www.Crossover-agm.de THERION: Les fleurs du mal
von jmt

THERION: Les fleurs du mal   (Adulruna)

Zur Feier ihres 25jährigen Bestehens warten Therion mit einem für Metal-Verhältnisse außergewöhnlichen Album auf. Der Albumtitel "Les fleurs du mal" ("Die Blumen des Bösen") ist der gleichnamigen Gedichtsammlung des französischen Lyrikers und Essayisten Charles Baudelaire (1821-1867) entlehnt, die seinerzeit, 1857 erstmalig erschienen, von einigen Schriftstellerkollegen hochgelobt, von offizieller Seite jedoch mit Zensur belegt wurde und Autor und Verleger eine Verurteilung wegen Verletzung der öffentlichen Moral einbrachte. Mit den Gedichten haben die Lieder des Albums jedoch lediglich die französische Sprache gemein; Therion-Gründer und Mastermind Christofer Johnsson ließ sich eher vom durch sie erzeugten Aufruhr inspirieren als von den Gedichten selbst. Und in der Tat wurde auch vorliegendes Album sehr kontrovers aufgenommen. Morddrohungen blieben meines Wissens nach zwar aus (die Blackmetaller sind auch nicht mehr, was sie mal waren), allein schon der Gebrauch der französischen Sprache jedoch scheint im konservativen Metal-Milieu ein Sakrileg zu sein. Auch dem Plattenlabel Nuclear Blast erschien die Finanzierung dieses Albums wohl als zu großes Wagnis, weshalb Johnsson es im eigenen Studio produzierte. Das Album enthält durchweg Cover-Versionen französischer Schlager der 1960er und 1970er Jahre, alle natürlich neu eingekleidet in Therion-typisches Symphonic-Metal-Gewand. Für mich ist es ein Wiederhören mit (im Wortsinne) alten Bekannten: Eröffnet und auch beschlossen wird die CD mit "Poupée de cire, poupée de son", dem nur scheinbar harmlos-netten Liedchen aus Serge Gainsbourgs Feder, mit dem eine herrlich kindlich-naive France Gall 1965 für Luxemburg den Grand prix de la chanson gewann - eure Eltern/Großeltern werden sich erinnern. Vielen Stücken des Albums verleiht die opulente Instrumentierung mit schweren E-Gitarren, orchestralen Klängen und opernhaftem Gesang eine - zuweilen fast parodistisch übertrieben wirkende - Dramatik, die man in den flockig-poppigen Originalen nicht unbedingt vermutet hätte. Hervorzuheben sei hier das von Mari Paul getragen-schwer interpretierte "Mon amour, mon ami", ursprünglich gesungen von Marie Laforet, auch bekannt geworden in einer von Virginie Ledoyen gesungenen Fassung aus dem François-Ozon-Film "8 Frauen". Das Arrangement von "Initials B. B." hingegen hält sich nah am Original, nur ist eben statt Gainsbourgs lakonischem Vortragsstil die lasziv angehauchte Rezitation von Johanna Najla zu hören. Überhaupt sehr angenehm, dass Therion-Sopranistin Lori Lewis nicht das gesamte Set allein bewältigen muss, sondern Unterstützung durch den viele Stimmregister ziehenden Thomas Vikström, genannte Gastsängerinnen und Snowy Shaw ("Dis-moi poupée", Chorus in "Initials B. B.") erhält - das schafft Abwechslung, zumal der im Symphonic Metal übliche hohe Koloratursopran doch auf Dauer recht anstrengend wirken kann. Reichhaltig ist auch die Instrumentierung: Zu Gitarren, Bass und Schlagzeug gesellen sich Streicher, Holz- und Blechbläser sowie verschiedene Tasteninstrumente. Barock filigrane Gitarrenläufe umspielen den Gesang unter anderem in "La Polichinelle". Filigranes, melodisches, klanglich an Brian May erinnerndes Gitarrenspiel auch in "Lilith". Die einigen Schlagern eigene sehnsuchtsvolle Schwermut, beispielsweise im (schon recht klischeehaft slawischen, im Original von der gebürtigen Bulgarin Sylvie Vartan gesungenen) "La Maritza", kommt auch im Therion-Arrangement gut rüber. Aus "Wahala Manitou" wird eine Art Jahrmarkt-Panoptikum-Walzer, aus "Je n'ai besoin que de tendresse" eine Kreisch-und-Knüppel-Orgie.
Wie nah sich Metal und Schlager stehen, wird besonders im Abschlussstück deutlich: Passagenweise erinnert dieses an die 80er-Jahre-Spaßtruppe Dschinghis Khan.
Zu einigen Liedern veröffentlichten Therion auch z.T. wohl nicht ganz jugendfreie und daher nicht uneingeschränkt im Netz einsehbare Videos.
Und nun frage ich mich: Wozu dieser Text - steht doch bestimmt schon alles in Wikipedia.
Kontakt: www.megatherion.com

Tracklist:
Poupée de cire, poupée de son (Gainsbourg)
Un fleur dans le coeur (Schaeffer/Pawson/Chambers)
Initials B. B. (Gainsbourg)
Mon amour, mon ami (Pop/Bacri)
Polichinelle (Bernard/Saka)
La Maritza (Kosma/Renard/Delanoe)
Soeur Angélique (Liferman/Rivgauche)
Dis-moi poupée (Germain/Lesbats/Monjol)
Lilith (Schäfer/Losseau)
En Alabama (Vannier/Poitrenaud)
Wahala Manitou (Roda-Gil/Christophe)
Je n'ai besoin que de tendresse (Dixon/Faure)
La licorne d'or (Turban/Bernholc)
J'ai le mal de toi (Michaele/Costa/Yared)
Poupée de cire, poupée de son (Gainsbourg)
 



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