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STAINLESS STEEL: Molten Metal In Your Back
von rls

STAINLESS STEEL: Molten Metal In Your Back   (Karthago Records)

Rostfreier Stahl ist für Echtmetallanhänger natürlich die ultimative Substanz, und so verwundert es nicht, daß sich nicht nur eine Band dieses Namens bemächtigt hat. Bei den hier vorgestellten Stainless Steel handelt es sich nicht um die noch heute aktive ungarische Band, sondern um ein deutsches Quintett, das bereits im Jahre 1980 gegründet wurde und irgendwann nach 1995 seine Aktivitäten einstellte. Zieht man die Liner Notes in der nun vorliegenden CD zu Rate, scheint es sich bei den 17 Songs um das Gesamtwerk der Truppe zu handeln, obwohl der Ultimate Hard Rock Guide für 1996 ein Album namens "Killer Instinct" angibt und dafür die in den Liner Notes genannten Veröffentlichungen komplett verschweigt. "Molten Metal In Your Back" ist dabei als Titel ein Kunstprodukt, der die Zusammensetzung des Materials kundtut und auch die Reihenfolge verrät, die das Booklet nämlich verschweigt. Es geht nicht chronologisch zur Sache, sondern invertiert chronologisch. Soll heißen: Die beiden Aufnahmen aus dem Jahre 1992 machen den Anfang, die von 1985 bilden das Finale. Letztgenannte LP hieß "In Your Back", und die beiden 1992er Aufnahmen "Stainless Steel LIVE" und "Madness Has Taken Its Toll" zirkulierten seinerzeit nur als Demotapes, bis sie 2002 zusammengefaßt auf einem Album namens "Molten Metal" erschienen. Damit hätten wir also den Titel richtig zusammengepuzzelt und müssen nur noch ergründen, welche Tracks zu welcher Originalaufnahme gehörten, denn auch diesbezüglich werden wir im Booklet nicht fündig. Dank der unterschiedlichen Soundverhältnisse ist das aber kein Problem, und dabei ergibt sich das überraschende Bild, daß "Molten Metal" eventuell in unregelmäßiger Reihenfolge aus den Studio- und Livestücken kompiliert war (sofern die Reihenfolge auf der neuen CD mit der auf "Molten Metal" übereinstimmte), denn drei eröffnenden Livetracks folgt mit "Yesterday Is Calling" erstmal ein Studiosong (oder aber einer, bei dem das Publikum komplett rausgeschnitten wurde - auch dafür gäbe es Anhaltspunkte, denn vom allgemeinen Soundgewand her ähnelt "Yesterday ..." eher den umliegenden Livetracks als den definitiven 1992er Studioaufnahmen, die ab Track 6, "Dogs On Patrol", folgen), bevor "We Want It - You've Got It" wieder das Publikum in den Mittelpunkt stellt, denn das darf einen ausgedehnten Mitshoutpart bestreiten. Dieser treibend-schnelle Track und die speedige Bandhymne "Stainless Steel" sind auch die einzigen Tracks, die als Studioversion auf "In Your Back" standen und somit auf der CD in doppelter Stückzahl vertreten sind; die Stücke von "Madness ..." hat man nicht live verewigt, und die anderen Livetracks sind entweder nie studioseitig konserviert worden oder stehen auf dem ominösen eingangs erwähnten "Killer Instinct"-Album. Der Opener "Stainless Steel" gibt, wie sich das für eine richtige Bandhymne gehört, die Stilrichtung vor: Die Band setzte nicht auf den Stampfmetal deutscher Prägung, sondern bevorzugte eine andere Stilrichtung, die man in den Mittachtzigern ebenfalls noch relativ deutlich nach Deutschland einordnen konnte: vergleichsweise rauhen Melodic Speed, vergleichbar mit den frühen Helloween (vor Michael Kiskes Einstieg) oder heutzutage fast vergessenen Zweite-Reihe-Bands wie Forced Entry. Dabei waren Stainless Steel immer dann richtig stark, wenn sie vergleichsweise geradlinig agierten - scheinprogressive Rhythmusverschiebungen wie in "Madness Has Taken Its Toll" wirken gekünstelt und nicht konsequent genug zu Ende gedacht, wobei solche Problemfälle dankenswerterweise recht selten bleiben. Dagegen erfüllen die in diesem Song eingestreuten Akustikparts ihre Auflockerungsaufgabe durchaus mehr als gut, und auch das latente Industrial-Flair, das (songthemenbezogen) "Molten Metal" durchzieht, paßt in dem Falle durchaus (und auf das fiese Riff wäre auch Tony Iommi stolz gewesen). Ansonsten weisen neben der ebenfalls starken Halbballade "No Tomorrow" aber die Speedies wie etwa "Mortal Dreams" den höchsten Beglückungsfaktor auf, gerade der genannte Song beinhaltet zudem ein ausgefeiltes Intro, das in seinen Melodiebögen leichte Verwandtschaften zu Iron Maiden erkennen läßt, was indes bandseitig so ziemlich die einzige Querverbindung zur NWoBHM bleiben soll, die man in den Gitarrenmelodien von "Heavy Metal Bomber" nochmal wiederfindet (wohingegen der Song von der Grundanlage her ansonsten sogar eher latentes Motörhead-Feeling besäße, wenn das Riff ein wenig mehr Blues in sich trüge). Gewöhnen muß man sich in jedem Falle aber erst an die Stimme von Ralf Scholz. Das Pathos, das er in den mittelhohen bis hohen Tonlagen vor allem auf den neueren Aufnahmen manchmal zur Schau stellt, dürfte wohl nicht jedermanns Sache sein, wenngleich er dadurch einen gewissen Wiedererkennungseffekt gewinnt, den er mit seinen zwar gekonnt eingesetzten, jedoch nicht sonderlich unterscheidungskräftigen Schreien nicht erzeugen kann. Seine kleineren Problemfälle der rezenteren Zeit zeigt unter den Liveaufnahmen speziell "Reality", bei dem man sich mal die Mühe machen sollte, genau hinzuhören, wie die Stimme an vielen Silbenenden einfach nach unten bricht, wohingegen andere, auch schwierigere Passagen tadellos interpretiert sind. Auf dem "In Your Back"-Material hingegen klingt er durchgehend noch etwas rauher und in puncto Zielgenauigkeit bei den Tönen leider auch nicht ganz auf der Höhe, wie speziell in "Lost Games" oder im extrem angestrengt klingenden Refrain von "Hell On Earth" zu bemerken ist. Zu den Könnern muß auf alle Fälle die Leadgitarrenfraktion gerechnet werden, die übrigens noch nicht dem Einbau klassischer Melodien in ihre Soloparts frönt, wie das ab den 90ern Usus wurde - auch das Instrumental "Overdrive" klingt über weite Strecken wie eine metallisierte Ausgabe der Beach Boys (im Solo von "Hell On Earth" entdeckt man dafür eine andere bekannte Melodie). Für Bandhoppingstatistiker mag interessant sein, daß auf den 1992er Aufnahmen Frank Ullrich trommelt, den man 1995 auf Grave Diggers "Heart Of Darkness" noch einmal im metallischen Kontext hören konnte und der auf der zugehörigen Tour beim Gig im Frohburger Schützenhaus eine tadelsfreie Leistung bot (was man von seinem Nachfolger Stefan Arnold bei diversen Glauchau-Gigs der jüngeren Vergangenheit nicht durchgehend behaupten konnte), aber aufgrund zwischenmenschlicher Probleme wieder aus der Band gekickt wurde. Stainless Steel wiederum hatten ganz andere Besetzungsprobleme: Das Tripel aus Sänger Ralf, Gitarrist Thomas (diese beiden auch Alleinsongwriter, zumindest was das hier vorliegende Material betrifft) und Gitarrist Norbert blieb über praktisch die gesamte Dauer der Bandexistenz stabil (und hat selbst anno 2005 dreischaftlich noch die Liner Notes verfaßt), während sich die Rhythmusgruppen die Klinke in die Hand gaben. Der generellen Qualität der Songs hat das nicht geschadet, aber es verhinderte auf jeden Fall eine kontinuierliche Bandarbeit und somit auch das mögliche Auf-der-Erfolgsleiter-eine-Sprosse-nach-oben-Klimmen. Nostalgiker oder generell Menschen, denen der heutige Melodic Speed viel zu geschliffen daherkommt, können sich mit dem Erwerb von "Molten Metal In Your Back" trotz des fürchterlichen Covers von Vicente Feijoo (mit dessen naiver Malerei kann ich nach wie vor nur äußerst bedingt was anfangen) etwas Gutes tun, Sammler können (unter der Voraussetzung, daß die 17 Songs den Gesamtbestand beider Alben bilden und keine Songs der Spielzeitbegrenzung einer CD zum Opfer gefallen sind) ebenfalls zugreifen und ihre vermutlich schon recht wertvollen Vinyloriginale schonen, und wer auf eben alte Helloween, Forced Entry oder auch das erste Blind Guardian-Album (das allerdings stilistisch schon ein Stück weit abweicht) steht, tätigt ebensowenig einen Fehlkauf wie derjenige, der eine etwas weniger statische Version von Noisehunter sucht.
Kontakt: Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Stainless Steel
Reality
Mortal Dreams
Yesterday Is Calling
We Want It - You've Got It
Dogs On Patrol
Madness Has Taken Its Toll
Molten Metal
Heavy Metal Bomber
Angel Of Death
Overdrive
Power Every Hour
Lost Games
Hell On Earth
No Tomorrow
Stainless Steel (First Version)
We Want It - You've Got It (First Version)
 




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