www.Crossover-agm.de SPEED LIMIT: Unchained/Prophecy
von rls

SPEED LIMIT: Unchained/Prophecy   (Karthago Records)

Speed Limit lösten in Stefan Riermaiers Buch "Heavy Metal aus Osteuropa" eine interessante Kontroverse aus, was die Beurteilung ihres Schaffens anging. Während Stefan Wille, der das Speed-Limit-Kapitel verfaßt hat, sowohl "Unchained" als auch "Prophecy" für ausgesprochen hochqualitative Exempel des Achtziger-Metals hielt und erst beim 1992er Werk "Perfect Inspiration" wegen akuter Uninspiriertheit die Rote Karte zückte, schaltete sich Verlagschef Otger Jeske mit ein paar Klammerbemerkungen ein, in denen er "Unchained" als kultig pries, aber schon "Prophecy" als Symbol wertete, daß sich Speed Limit ihr eigenes Grab geschaufelt hatten. Und nun kommt der Rezensent mit einer dritten Meinung daher. "Perfect Inspiration" kennt er zwar bisher nicht und kann sich daher kein Urteil erlauben, aber "Unchained" und "Prophecy" liegen mittlerweile als Wiederveröffentlichung zusammen auf einer CD vor, so daß man problemlos Direktvergleiche ziehen kann - und diese werten "Unchained" dann doch ein klein wenig ab, während sie "Prophecy" ungefähr auf einem Niveau zwischen den beiden oben genannten Extrempositionen ansiedeln.
Um konkret zu werden: "Unchained" erschien original 1986 und enthält neun Songs typischen melodischen Mittachtziger-Metals, die zwar zweifellos solide gespielt sind, aber über weite Strecken keine Bäume ausreißen können. Das liegt nicht zuletzt daran, daß Die Instrumentalisten zwar durchaus fähig waren, der Schwachpunkt in Gestalt von Hans Huthmann allerdings am Mikrofon stand. Richtig schlecht sang er zwar auch nicht, aber sein Gesang wirkt oft etwas unbeholfen, zu unkontrolliert und in puncto Tontreffsicherheit mit deutlichen Problemen ausgestattet, kurz zusammengefaßt also limitiert. Das traf zweifellos auch auf etliche Achtziger-Kollegen zu, aber einige von denen hatten zumindest noch so etwas wie Charme in ihrer Limitiertheit, was man bei Speed Limit sicherlich nicht so sagen kann. Die hatten sich freilich schon mit ihrem Bandnamen ein wenig ins Aus katapultiert - in der Mittachtziger-Metal-Szene mit ihrer Höher-Schneller-Weiter-Welle nun ausgerechnet "Geschwindigkeitsbegrenzung" zu heißen ließ die Erwartungshaltung bei der potentiellen Anhängerschaft erstmal auf einem niedrigen Niveau verharren, wenngleich die Österreicher ihrer Bandhymne sicherheitshalber ein eingeklammertes "No" vorangestellt hatten und in diesem Instrumentalstück auch durchaus flott musizierten. Ansonsten pendelten sie zwischen gelegentlichen schnelleren Anflügen ("Burning Steel") und verschieden gearteten Midtempi, wobei letztere bisweilen etwas unbeholfen wirken, während der Speed manche Schwäche etwas zu kaschieren hilft, so daß "Burning Steel" geradezu einen Mitreißfaktor entwickelt. Bisweilen trauten sich Speed Limit auch den Einsatz von Akustikpassagen zu, in "Marriage In Hell" auch noch orgeluntersetzt, aber leider nicht sonderlich einfallsreich arrangiert, was sie ohne dominanten Orgeleinsatz in "Fight To Survive" besser hinbekamen - dort entsteht in den Akustikpassagen eine leicht mystisch-entrückte Stimmung, unterstützt auch durch die hübschen Leadgitarreneinfälle an diesen Stellen. Da stört nicht mal Huthmeiers Stimme, die hier übrigens nicht sonderlich weit vom restlichen Niveau abfällt (wie man das sonst bisweilen kennt, wenn Sänger in ruhigen Parts versagen), weil dieses ja schon nicht sonderlich hoch ist. Den Credits nach sind übrigens alle vier anderen Bandmitglieder an den Backing Vocals beteiligt, obwohl diese gar nicht so sehr markant in Szene gesetzt wurden. Interessanterweise beschränken sich Speed Limit inhaltlich nicht auf die typischen hedonistischen und/oder pseudobösen typischen Achtziger-Thematiken, sondern kritisieren in der Halbballade "Toybombs" ferngelenkte Kriegsführung und die titelgebenden Spielzeugbomben, damit beweisend, daß sie durchaus weiter als bis zum nächsten Bier denken konnten. Daß man als Hörer Schwierigkeiten hat, diesen Song ernstzunehmen, liegt mal wieder am bemüht wirkenden Gesang. Übrigens entdeckt man in diesem Song einen versteckten Hinweis, daß für die CD-Veröffentlichung keine Masterbänder zur Verfügung standen, sondern die Songs von einer LP abgenommen werden mußten: Im Hintergrund hört man gegen Ende einige dumpfe Kratz- bzw. Schabegeräusche, die darauf schließen lassen, daß die als Quell-LP benutzte Scheibe an dieser Stelle nicht ganz in Ordnung war. Die Auswahl an potentiellen Quellscheiben dürfte überschaubar gewesen sein: "Unchained" erschien als Quasi-Eigenproduktion und gilt laut Stefan Wille im Original als recht schwer zu beschaffende Rarität.
Danach konnten Speed Limit einen Vertrag mit Breakin' Records (nicht zu verwechseln mit Udo Dirkschneiders ein Jahrzehnt später aktiven Breaker Records) an Land ziehen und veröffentlichten 1988 "Prophecy", eigentlich nur eine Mini-LP mit fünf Songs, Intro und einer reichlich überflüssigen einminütigen Trunkenheits-Adaption von "My Bonnie" ("... is over the ocean", genau). Wer sich die Bandfotos und das neue Bandlogo genau anschaute, konnte schon eine Ahnung von einem gewissen Stilwechsel bekommen, der dann aber gar nicht so heftig ausfiel: Zwar sahen Andy Rethmeier (dr), Chris Pawlak (b), Chris Angerer (g) und ihre beiden Neuzugänge Hel Lennart (g - er hörte bürgerlich übrigens ganz simpel auf den Namen Helmut Lehner) und Steven Hogger (v) jetzt plötzlich wie eine amerikanische Posertruppe aus, aber musikalisch hatten sich eigentlich nur vier Dinge geändert. Zum einen hatten Speed Limit den schon auf "Unchained" seltenen Hochgeschwindigkeitsmetal (die beiden oben genannten Songs sind die einzigen dieser Kategorie) nun ganz ad acta gelegt ("1000 Girls" kommt diesem noch am nächsten) und sich auf verschiedene Midtempolagen versteift. Zum zweiten klingt die Produktion völlig anders - einerseits lag über "Unchained" eine Art düsterer Schleier, der nun weggenommen worden war, andererseits klangen vor allem die Drums etwas technisierter. Drittens nahmen die Backing Vocals diesmal eine etwas ausgefeiltere Statur an. Viertens und wichtigstens aber hatten Speed Limit mit Steven Hogger einen hervorragenden Fang für die Besetzung des Frontmikrofons gemacht: Der Mann konnte singen, traf vor allem die richtigen Töne und ließ das nötige Feeling trotzdem nicht außen vor - eine wichtige Verstärkung also, die allerdings nicht in der Band gehalten werden konnte (auf "Perfect Inspiration" war dann Chris T. Ebert aktiv, der vom Niveau her wieder deutlich weiter unten agiert haben soll). Daß die Gitarristen durchaus einfallsreich solieren und riffen konnten, stellten sie auch auf "Prophecy" unter Beweis, und die Songs selbst gehen durchaus als international konkurrenzfähiger durch, während denen auf "Unchained" noch ein gewisser provinzieller Touch anhaftete. Die dort am besten als Mixtur aus NWoBHM mit Teutonenmetal Marke frühe Stormwitch umschreibbare Musik hatte auf "Prophecy" alle frühen NWoBHM-Einflüsse abgelegt und eine Entwicklung vollzogen, wie sie die genannten Stormwitch oder auch NWoBHM-Bands wie Demon gleichfalls aufzuweisen hatten. Und wenn man sich die "Unchained"-Songs im Sound und mit dem Gesang von "Prophecy" vorstellt, erkennt man durchaus das Band, das das Achtziger-Schaffen von Speed Limit zusammenhielt. Nach "Perfect Inspiration" war der Ofen bei den Salzburgern dann allerdings aus und wurde erst 2008 wieder angeheizt, was dann ein neues Album namens "Moneyshot" ergab - zu diesem beim nächsten Update mehr. Derweil lohnt das "Unchained"-/"Prophecy"-Doppel für Achtziger-Fetischisten durchaus einen Hörtest, wenn man denn keine Wunderdinge erwartet.
Kontakt: www.speedlimit.at, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Unchained/Into The Future
Burning Steel
Slave Of Desire
Marriage In Hell
(No) Speed Limit
Fight To Survive
Wings Of Steel
Toybombs
Vanishing Angel
The Prophecy/Dead Eyes
Lady
1000 Girls
Running Out Of Lies
No Lies
My Bonnie



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