www.Crossover-agm.de V.A.: The Finest Noise - Der Sampler Vol. 24
von rls

V.A.: The Finest Noise - Der Sampler Vol. 24   (The Finest Noise)

Die ersten 23 Teile dieser Samplerreihe sind ungehört am Rezensenten vorbeigezogen, aber da Vol. 24 einen breiten Querschnitt durch den musikalischen Untergrund der Republik bietet, wird das auf den ersten 23 Teilen auch nicht anders gewesen sein. Schauen wir mal durch die 18 Tracks:
A5 Richtung Wir verlängern die titelgebende Autobahn mal eben bis Hamburg, wo sie in die Schule gegangen sein müssen. "Es ist nur" gefällt sich und auch dem Hörer in fast klassischer Anmutung dieser Stilistik, klingt lyrisch nicht zu betroffen und wurde zweifellos kompetent eingespielt, wenngleich ohne Bäume auszureißen.
Das machen auch Aerobatics nicht, aber "The Biggest Fake Ever" sind sie auch wieder nicht, sondern eine ehrlich arbeitende Rockband alternativer Prägung mit relativ appellierendem Sänger, für Postrock nicht verschroben genug, aber auch etwas mehr als die x-te Nickelback-Kopie.
Pitpony hingegen stecken knietief in den Siebzigern, haben sich allerdings eher deren Wiederentdecker der Neunziger (nein, nicht die Grunger, sondern die Wüstenrocker) zum Vorbild genommen. Der Sänger schleudert in "No Way" dem Hörer erst einmal einen kehligen Preßschrei entgegen und klingt auch sonst recht nasal, das Hauptsolo webt noch ein paar psychedelische Effekte ein, der Baß agiert bisweilen erstaunlich eigenständig, und im hinteren Drittel geht auch das Tempo nach oben, bevor ein langsamerer, aber intensiv zertrommelter Part die fünf Minuten abschließt.
Kurzerhand im Genre bleiben Crossplane mit "No Win Situation", stellen aber einen Ozzy-lastigeren Sänger ans Mikrofon, der dann im Refrain allerdings fast in Richtung eines gemäßigten Chris Boltendahl tendiert. Selbiger Refrain drosselt das bisher recht treibende Tempo in ein typisches verschlepptes, aber intensiv eingetrommeltes, in dem auch das kurze, aber durchaus einfallsreiche Hauptsolo gehalten ist.
Hinter dem Bandnamen Chasing For Glory könnte man auch eine Heldenmetalband vermuten, aber "You're My Home" liefert statt dessen flotten melodischen Punkrock mit einem nicht meisterlichen, aber wenigstens die richtigen Töne treffenden Sänger und einigen gelungenen Tempoherunterschaltungen. Und das von der Gitarre getragene Hauptthema setzt sich im Großhirn fest und macht richtig Hörspaß.
Auf ebenjenen legen es Reflector nun ganz und gar nicht an. "Don G." bietet nämlich (Funeral) Doom, der ohne Gesang auskommt und seine Spielzeit mit einem Minimum an Ideen bestreitet, aber im Rahmen minimaler Variationsbreite dennoch zumindest analytisch zu überzeugen weiß. Die ersten anderthalb Minuten beinhalten noch eine für Doomverhältnisse schnelle Einleitung, bevor das Tempo konsequent auf Kriechgang heruntergeschaltet wird, wobei der Übergang aufgrund des charakteristischen Schlagzeugs fast an alte Danzig-Heldentaten erinnert. Nach zweieinhalb Minuten finstersten Geschleiches werfen Reflector nochmal die Planierraupe an und walzen mit nach wie vor ultratiefen fetten Gitarren, aber erhöhtem Tempo alles platt, bevor das Introthema wiederkehrt und noch einen fast tanzbaren Groovepart einleitet. Sage noch einer, Doom müsse eintönig und langweilig sein ...
Mancher Hörer wird trotzdem froh sein, wenn die reichlich sechs Minuten vorbei sind und das Intro zu Petulas "Realgold" erklingt, das aus einem doppelten Klackton, einem einzelnen Baßton und einer spieluhrartigen Xylophonmelodie besteht. Dazu gesellt sich androgyn wirkender Gesang, später auch in Satzgesangsform, ergänzt durch weitere kinderkompatible Instrumente, die eine Art ambienter Klangfläche herstellen, über der sich der immer komplexer werdende Gesangssatz ausbreitet, zweimal auch ganz a cappella ertönend. Die Idee hat was, wenngleich eine komplette Platte davon in bestimmten Lebenslagen auch recht anstrengend zu hören sein könnte.
The Striggles können sich in "Ease It" nicht so richtig entscheiden, ob sie finsteren Metal oder verschrobenen Alternative spielen wollen, also mixen sie beides und bekommen düsteren Postrock heraus, dem freilich das Stilmittel der Monotonie in den strophenartigen Parts nicht gut bekommt, was die Band aber immerhin durch einen bombastangehauchten Refrain zu kompensieren trachtet. Der Gesang wurde stark in den Hintergrund gemischt und kann daher kaum prägende Wirkung entfalten, aber das könnte durchaus Absicht sein.
Nach so viel Avantgarde kommt ein recht geradliniger Rocksong wie "Forever Is A Lie" von Reverse gerade richtig, denn obwohl auch hier der Drummer manche kleine Extravaganz einbaut, ist das Ganze doch klar durchstrukturiert und recht einfach nachvollziehbar, ohne aber schon nach dem zweiten Durchlauf zu langweilen. Generell landet die Band in der alternativen Schublade, wobei man sich an den recht rauhen und nicht immer ganz treffsicheren Sänger erst gewöhnen muß.
Wer Reverse mit etwas melodiöserem Anspruch und zugänglicherem Sänger mögen würde, kann sich gleich danach auf "Electric" von Nagasaki Frontal freuen. Nuff said? Nuff said.
L.Minygwal hießen im letzten Jahrtausend mal Lost In The Supermarket, aber wer sich anhand dieser Namen auf völligen Psychostoff freut, wird von "Luq" enttäuscht sein: Fast konventionell zu nennender Doom Metal mit flüsterndem Sprechgesang erschallt da nämlich, und nur im Refrain kommt extrem psychotisches Geschrei hinzu, das die Vergangenheit der Band in Erinnerung ruft. Es kann sich also jeder aussuchen, mit welchem Anspruch er das hört.
Der Bandname Klubgrün hätte auch aus der NDW stammen können, und so verwundert es auch nicht, daß "Crystal Palace" mit seinen typischen Keyboardlinien, dem teils effektbeladenen Gesang und dem maschinengleichen Drumming durchaus ein Relikt jener Ära darstellen könnte, wenngleich die Truppe noch ein paar Achtziger-Wave-Gitarren einbastelt und auch damit nicht modern, aber immerhin halbwegs originell rüberkommt. Könnte manchen Hörer um ein Vierteljahrhundert jünger machen ...
"Sein" von Resomus ist als Rockversion gekennzeichnet, also muß es da noch mindestens eine andere Version geben. Die Rockversion jedenfalls stellt klassischen Deutschrock mit markanter Baßarbeit dar, energetisch durchaus überzeugend, und auch der Sänger kann was.
Joe ist kein Hendrix-Nacheiferer, sondern spielt in "Daily Waste Of Time" klassischen Achtziger-Dark Wave mit pathetischen, teils zweistimmigen Vocals und einer leicht verwaschenen, aber gerade dadurch die Sterilität mancher Genreproduktion wirkungsvoll konterkarierenden Produktion. Wer The Mission oder spätere Genreweiterentwickler wie Secret Discovery schätzt, sollte Joe mal anchecken, auch wenn dieser Name mehr als googlesuchunfreundlich ist ...
"Borderliner" von Arschrock landet in einem anderen klassischen Genre, nämlich dem Sozialpunkrock mit Jugendzentrums-Touch. Dabei haben Arschrock bandnamengemäß eine etwas stärkere Rock-Kante als viele Kollegen, beherrschen ihre Instrumente und haben eine durchaus kompetente Sängerin, die dem Hörer auch über manchen Holperer in der deutschen Lyrik hinweghilft.
Einen gleicherart anspruchsvollen Bandnamen tragen Fuck You And Die mit sich herum, aber sie bedienen ein völlig anderes Genre: "Veni Vici" entbehrt des Vidi in der Mitte und bahnt sich zunächst im technischen Death Metal den Weg, der schrittweise immer melodischer wird und im Hauptsolo dann gar wohlige Erinnerungen an klassischen Italometal hervorruft. Als der Sänger wieder hinzutritt, bleiben die finsteren Riffs des ersten Teils trotzdem aus, und sein Gegrunze wird durch heiseres, aber zurückhaltendes Gekreisch ersetzt und durch heroischen Klargesang flankiert, so daß man an Virgin Steele denkt (die hatten anno 1998 übrigens das Vidi in einen ihrer Songs eingefügt ...), bevor der Schlußteil alle Elemente koppelt.
Der Stilschritt zu Anastasis könnte nicht größer sein: "Tears Of A Lion" ist so urtypisch Reggae, wie nur irgend etwas urtypisch Reggae sein kann, vom Rhythmus über die Blasinstrumente bis hin zum intensiven, aber trotzdem immer leicht bekifft klingenden Gesang, der natürlich auch Haile Selassie als den Retter der Menschheit feiert. Wer das Genre sowieso schon mag, bekommt sozusagen die Vollbedienung, alle anderen wird auch das eingeflochtene leicht psychedelische E-Gitarren-Solo nicht überzeugen.
Der "Bogus Man" von The Humans surft schließlich auf der klassischen Rock'n'Roll-Welle herüber und dürfte jeden Anhänger dieses klassischen Gitarrensounds begeistern, wenn dieser denn auch mit dem psychotisch-rauhen Leadgesang und einigen weiteren leichten Lärmattacken zurechtkommt - nicht ganz geradlinig also, aber trotzdem oder gerade deswegen hörenswert.
Kontakt: www.finestnoise.de

Tracklist:
A5 Richtung Wir: Es ist nur
Aerobatics: The Biggest Fake Ever
Pitpony: No Way
Crossplane: No Win Situation
Chasing For Glory: You're My Home
Reflector: Don G.
Petula: Realgold
The Striggles: Ease It
Reverse: Forever Is A Lie
Nagasaki Fronted: Electric
L.Minygwal: Luq
Klubgrün: Crystal Palace
Resomus: Sein (Rockversion)
Joe: Daily Waste Of Time
Arschrock: Borderliner
Fuck You And Die: Veni Vici
Anastasis: Tears Of A Lion
The Humans: Bogus Man
 




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