www.Crossover-agm.de STERNI UND FREUNDE: WaldesRausch
von rls

STERNI UND FREUNDE: WaldesRausch   (Eigenproduktion)

Nachdem De Krippelkiefern nun endgültig eingegangen sind und sich in Totholz verwandelt haben, wächst aus dem entstehenden Rohhumus ein neues Pflänzchen: Stefan "Sterni" Mösch hat ein Soloalbum aufgenommen, und der neue Baum ist schon so gut gediehen, daß das Resultat gleich auf den Namen "WaldesRausch" getauft werden konnte, natürlich mit dem gewohnten Mehrfachsinn. Wer jetzt freilich erwartet, daß der Barde alle Brücken hinter sich abgebrochen hat und jetzt Black Metal, Techno oder Schlager produziert, der sieht sich getäuscht: Keiner hätte sich aus musikalischen wie auch textlichen Gründen gewundert, hätte der Bandname De Krippelkiefern auf dem Cover gestanden, und die einleitende Metapher mit dem Rohhumus legt nahe, daß diverse Weggefährten aus früherer Zeit dem Barden auch heute zur Seite stehen, was sich bei einem Blick in die Personalliste im Booklet dann auch prompt bestätigt, wenngleich sich Sterni für Liveauftritte etwas einfallen lassen muß, denn Bert Baldauf hat für die Tonkonserve sowohl die Baßgitarren als auch die Drums eingespielt, und das würde live in dieser Konstellation wohl schwer umzusetzen sein. Musikstilistisch bewegt sich die Truppe nach wie vor in einem imaginären Spannungsfeld zwischen klassischem Liedermachergestus, Folklore der urwüchsigeren Art, Blues und noch mancherlei anderem Artverwandtem. Daß der "Langschläfer-Blues" seinem Namen alle Ehre machen würde, war natürlich zu erwarten, und Sterni enttäuscht die Erwartungen dann auch nicht (interessante plötzliche zwischenzeitige Intensivierung!), ebensowenig im "Sachsensumpf-Tango", während er sich in "De Franzesische Botschaft" tief vor "House Of The Rising Sun" verbeugt. Mit "Schwamme fange" ist eine Fremdkomposition vertreten; sie stammt von Michael "Pitty" Burgold, der diesen etwas zu überhastet wirkenden Song auch selber singt - eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Zuweisung zu Track 11 oder 12 weist darauf hin, daß die Nummer möglicherweise erst ganz ans Ende gestellt werden sollte, bevor dann doch das hymnischere "Wenn ich mol gestorbn worn bi" an ebenjener Stelle landete und die knappe Stunde Musik stimmungsvoll abschließt (der kurze Hidden Track bringt mit dem Mitschnitt einer Studioszene und Sterni, wie er auf der Mundharmonika ein "Spiel mir das Lied vom Tod" ähnelndes Thema spielt, noch eine andere Finalfärbung ein). "Liebesjammer" ist ein von Sterni bearbeitetes Traditional, ansonsten haben wir ausschließlich Eigenkompositionen und -textungen vor uns. Letztere bedienen sich bisweilen des sarkastischen Humors, den man schon von den Krippelkiefern kannte und schätzte (der "Langschläfer-Blues" als Paradebeispiel), aber der Anteil an politisch kritischen Texten ist deutlich größer geworden, allen voran "Toler-Hans Tonl", das am Beispiel von Anton Günther aufzeigt, wie sich die neurechte Bewegung im künstlerischen Schaffen der Vergangenheit bedient, um dieses für ihre Zwecke passend zu machen - der Betreffende kann sich eigentlich ja nicht mehr wehren, tut das aber per Wiederkehr doch. Auch "Neja", die "Ein-Euro-Fufftsch-Hymne" oder gleich der Opener "Wos ich brauch'" (auch wieder temporär beschleunigt) widmen sich aktuellen sozialen Problemstellungen, und die Aufforderung "Leßt eich doch net esu verdumme!" ist mehr als ernst gemeint. Wer vorgibt, aufgrund des erzgebirgischen Dialekttextes nicht alles zu verstehen, hat schlechte Karten, denn bis auf "Liebesjammer" und "Totentanz" finden sich alle Texte sowohl im erzgebirgischen Original als auch in hochdeutscher "Übersetzung" im Booklet. Offen bleibt, ob der thermische Abriß eines Hauses in Zschorlau in "De Franzesische Botschaft" auf eine wahre Begebenheit zurückgeht, aber das kann dem Hörer eigentlich auch egal sein - in den Kreis skurriler Geschichten, der bereits (ich wiederhole mich) von De Krippelkiefern abgesteckt worden ist, fügt sich auch diese bestens ein, und da sich wie beschrieben auch keine musikalische Revolution ereignet hat, fällt es leicht, dem Anhänger der einen Formation auch die andere ans Herz zu legen, zumal das Ganze von Pierre Fegyverneki und Frank Bucher auch kompetent auf die Konserve gebannt wurde. Wer außerdem die wohl erste Erwähnung des Wort "Hedgefond" im erzgebirgischen Mundartschaffen sucht, der wird hier fündig, und nur eine finale Angleichung der Schreibweisen mancher Songtitel im Booklet und auf der Inlaycard-Rückseite wäre noch wünschenswert gewesen. Ansonsten eine sehr lohnende, zum Schmunzeln wie zum Nachdenken anregende CD.
Kontakt: www.sterni-und-freunde.de

Tracklist:
Wos ich brauch'
De Franzesische Botschaft
Ein-Euro-Fufftsch-Hymne
Toler-Hans Tonl
Leßt eich doch net esu verdumme!
Sachsensumpf-Tango
Langschläfer-Blues
Neja
Liebesjammer
Totentanz
Schwamme fange
Wenn ich mol gestorbn worn bi



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