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ZERAPHINE: Traumaworld
von Janet

ZERAPHINE: Traumaworld   (Drakkar / BMG)

Ach, wie traurig und doch wie nachvollziehbar war das Ende der Dreadful Shadows vor fast 3 Jahren ... Und wie unwürdig war diesem Ende jenes Konzert ihrer Last Tour, welches ich damals in Gera miterleben musste: Sven Friedrichs Stimme hatte unter einer Erkältung und der langen Tour gelitten, aber er gab trotzdem alles ihm Mögliche vor diesem unfassbar stumpfsinnigen, drögen Publikum in dieser beschissen hell ausgeleuchteten Location, die mehr als alles andere bisher Gesehene dem Ambiente eines ehemaligen Kulturhaussaales nahekam. Niemand dort schien zu begreifen, was für eine Ära hier gerade zu Ende ging. Nach zahlreichen überaus ergreifenden Dreadful Shadows-Konzerten stand ich nun ohnmächtig in diesem Fiasko und hätte es gewiss nicht ertragen, wenn ich mir nicht ganz sicher gewesen wäre, dass irgendwas davon irgendwie weitergehen würde. (Die Last Show in Berlin konnte ich leider nicht sehen.)
Nach dem etwas enttäuschenden Auftritt von Thanateros, der Band des Dreadful Shadows-Bassisten Jens Riediger, in Plauen habe ich um ZERAPHINE, die neue Band von Dreadful Shadows-Sänger Sven Friedrich und -Gitarrist Norman Selbig, zunächst bewusst einen ängstlichen Bogen gemacht. Und nun kriegte ich das bereits zweite Album zum Reviewen geschickt und musste mich ihm zwangsläufig stellen.
Im Nachhinein bin ich ein bisschen froh, das Debüt "Kalte Sonne" noch nicht zu kennen. Es ist gänzlich in deutsch gesungen, was neu ist für Sven Friedrich und sehr ungewohnt für meine Ohren. Auf "Traumaworld" sind nur zwei der 13 Tracks in deutsch, das reicht mir zum Drangewöhnen vollkommen aus. Textet Sven doch in so wunderschönem Englisch. Man höre sich bloß mal einen Aufruf wie "Be My Rain" an! Die simpelsten Dinge sind oft die bezauberndsten. Obwohl ZERAPHINE eigenständig klingen, noch zerbrechlicher und verspielter, wäre es doch falsch zu behaupten, sie würden nicht extrem an den unvergleichlichen, melancholischen, hochemotionalen Gothic Rock der Dreadful Shadows erinnern. Aber das ist auch gut so, wunderbar ist das sogar. Geschuldet ist es schon allein Svens fragiler Wahnsinnsstimme, die man unter Tausenden erkennt und die sich hoffentlich niemals grundlegend verändert. Die Produktion ist ebenso äußerst transparent und mit fantastischem Fingerspitzengefühl ausgeführt worden, wie das schon bei den Dreadful Shadows der Fall war - es war auch wieder Thommy Hein am Werk. Die Musiker sind selbstbewusste Könner, die sich auch mal zurücknehmen und dezenten Einschüben fremder Instrumente (Violine, Cello, Flöte), einer Frauenstimme oder einem Kinderchor Platz machen und sogar richtige Nachdenk-Lücken lassen können.
Die Songs ... am Anfang hatte ich das Gefühl, es fehlen die bei den Dreadful Shadows so zahlreich vorhandenen großartigen Momente, die dir die Luft aus dem gesamten Körper pressen, und sind einer versonnenen Gefälligkeit gewichen, von der ich nicht wusste, ob ich sie mögen sollte. Nach ein paar Durchläufen stelle ich aber mit Gänsehaut fest: die Songs wachsen! Sie wachsen, je öfter man sie hört. Es sind große und kleine Melodien, Details, an denen man sich nicht satthören kann. Trotz der Einfachheit der Stücke gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Das macht großartige Kompositionen aus! Es sind Perlen, lauter kleine Perlen, die sich harmonisch zusammenfinden. Hin und wieder leuchten manche Perlen ein bisschen heller als andere, aber das ist subjektiv und ich werde mich hüten, durch Nennung dieses oder jenes Titels andere Schmuckstücke unfair zu behandeln.
Einer aber sei doch erwähnt: ZERAPHINE covern Depeche Modes "In Your Room", das besser auf das Album passt als ich es vorher gedacht hätte. Es ist eigentlich selbstverständlich, aber für mich trotzdem erwähnenswert: ZERAPHINE haben das Stück der "Traumaworld" angepasst und nicht die "Traumaworld" an Depeche Mode.
Durch die Großzügigkeit des Drakkar-Labels bin ich sogar in der für kleine Presseleute selten gewordenen Lage, das Booklet zur CD in meine Rezi miteinfließen zu lassen: das sehr stimmungsvolle Büchlein enthält neben allen Songtexten Bilder von insgesamt drei puppenartigen Figürchen, die ihre eigene Geschichte erzählen. Im übrigen ist "Traumaworld" seit geraumer Zeit das erste Album, dem ich mich mehrmals ausschließlich gewidmet habe, also ohne irgendetwas nebenbei zu tun. Auch von den Dreadful Shadows konnte ich sehr viele Songs mitsingen ...
Und wie damals bleibe ich auch hier mit einer Träne der Rührung im Auge zurück und freue mich wie verrückt auf die für Dezember angekündigte Tour.
Wenn ich nun hiermit zum einzigen Mal eine Rezension geschrieben habe, die vom Umfang her Roland'sche Ausmaße angenommen hat, dann gebührte das diesem Album voll zu Recht.
Kontakt: www.zeraphine.de (sehr sehens- und hörenswert! Braucht allerdings lange zum Laden) oder Email an info@zeraphine.de
Label: Drakkar Entertainment GmbH, Berger Str. 6, 58452 Witten, Tel.: 02302/580910, Fax: 02302/5809125, www.drakkar.de

Tracklist:
1. Light Your Stars
2. No More Doubts
3. United And Lost
4. Failing Breath
5. No Tears
6. In Your Room
7. Schreit dein Herz
8. Be My Rain
9. For A Moment
10. Stop Pretending
11. Wonderland
12. Trauma World
13. Wenn du gehst
 



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