www.Crossover-agm.de TSCHORNIJ OBELISK: Rewoljuzija
von rls

TSCHORNIJ OBELISK: Rewoljuzija   (Digital Records)

Der Schwarze Obelisk beunruhigte die sowjetische Obrigkeit mit kritischem Textgut schon seit Mitte der 1980er Jahre und tut das mit der russischen Obrigkeit auch drei Jahrzehnte später noch. Anno 2012 erschienen gleich zwei neue Studioalben, drei Jahre später ist es "nur" eins, wobei auffällt, daß die Kreativität in diesen drei Jahren nur für knapp 35 Minuten Musik gereicht hat und unter den zehn Songs auch noch zwei Coverversionen sind, beide von langjährigen Weggefährtenbands: "Guljai-Pole" von E.S.T. aka Electro Shock Therapy und "Schar Zweta Chaki" von Nautilus Pompilius. Nicht viel Kreativität in quantitativer Hinsicht also, aber wenigstens in qualitativer: Tschornij Obelisk spielen relativ vielschichtigen modernen rauhen Power Metal mit gelegentlicher Thrash-Kante und zahlreichen Crossover-Einflüssen im Achtziger-Sinne des Wortes - daß eines der Mitglieder auf dem Foto, das die Rückseite der Covercard ziert, ein Suicidal-Tendencies-Shirt trägt, darf hier durchaus programmatisch gewertet werden. Der kantige Eindruck der Musik kommt nicht zuletzt durch den überwiegend angerauhten Gesang zustande, wobei etwa "Krugoworot" aber auch zeigt, daß klare Gesangsmelodik durchaus kein Fremdwort für Dmitri Borissenkow darstellt, während in den Bridges zugleich Screamo-Gebrüll zutagetritt, das in Zusammenhang mit diversen verschleppten Rhythmen unter Beweis stellt, daß Tschornij Obelisk musikalisch durchaus nicht in den Achtzigern festgewachsen sind, sondern jüngere Strömungen zumindest punktuell in ihre Songs einfließen lassen und diese dadurch zu bereichern wissen. Eine gelegentliche "reggae-lastige Gitarrenbearbeitung" etwa diagnostizierte das Riermaiersche Osteuropa-Metal-Lexikon anno 2003 schon für die bis dahin erschienenen Werke der Band, und auch auf dem neuen Album ist dieses Stilmittel zu finden - man höre sich die Strophen von "Duscha" an. Wer im eröffnenden "Marsch Rewoljuzii" Marschrhythmen sucht, wird freilich nicht fündig, und auch die beiden Coverversionen haben Tschornij Obelisk geschickt ihrem Stil angepaßt, so daß der Nichtkenner vielleicht gar nicht auf die Idee käme, hier Fremdmaterial vor sich zu haben (trotz der Akustikgitarren in den Strophen von "Guljai-Pole" - aber hier gerät der Refrain dann zumindest ansatzweise so versoffen, wie man es von den E.S.T.-Lautäußerungen her kennt). Auch fürs ruhigere Fach beweist das Quartett ein glückliches Händchen: "Snjeg" läßt den titelgebenden Schnee in den Strophen ruhig vom Himmel rieseln, baut daraus dann aber einen großen Refrainschneemann mit Hymnenpotential und versagt lediglich bei der Aufgabe, dieser ebenso eingängigen wie anspruchsvollen Nummer ein passendes Hauptsolo als Krone aufzusetzen. Auch zerrissen wirkende Songs wie "Smerti Njet" erfordern ein spezielles Herz für solcherart Stilistik, wobei der Song aus dem Kontrast zwischen zerrissener Strophe und eingängigem Refrain einen gewissen Spannungsfaktor bezieht. Interessanterweise schielen Tschornij Obelisk gegen Ende dann sogar noch in den Metalcore-Sektor hinüber, ohne die Schlußidee aber noch weiter auszubauen - früher hätte man allein aus besagtem Schlußriff einen kompletten eigenständigen Song gestrickt. Vielleicht ist es das, was man sich wünschen würde: daß Tschornij Obelisk den einen oder anderen Gedanken songwriterisch noch weiter verfolgt oder ausgebaut hätten. So gewänne gerade eine thrashigere Nummer wie "Kradenoje Solnze" an Wirkung, wenn der rabiate Anfang im Hauptteil entsprechend fortgesetzt und nicht durch diverse Verschleppungen ausgebremst worden wäre, wobei allerdings auch die Sichtweise möglich ist, daß der Song gerade von seiner Vielfalt innerhalb des melodischeren Thrash-Genres lebt und ja zugegebenermaßen auch einen reizvollen Refrain implantiert bekommen hat. Konsequenten Traditionalisten werden die 35 Minuten wohl weniger munden, aber für die waren Tschornij Obelisk mit ihrem beschriebenen Stilmix ja schon immer schwere Kost, wobei auf dem neuen Album auffällt, daß die Band zwei der heftigeren Nummern an den Anfang gestellt hat und die Stilvielfalt erst dann schrittweise immer größer wird. Als Mimikry sollte man das trotzdem nicht werten, da die Truppe in Rußland bekannt genug ist, daß die Zielgruppe weiß, was sie erwarten oder auch nicht erwarten kann, und außerhalb Rußlands sowieso nur eine Handvoll Spezialisten mit dem Material vertraut ist. Das melodische Eingangsriff des Albumclosers "Oborona" hätte bei konsequenter Weiterverfolgung der Grundidee sogar zu einem Song geführt, der auf Metallicas Schwarze gepaßt hätte, aber hier schleicht sich dann wieder eine Gitarrenarbeit ein, die eher "Load"-Züge aufweist. So positioniert sich der Schwarze Obelisk nicht ganz eindeutig, aber seine Lage bleibt doch klar eingrenzbar, und da die Revolution auch soundmäßig überzeugt, kann der Freund beschriebener Klänge auf alle Fälle ein Ohr riskieren.
Kontakt: www.blackobelisk.ru

Tracklist:
Marsch Rewoljuzii
Stoi I Smotri
Krugoworot
Duscha
Snjeg
Smerti Njet
Guljai-Pole
Kradenoje Solnze
Schar Zweta Chaki
Oborona
 




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