www.Crossover-agm.de ZERAPHINE: Blind Camera
von Janet

ZERAPHINE: Blind Camera   (Drakkar)

Wenn man jahrelang ein großer Dreadful Shadows-Freund war, sich nach einigem Zögern auch mit dem ZERAPHINE-Material angefreundet hat, dann aber - warum auch immer - ein bisschen den Bezug dazu verloren hat, schließlich das neue ZERAPHINE-Album zum Reviewen bekommt und nach den ersten Hördurchläufen immer noch hilflos davorsteht - was macht man dann?
Man geht auf ein ZERAPHINE-Konzert. 21. März, Glauchau. Ich treffe ein erfrischend klischeefreies Publikum, der Männeranteil ist höher als erwartet, und dieses Publikum ist eines der enthusiastischsten, die ich in meiner jahrelangen Konzerterfahrung erlebt habe. Ich erinnere mich daran, dass ich Sänger Sven in punkto Ausstrahlung schon immer für eine Art männliches Pendant zur bezaubernden Anneke hielt. Erneut bin ich berührt von Zurückhaltung und Perfektion, davon, dass einem die Band permanent das Gefühl gibt, man habe noch nie so viel Applaus erhalten. Nichts ist hier aufgesetzt. Es ist pure Emotion. Vereinzelte "Sveni"-Kreischer werden mit einem fast schüchternen Lächeln beantwortet; es wunderte nicht, würde der Angesprochene erröten.
Dieses wunderbare Konzert ist der Anlass dazu, dass "Blind Camera" in den nächsten beiden Tagen schätzungsweise zwanzig Durchläufe in meinen Gehörgängen nimmt. Und dann holt mich eine sieben Jahre alte Vergangenheit ein, und in mir platzt ein Knoten.
Was soll man noch schreiben über Musik, die solche Wunder zu vollbringen vermag?
Ich habe mich inzwischen an die deutschen Texte gewöhnt, die im Vergleich zum Vorgänger "Traumaworld" wieder ein paar mehr geworden sind. Auch die deutsche Sprache kann sehr schön sein. Sven beherrscht das Spiel mit den Worten. Nur ein Beispiel: "All die Fragen sind verbrannt, du hast sie nie gestellt, weil die Antwort, eingerahmt, im Wind schnell von den Wänden fällt" (aus "Kaltes Herz").
Ebenso paritätisch wie die beiden Sprachen verhalten sich in etwa balladeske, pathetische Songs zu recht flotten Teilen, wobei mir letztere ausnehmend gut gefallen, man beachte bloß den geradezu rockigen Opener "I Never Want To Be Like You". Beim Konzert gab es im Publikum übrigens neben Tänzer(inne)n auch Headbanger(innen) zu beobachten, ob man's nun glaubt oder nicht.
Freunde großer Experimente sind die Berliner sicherlich nicht, stilistische Variationen sind aber im Detail zu entdecken, wofür man schon einige Geduld und Zeit mitbringen sollte. So bleiben sie ihrer musikalischen Richtung, die man grob mit Gothic Alternative Rock umreißen kann, auch weiterhin treu. Völlig unverwechselbar macht ihre Musik auf jeden Fall Svens Gesang. Wenn man ihn auf der Bühne sieht, fragt man sich manches Mal, wo er diese tiefe, gleichzeitig kräftige als auch fragile Stimme so mühelos hernimmt. Schreit er einzelne Worte oder Wortverbindungen aus voller Brust heraus, stockt einem jedesmal der Atem.
"Blind Camera" ist also wieder eine Perle dieser fanfreundlichsten Band, die ich kenne (wer im Newsletter-Verteiler eingetragen ist, wird über jeden Sendetermin jedes kleinsten Interviewschnipsels informiert und kann im Durchschnitt wöchentlich mit Neuigkeiten seiner Faves rechnen). Außerdem sollte sie helfen, die Zeit bis zum nächsten Konzert zu überstehen.
Labelkontakt: www.drakkar.de
Bandkontakt: www.zeraphine.de, info@zeraphine.de

Tracklist:
1. I Never Want To Be Like You
2. Die Macht in Dir
3. Blind Camera I
4. I Feel Your Trace
5. Die Welt kann warten
6. Kaltes Herz
7. Hollow Skies
8. I'm Numb
9. Jede Wahrheit
10. Blind Camera II
11. Falscher Glanz
12. River Of You
13. When Walls Arise
14. Blind Camera III
15. Until I Finally Drown



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