www.Crossover-agm.de V.A.: Neue Holländische Welle 3.0
von rls

V.A.: Neue Holländische Welle 3.0   (MusicXport.nl)

Dritter Streich des holländischen Musikexportbüros, zusammengestellt wieder aus Anlaß der PopKomm und mit 20 Tracks gut bestückt - beim genauen Hinsehen fällt allerdings auf, daß ein guter Teil der Bands schon auf einem der ersten beiden Teile vertreten war. Stirbt die Kreativität in Holland langsam aus? Sinn und Zweck eines solchen Samplers sollte es ja sein, frische hoffnungsvolle Talente oder vielleicht solche Künstler, die sich national schon durchgesetzt haben, international aber noch wenig bekannt sind, vorzustellen, nicht aber andauernd die gleichen "Zugpferde" vor einen leicht beladenen Karren zu spannen. Naja ...
Auf ins Geschehen: Gem lassen mit flockigem Indiepunk in "The Subterranean Parade" die Sonne eher aufgehen, als daß sie sich unter der Erdoberfläche vergraben, zumal man ihnen sowas wie Tiefgang auch nicht unbedingt andichten kann. Dann serviert uns Anouk "More Than You Deserve", und der hübsche, zwischen viel Tradition und wenig Moderne pendelnde Rock der von Kollege Georg sehr geschätzten Dame mit der wirklich guten und interessanten Stimme (mittelhoch bis hoch, ganz leicht nasal und dadurch dunkler eingefärbt, als man das normalerweise erwarten sollte) ist tatsächlich mehr, als wir vielleicht verdient haben. Nasalität und dunkle Einfärbung abgezogen, und wir erhalten die (aufgrund weniger Originalitätsfaktoren recht austauschbare, aber trotzdem noch recht gute) Sängerin von Kraak & Smaak. "Keep Me Home" segelt musikalisch aber auf ganz anderen Meeren, ist reiner Discosound, wie man ihn aus den Siebzigern und Achtzigern kennt und mehr oder weniger schätzt. Die komische auf alt getrimmte Pianostimmung paßt zu dieser zeitlichen Einschätzung, und ein paar kurze Flöteneinwürfe haben durchaus Pfiff. Green Lizard glaubte ich irgendwie stonerrockiger in Erinnerung zu haben, aber "Walk Over Water" ist statt dessen eher Sub Pop-kompatibel, wenngleich längst nicht so nervlärmig und auch nicht in grungiger Depression wühlend, sondern in schnellem Tempo übers Wasser rennend. Mit Junkie XL landen wir dann im Dancefloor der 90er, der zwar eine halbverzerrte Gitarre einsampelt, aber ansonsten komplett aus der Konserve kommt, in "Today" keinerlei Experimente eingeht und erwartungsgemäß eingängig, aber immerhin nicht so flach wie 99% der Stilkollegen daherkommt. Johan täuscht in "She's Got A Way With Men" mit dem Openingriff eine etwas härtere Richtung an, als sie sich letztlich im Song breitmacht, der quasi sowas wie neuere Anathema auf lustig darstellt. Nicht schlecht, aber nicht ganz an "The Great Escape" von Ilse de Lange heranreichend, die wirklich niedlichen Poprock (mit ohrenscheinlich echtem Cello und einem in extremen Tiefen herumgrummelnden Baß) am Start hat. Kann sich jemand vorstellen, wie Within Temptation oder Edenbridge in extrem reduzierter Machart klingen würden? Ilse de Lange hat die Antwort und eine nette, wenngleich keine Bäume ausreißende Stimme noch dazu. Racoon haben sich in "Love You More" sehr deutlich die alten Kansas-Balladen zum Vorbild genommen, zumindest hier in diesem Song aber ohne fiedel, dafür mit Mundharmonika. Klar, "Dust In The Wind" bleibt unerreicht, aber der Song ist richtig schön, zumal der Sänger zur fähigen Fraktion gehört und auch die Backingabteilung ihre Sache gut macht. Mehr davon bitte! Nicht so vom Hocker hauen mich Pete Philly & Perquisite, aber das mag daran liegen, daß die neue Definition von Rhythm'n'Blues deutlich weniger mein stilistisches Interesse weckt als die ganz alte. "Mellow" ist neutral betrachtet alles andere als schlecht und erzeugt trotz Kunstdrums eine gewisse warme Grundstimmung, "mellow" eben. Das schafft der Postman in "Firing" nicht, aber hierzu hätte unser hiphoppender Neuzugang Rosalie vermutlich eh mehr zu sagen als meinereiner, also lasse ich's gleich bleiben. "Ecstasy" können auch ZZZ bei mir nicht auslösen, wenngleich sie einen durchaus interessanten Versuch gewagt haben, nämlich Uraltrock Marke Hawkwind, The Who oder Grateful Dead mit einem ohrenscheinlich elektronischen, recht monotonen Rhythmus zu koppeln, und das Ganze dann noch bei grellem Sound. Sehr gewöhnungsbedürftig, das. Blues Brother Castro experimentieren in "The Tracks" nicht ganz so sehr, sondern geben sich von vornherein einen Retroanstrich, leiden aber unter dem wenig engagiert wirkenden Gesang. Dieses Problem haben The Gathering nun ganz und gar nicht, denn Anneke van Giersbergen erweist sich auch in "Alone" als Meisterin ihres Fachs. Nur ob der darunterliegende Ambientrock auf lange Sicht das Nonplusultra darstellen wird, bleibt abzuwarten - einige gute Ideen wie die Flackerkeyboards oder die Spieluhr hat der Song zweifellos zu bieten, und sein bombastisch geflächter Mittelteil ist auch stark, aber mitunter nimmt die Monotonie doch zuviel Raum in Anspruch (z.B. im deutlich zu lang ausgewalzten Schlußteil), und auch die sehr künstlich klingenden Drums machen wenig Spaß. Aber gegen die Monotonie, die "Cult Copy P 2" von Aardvarck transportiert, sind Anneke und ihre Jungs wahrlich harmlos. Zwar hat der reine Elektrosound des Erdferkelprojektes ein paar nette Breaks zu bieten, aber das war es dann auch schon. Zumindest klingt die Produktion etwas moderner als im prinzipiell ähnlich gearteten "Mistress Of House" von Legowelt, wobei das bei denen, wenn man den Bandnamen betrachtet, aber auch Konzept zu sein scheint, daß der komplette "Song" so klingt wie der Sound einiger Spiele meines Amiga 500 vor 15 Jahren. Arling & Cameron holen dann in "Shake It" wieder jemand ans Gesangsmikro und begehen den Fehler, mit der Textzeile "Fight for your right to party" zu beginnen, was bekanntlich nur die Beastie Boys dürfen. Ansonsten ist das netter neuerer Elektropop mit ein paar guten Einfällen (das glitzernde Break vorm Refrain!) und einem Gesangsduo, das tatsächlich an Al Bano & Romina Power erinnert (deren Niveau aber verfehlt). Face Tomorrow übersetzen in "My World Within" erneut a-ha in einen Rockkontext, was durchaus als Kompliment zu verstehen ist; nach einem eher halbakustischen Beginn drehen im Mittelteil auch die Gitarren auf, während der Gesang im gewohnten norwegischen Gestus verbleibt. "Tonight Allright" von Peter Pan Speedrock gibt in bewährter Weise Motörhead als Hauptzielgebiet aus, geht aber etwas eleganter zu Werke und auch im Gesang nicht ganz so reibeisenartig, aber immer noch mit viel Power und einem typischen Lemmy-Baß. Als Ausfall müssen leider After Forever gewertet werden, denn mit dem begeisternden Bombastmetal früherer Tage hat "Two Sides" gar nichts mehr zu tun, und die reduzierte kraftlose Rockvariante in der Strophe diagnostiziert Schwächen, die der Bombast ansonsten zugekleistert hat, was er dann hier im Refrain auch wieder tut. Da können die abschließenden Epica mit "Quietus (Silent Reverie)" einen leichten Sieg im Direktvergleich einfahren, denn sie bleiben bei ihren Leisten, soll heißen, beim Bombastmetal, und der funktioniert (in diesem Fall mit leicht folkig-keltischer Schlagseite). Wie beschrieben kann man das letztgenannte Attribut nicht auf alle 20 Beiträge anwenden, aber die eine oder andere interessante Entdeckung ist schon dabei, und damit erfüllt auch die dritte Folge dieser Samplerreihe ihren Zweck, auch wenn auf den Folgejahrgängen vielleicht wieder ein wenig mehr Unbekanntes verewigt werden sollte. Gibt's übrigens in Versionen mit und ohne Fehler auf dem Cover :-)
Kontakt: www.neuehollaendischewelle.de, www.musicxport.nl

Tracklist:
Gem: The Subterranean Parade
Anouk: More Than You Deserve
Kraak & Smaak: Keep Me Home
Green Lizard: Walk Over Water
Junkie XL: Today
Johan: She's Got A Way With Men
Ilse de Lange: The Great Escape
Racoon: Love You More
Pete Philly & Perquisite: Mellow
Postman: Firing
ZZZ: Ecstasy
Blues Brother Castro: The Tracks
The Gathering: Alone
Aardvarck: Cult Copy P2
Legowelt: Mistress Of Home
Arling & Cameron: Shake It
Face Tomorrow: My World Within
Peter Pan Speedrock: Tonight Allright
After Forever: Two Sides
Epica: Quietus (Silent Reverie)
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver