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ANDREAS BÖTTCHER: Blue Pipes - Jazz-Orgel-Improvisationen
von rls

ANDREAS BÖTTCHER: Blue Pipes - Jazz-Orgel-Improvisationen   (querstand)

Daß es ein Musiker heute noch schafft, etwas völlig Neues zu kreieren, kommt ja kaum vor. Andreas Böttcher scheint indes eben dies geschafft zu haben, denn eine Einspielung von Jazz-Improvisationen an einer Orgel ist bisher noch nicht an meinem beschränkten musikalischen Horizont aufgetaucht. Hier stellt sich natürlich gleich die Frage, ob die Musikwelt denn auf sowas gerade noch gewartet hat. Sie geht letzten Endes unentschieden aus.
Der Multi-Instrumentalist Böttcher näherte sich dieser Mixtur von der Jazzseite aus, wo seine Wurzeln liegen. Er spielte die Improvisationen an der Orgel der St. Hubertus-Kirche in Dresden (erbaut 1956 von der Dresdner Firma Gebrüder Jehmlich) ein. Der Sound der Aufnahme ist schön druckvoll, und die Rhythmusparts kommen fett genug, daß man das jazz-typische Drumming überhaupt nicht vermißt. Böttcher wirft in den einzelnen Tracks mit brutalen Disharmonien und kakophonisch anmutenden Clustern nur so um sich, vergißt aber nie, mitunter eingängig-harmonische Themen oder gar süßlich-liebliche Melodien einzubasteln. Das komplette Material steht auf technisch hohem Niveau und ist qualitativ relativ homogen ausgefallen. Ein wenig aus dem Rahmen fallen lediglich "Twelve o'clock", das dank der Glocke im Hintergrund den höchsten Wiedererkennungswert aufweist, sowie der ruhige "Night Song".
Kommen wir noch zu den Schwächen der Scheibe: Das komplexe Material verlangt sehr hohe Konzentration beim Hören (Kopfhörer sind anzuraten) und kann sehr leicht ins Nervende ausarten. Zum Nebenbeihören bei Hausaufgaben ist die CD also wahrlich keine gute Wahl, und zur Untermalung von Kuschelstunden dürfte sie (mit Ausnahme des genannten "Night Song") ungefähr genauso gut geeignet sein wie das Frühwerk von Napalm Death. Ferner ist es zwar eine schöne Idee, im Booklet Widmungen abzudrucken, aber in weißer Schrift auf hellem Hintergrund läßt die Lesbarkeit doch arg zu wünschen übrig.
Bleibt noch die Frage, wer diese CD denn nun braucht. Orgelfreaks, denen Hindemith und Schönberg nicht mehr abgedreht genug sind, und extrem tolerante Jazzfanatiker können sich die Scheibe eigentlich blind kaufen. Allen anderen aber sei zumindest intensives Reinhören vor dem Kauf angeraten, denn massenkompatibel ist solcherart Mucke nun wahrlich nicht, und der riesige Kreis von 08/15-Musikkonsumenten dürfte die Scheibe allenfalls als Untersetzer für Blumentöpfe verwenden können. Steht die CD nicht im Laden, dann kontaktet den Verlag Klaus-Jürgen Kamprad, Theo-Neubauer-Straße 7, 04600 Altenburg, Tel. (03447) 37 56 10.
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