitzt, Situationen zu überblicken, sich darüber klarzuwerden, wie man tatsächlich über Dinge denkt, über Gut und Schlecht: die eigenen Konflikte. Das Potential, so eine Person zu sein, haben meiner Meinung nach viele. Das klingt sehr politisch korrekt.

Ist dieses Potential deiner Meinung nach eher groß oder klein?
Ian: Ich habe das Gefühl, dass dieses Potential gerade eher unterdrückt als bestärkt wird. Uns geht es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, mehr mit der Natur und der Umwelt verbunden zu sein. Damit ist kein - und das klingt jetzt hart - prätentiöses, hippiesques oder Bohème-Denken gemeint. Es geht um eine reale Situation. Ich glaube auch, es ist wichtig, Menschen nicht in den Himmel zu heben - Bands, Schauspieler und irgendwelche Berühmtheiten eingeschlossen. Wir müssen ein paar Werte würdigen, aber dabei geht es definitiv nicht darum, prominent zu sein. Vielleicht geht es um einen höheren Ort, an den man gelangen kann, ein wunderlicher, fantastischer Ort. Durch Filme erhalten wir auf träumerische Art und Weise Zugang zu ihm. Mit unserer Band ist es dasselbe: Wir erforschen Klanglandschaften und reisen ins Bewusstsein, aber ich glaube nicht, dass die Geschichte wörtlich zu verstehen ist. Deswegen ist es auch so kryptisch. Aber man kann den Umgang mit Problemen, das Gefühl, Verantwortung übertragen zu bekommen, Glückseligkeit und Schönheit darin finden. Wir wollten nicht mit dem Finger darauf zeigen und eine lineare Geschichte erzählen. Sie ist lose und verändert sich. Letztendlich hat sie mit Ehrlichkeit zu tun, was vermutlich das größte Problem der Menschheit ist. Wenn ich "ehrlich" sage, meine ich nicht nur "Du bist eine gute Person" oder "Du meinst es gut". Es geht darum, ehrlich zu sein. Sei es etwas Unerfreuliches, dass man jemandem sagen muss und oder etwas, das einen verwundbar macht. Das, in aller Kürze, ist es, worum es uns mit Black Math Horseman geht.

Am Ende ist es verwunderlich, wie ohne jegliches Kalkül und mehr oder weniger aus Versehen ein solches Album entstehen konnte. Vier Menschen, eine Chemie und sechs Lieder, die ähnlich viel Respekt einflößen wie unberührte Natur, die noch nie ein Mensch betreten hat. Wer will, kann an "Wyllt", seiner Vielschichtigkeit und dem dahinter stehenden Konzept lange zehren. So, oder mit Timms' Nebenprojekt Ides Of Gemini, lässt sich die Zeit bis zum nächsten Black-Math-Horseman-Album überbrücken, das nämlich vermutlich noch nicht allzu bald veröffentlicht wird. "Vor dieser Tour haben wir sieben Monate lang kaum etwas gemacht", erklärt Tulao. "Es kam immer etwas dazwischen. Zum Beispiel hatte sich Ian seinen Arm gebrochen und das Handgelenk verstaucht. Wegen solcher Hindernisse ging es nicht voran. Nach so langer Zeit fragen wir uns bei manchen fertigen Liedern, ob sie uns so noch gefallen. Das verzögert alles. Aber wir haben uns ein mentales Datum gesteckt, wann wir das Album fertig haben wollen und ich hoffe, dass wir es nicht allzu lang verschleppen. Ich freu mich darauf."

Links
www.myspace.com/blackmathhorseman
www.blackmathhorseman.com/









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