www.Crossover-agm.de V.A.: Lobet den Herren, alle, die ihn ehren
von rls

V.A.: Lobet den Herren, alle, die ihn ehren   (Gerth)

Ein weiterer Re-Release aus dem Archiv des Westfälischen Blechbläserensembles, dem bereits die Johannes-Kuhlo-Gedenkproduktion "Gott ist unsere Zuversicht und Stärke" entsprungen ist. "Die schönsten Lieder von Paul Gerhardt in Sätzen aus fünf Jahrhunderten" heißt der Untertitel, und anno 2007 im Paul-Gerhardt-Jahr anläßlich seines 400. Geburtstages wurde man ja mit "Gerhardt oben, unten, vorn und hinten"-CDs so sehr bombardiert, daß man irgendwann resigniert abzuschalten drohte. Der Spuk ist mittlerweile glücklicherweise vorbei (anno 2008 treibt man dafür wieder eine andere Sau durchs Dorf, wie es im bäuerlich-medialen Slang so schön heißt), und man kann sich darauf konzentrieren, die eine oder andere Perle aus dem großen Teich herauszuangeln. Die vorliegende CD gehört nicht zu den ganz hell leuchtenden Perlen, kann in der Gesamtbetrachtung aber durchaus überzeugen, wobei der nicht ganz gelungene Charakter in der Bauart der Aufnahme begründet liegt, die ja im Untertitel bereits angedeutet wird. Das Ensemble nimmt sich acht Choräle über Gerhardt-Texte vor (Gerhardt selbst war ja, was man im heutigen medialen Overkill gern übersieht, weniger Komponist als vielmehr Texter) und reiht vier bis neun Sätze, Vorspiele oder wie auch immer geartete Bearbeitungen aneinander, und deren Qualität ist naturgemäß etwas unterschiedlich - von "meisterhaft" über "naja, Gebrauchsmusik halt" bis zu "gewollt modern" reicht das Spektrum, wobei die letztgenannte Kategorie dankenswerterweise in der deutlichen Unterzahl ist. Daß Modernität nicht automatisch was Schlechtes sein muß (wie mancher musikalische Bilderstürmer, für den die musikalische Entwicklung mit Johann Sebastian Bach abgeschlossen ist, postuliert), beweist gleich der Opener "Du meine Seele, singe", denn das bombastische Vorspiel von Paul Horn Herwarth (geb. 1922) genügt auch den abgebrühtesten Geschmäckern der "Früher war alles besser"-Fraktion - der gleiche Choral aber tritt auch den gegenteiligen Beweis an, denn der abschließende Satz für acht Stimmen mit Orgel und Bläsern von Rolf Schweizer (ebenfalls ein Zeitgenosse des 20. Jahrhunderts) bietet nicht nur nichts musikalisch Substantielles, sondern geht aufgrund der extrem in den Hintergrund gemischten und dort kraftlos vor sich hin grummelnden Orgel der Zionskirche Bethel auch noch als eines der wenigen Negativbeispiele für Soundreserven durch (vielleicht tun sich bei ausgewogenerem Klangbild auch tatsächlich noch ein paar reizvolle Ideen des Satzes auf, aber das muß im spekulativen Bereich bleiben. Überhaupt bleibt das Mißverhältnis zwischen Orgel (an selbiger sitzt Uwe Karsten Groß) und Blech auch bei anderen dieser Kombinationen erhalten. Zwar ist es berechtigt, daß die Trompete in Johann Crügers fünfstimmigem Choralsatz zu "Ich singe dir mit Herz und Mund" im akustischen Vordergrund steht, da sie ja den Cantus firmus zu spielen hat, aber wenn die stützenden Akkorde der Orgel so porös ausfallen wie hier, dann ist ein Einsturz des ganzen Gebildes zu befürchten. Das Problem dürfte im generellen Mix bzw. Mastering gelegen haben, wie der reine Orgelsatz über diesen Choral von Christoph Albrecht verdeutlicht - auch da ist die Orgel nämlich auf dem gleichen niedrigen Lautstärkepegel eintariert. Das Problem könnte man hier zwar mit einem Griff zum Lautstärkeregler lösen, würde aber dann vom nächsten Blechsatz umgepustet, und das Balanceproblem läßt sich schlechterdings nicht beheben. Klanglich überzeugen können dagegen die reinen Blechsätze, denn hier wurde auf innere Ausgewogenheit geachtet, was besonders bei den eher kammermusikalisch angehauchten Sätzen wichtig war und ist (wenn wir bei "Ich singe dir mit Herz und Mund" bleiben wollen, darf Ernst Peppings drei- bis vierstimmiger Satz als Beispiel dienen), während anderweitig der chorale Gesamtklang größere Bedeutung hat als das genaue Heraushörenkönnen einzelner Stimmen. Daß es spieltechnisch wenig zu beanstanden geben würde, war abzusehen, denn schließlich handelt es sich beim Westfälischen Blechbläserensemble um eine Art "Eliteensemble" der Posaunenchorarbeit in Westfalen - was etwa die drei Posaunenstimmen aus Rolf Schweizers Bearbeitung von "Ist Gott für mich, so trete" machen, hat schon Klasse (man achte mal auf den geschickt verschleppten Schluß!) und zeigt zudem, daß Licht und Schatten auch im Werk ein und desselben Komponisten mitunter nebeneinander liegen. Das Ensemble zählt hier übrigens erst 14 Bläser (plus Pauker und Dirigent), fünf Jahre später war es für die genannte Kuhlo-Produktion auf 23 angewachsen. Zwar darf man aus oben genannten Gründen die Klammer "Paul Gerhardt" um die acht Choräle aus musikalischen Gründen eher bezweifeln (was noch dadurch unterstrichen wird, daß beispielsweise zu "Befiehl du deine Wege" auch zwei Sätze von Michael Praetorius dabei sind, der schon 1621 starb, also zu einem Zeitpunkt, als Gerhardt den Text zu besagtem Choral noch gar nicht geschrieben hatte), aber man kann das Werk ja auch ohne diesen Gedanken im Hinterkopf hören. Freilich hätten die Herausgeber für die Neuauflage wenigstens mal noch die alten EKG-Nummern im Booklet durch die mittlerweile immerhin schon weit mehr als 10 Jahre gültigen neuen EG-Nummern ersetzen dürfen. Wer sich "Lobet den Herren, alle, die ihn ehren" (eine einheitliche Kommasetzung in Choral- und CD-Titel wäre auch nicht schlecht gewesen) in den CD-Schrank stellen möchte (was sich aus musikalischen Gründen prinzipiell durchaus lohnt), der schaue zur Vermeidung eines Doppelkaufs sicherheitshalber vorher nach, ob die 1986er Produktion, die unter dem Titel "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" erschienen war, schon vorhanden ist. Irgendwelche musikalischen Extras zur alten Produktion scheinen nicht vorhanden zu sein.
Kontakt: www.gerth.de

Tracklist:
Du meine Seele, singe
Geh aus, mein Herz, und suche Freud
Sollt ich meinem Gott nicht singen
Ich singe dir mit Herz und Mund
Lobet den Herren alle, die ihn ehren
Ist Gott für mich, so trete
Befiehl du deine Wege
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver