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von ta

V.A.: Rock Soldiers 9   (Eigenproduktion)

Nein, Samba tanzen kann man zu dieser Zusammenstellung der Ergüsse brasilianischer Musikerkollektive nicht und das mit dem "Rock" im Titel darf so eng auch nicht gesehen werden. "Rock Soldiers" versammelt auf 22 Songs 13 Bands, die den Metal hart und lustvoll schmieden und in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen über die "Rock Soldiers"-Compilation die Chance gewährt bekommen, die Ergebnisse solcher Schmiedeprozesse einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die neunte dieser Zusammenstellungen liegt mir vor und verdient das stolz verkündete Prädikat "100% Underground" in jedem Falle.
Entrevero Cardinal knüppeln zum Einstieg ein ordentliches Blastbrett. "Dor" bietet fetten, teilweise grindigen Death Metal ohne nennenswerte Melodien, dafür mit stumpfen, aber höchst effektiven Riffs und einem Doompart in der Mitte, bei dem mein Haupthaar bereits den Fußboden kehrt. Nicht ganz so vehement überzeugt das Midtempo-lastige "Terresta Sengaia", welches in die gleiche Sparte fällt, allerdings durch Punk-lastiges Schlagzeugspiel an Durchschlagskraft verliert.
Durchschlagskraft können Dragster in "Break Down" mit ihrem Speed Metal der alten Metallica-Schule durchaus aufweisen und für eine gute Produktion hat's auch noch gereicht. Leider krächzt Tiago Torres original wie James Hetfield drei Minuten nach dem Aufstehen unter dem verkaterten Schatten einer durchzechten Nacht, was das retrospektivische Hörvergnügen um einige Grade mindert.
Und die Retrospektive setzt sich fort: Perpetual Hate spielen auf "Seeds Of Revolt" Death/Thrash von vor zwanzig Jahren und klingen damit so, als ob Possessed, Necrodeath und Sodom in ihren Anfangstagen zusammen lärmen würden, nämlich hektisch, holprig, chaotisch und lustig.
Ihre Einflüsse können auch Predatory nicht verleugnen. Als Anfang der Neunziger Sepultura ihre noch todesbleilastigere, schnelle Thrash-Phase hatten, muss Sänger Cleyton Viana wohl jedes Konzert seiner Landsmänner in der ersten Reihe mitgebrüllt haben. Seine perfekte Cavalera-Kopie legt diesen Gedanken zumindest nahe. "Feel My Cluth" verbleibt instrumental aber in gepflegtem Midtempo-Groove und würde fetter produziert sicherlich die (durchaus respektablen) Ektomorf von der Bühne pusten, weil die Riffs besser und die Tribal-Rhythmen nicht so augenfällig abgekupfert sind.
Das hernach folgende "Rites Of Flames" fängt zwar mit einem Arrangement an, das einen Epos vom Schlage "One" (Metallica) vermuten lässt, wird aber ganz schnell zur Doublebass-Todesbleiwalze mit brutalen Growls. Die Riffführung erinnert in ihren melodischen Momenten an das schwedische Wikingerbatallion Amon Amarth, ansonsten zeigen sich Winds Of Creation aber orientiert an amerikanischem Death Metal der Marke Vital Remains, nur eben in einer wesentlich langsameren Fassung.
Von Neophitus kommt leider der Durchhänger der CD. Das liegt zum Einen an mäßigem, weil einfallslosem Heavy-Riffing und unkontrollierten Speed-Teilen in leidlich originellem Death-Metal-Gewand und zum anderen an der hundsmiserablen Produktion von "The Malign Spirit". Besonders Gesang- und Bassdrumsound sind problemlos in die Tonne zu treten, wenn sie überhaupt einmal zu hören sind. Schade.
Dann lieber Sunroad, die mit Death Metal überhaupt nichts am Hut haben und nebenbei ein Highlight der Compilation stellen. Nach der sakral anmutenden "Einleitung (Master Light)" überfällt einen "Light Up The Sky" mit nach vorne preschendem Melodic Metal, der zwar streckenweise eher mäßig gesungen wird, aber mit intelligenten und eingängigen Riffs, coolen Melodien und Malmsteen-mäßigen Gitarrensoli brilliant abrockt. Diese Band hat Potenzial und es ist ihr zu wünschen, dass sie dieses in Bälde der ganzen Welt zeigen kann.
Als ob nach diesem Ausrufezeichen erst einmal ausgeruht werden müsste, nervt schließlich Marcelo Rocker zwei Songs lang mit seinem vermessenen Namen und quäkendem Gesang, bei dem der gute Mann wirklich keinen Ton trifft und - gepaart mit dem primitiven, teilweise punkig anmutenden Hardrock seiner Begleitband - frappant an eine Schrammel-Glam-Combo namens Stikki Fykk erinnert, die - immerhin mit einer Portion Selbstironie ausgestattet - zu Anfang des laufenden Jahrtausends die Menschheit mit ihrem scherzhaft "Kunst" zu nennenden Poser-Rock genervt hat. Nein danke. Aber immerhin darf dem Rocker eine der besten Produktionen der Scheibe zugestanden werden.
Die haben Holiness Code nämlich zum Beispiel nicht, was die Band aber mit Spielfreude und saucooler Musik zwecks Guter-Laune-Bildung wettmacht. Die Stimme von Billy bewegt sich permanent zwischen Halford-Screams und heiserem Schräggesang, die hektischen Flitzeriffs von Berry Code sind ziemlich abgefahrene Speed Metal-Schule, machen "Apelo ao pôr do Sol" aber durch die Bank interessant und das Endergebnis schwer beschreibbar. Für Speed/Thrash ist das Ganze zu melodisch, für Hardrock zu hart, für Power Metal zu freakig, aber insgesamt hat es von alledem doch etwas. Rasant und gut.
D.W.E. haben gleich fünf Songs eingereicht, kommen trotzdem nur auf etwa sechs Minuten, weil das Trio einen infernalischen Grind-Rock spielt, den man in Songs, die länger als zwei Minuten liefen, ohnehin nicht aushalten würde. Lärmige Punk/Metal/Grind-Gitarren, heisereres Geschreie, superstumpfe Drumbeats, marginale Unterschiede in den Riffs, in "Um por Um" lässt man sich sogar zu einem kurzen Fiedelsolo hinreißen ... das Ergebnis brauche ich persönlich nicht mehr als zwei Mal im Leben, aber die Inszenierung geht in Ordnung.
So auch bei Carbonized der Fall. "The Evil Death" (Huch!) und "Maggots With Malicious Hate" (Hach!) sind böser, langsamer bis tempomäßig leicht angezogener und doppelfußgepflasterter Death Metal mit besonders breit angelegten Riffs, die gerne mal ein wenig an Cannibal Corpse, aber auch - besonders in Kombination mit dem brülligen Gegrunze von André Luiz - an Asphyx gemahnen. Hier wäre mit einer angemessenen Produktion noch eine Menge herauszuholen. Aber auch so: Klasse.
Confinement klingen anschließend zwei Stücke lang nicht so viel anders als Perceptual Hate ein paar Minuten vorher. Zu dem 80's-lastigem Thrash des Dreiers reiht sich ein Sänger, der entweder in Affentempo vor sich hin quasselt oder seltsam kreischt, die Riffs sind oft nicht mehr als Fiepen und Aufwärtsfriemeln, jeder Teil wird ständig reproduziert ("Slow Death" hat locker fünf, sechs Strophen), das wirre Schlagzeugspiel gibt nicht preis, ob hier ganz genial Taktarten umgekrempelt werden oder dem Drummer schlicht gelegentlich ganz ungenial der Stick herunterfällt ("Stumbling Stone") - Confinement haben definitiv etwas, und sei es nur ein lustig anzuhörendes Chaos.
Den Rauswerfer stellen Akael mit "Silent Death". Cradle Of Filth- und Deicide-T-Shirts suggerieren anderes, als zu hören ist. Langsam und doomig schleppt sich der stille Tod daher, grunzt seine dunkle Weise zu verwesungsbemäntelten Keyboardflächen und weist auf eine Zeit, als Anathema und Amorphis noch dunklen Doom-Death spielten. Unverständlicherweise knüppelt Schlagzeuger Wellington Porto im Schlussteil plötzlich harte Blasts, die sich nur schwer ins Bild einfügen, weil sie erstens schnell und zweitens untight gespielt sind. So erhält "Silent Death" einen etwas verwirrenden und semi-professionellen Ausklang, was wiederum "Rock Soldiers 9" als Kompilation gut zu Gesichte steht.
Was zeigt die Draufsicht? An Eigenständigkeit und finanziellen Stützen mangelt es so mancher Combo mehr, als lieb und günstig wäre, aber nichtsdestotrotz bietet "Rock Soldiers 9" den Mammutteil seiner siebzig Minuten ein angenehmes Hörvergnügen und zugleich einen vertiefenden Blick in eine aktive, wenngleich - in dieser Auswahl - stilistisch über weite Strecken auf den möglichst-hart-Bereich fixierte Metal-Szene in ihrer inwendigen Ausprägung, sprich: dem Underground. Und diesen zu hegen und zu pflegen hilft eine Bestellung der entsprechenden CD direkt bei der Band Confinement, C/O Ary Frühauf - R. Pe. Cletus Cox, 46, 04805-060 - Sao Paulo - SP - Brazil für acht Euro/zehn US-Dollar; Kontakt im Netz: www.ugkdisccos.hpg.com.br oder per Email an rocksoldiers@ig.com.br

Tracklist:
Entrevo Cardinal:
  1. Terrestra Sengaia
  2. Break Down
Dragster:
  3. Break Down
Perpetual Hate:
  4. Seeds Of Revolt
Predatory:
  5. Feel My Cluth
Winds Of Creation:
  6. Rites Of Flames
Neophitus:
  7. The Malign Spirit
Sunroad:
  8. Einleitung (Master Light)
  9. Light Up The Sky
Marcelo Rocker:
  10. O Controle
  11. Nao Acredito
Holiness Code:
  12. Apelo ao pôr do Sol
D.W.E.:
  13. O Ferro Vehlo de John Weine
  14. Caixa 2 (O Pianista)
  15. I Don't Understand
  16. Aquela que a gente canta junto
  17. Um por Um
Carbonized:
  18. The Evil Dead
  19. Maggots With Malicious Hate
Confinement:
  20. Slow Death
  21. Stumbling Stone
Akael:
  22. Silent Death
 




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