www.Crossover-agm.de SOLITUDE AETURNUS: Hour Of Despair (DVD)
von ta

SOLITUDE AETURNUS: Hour Of Despair (DVD)   (Metal Mind)

Natürlich kommt diese Rezension viel zu spät. Aber da Solitude Aeturnus zu den wenigen auch im 20. Jahrhundert noch akzeptierten Gottesbeweisen gehören (nun, zumindest in der Doom-Community), haben sie doch auch hier noch ihren Platz verdient. Eine Live-DVD von den texanischen Thronhaltern des Epic Doom ist prinzipiell erstmal eine hervorragende Idee, da die Band in Europa selten live zu sehen ist. Und die DVD ist dann auch ein Schmuckstück geworden. Herzstück ist ein etwa 70minütiger Auftritt in Stodola Club in Warschau, der am 12. Februar 2007 mitgefilmt wurde. Die Band präsentiert sich in Höchstform: Robert Lowe, charismatisch und als Messiah-Marcolin-Lookalike im Priestergewand und mit überdimensioniertem Kreuz um den Hals, ergeht sich in verdrehten Augen und beschwörerischen Gesten. Der Mann ist optisch das unverwechselbare Zentrum der Band und sein Gesang ist nach wie vor das Göttlichste, was es im klassischen Doom zu hören gibt: Hochintensiv, immer wieder mit kleinen Schlenkern und Abstürzen verziert und unglaubliche Melodien darlegend. Der bärige John Perez an der Rhythmusgitarre übernimmt alle Ansagen und stellt den dynamischen Part der Band; gegen Ende des Sets traut er sich sogar mal auf die andere Bühnenseite. Der Rest der Band ist mäßig bewegt, was aber völlig ausreicht. Konzentriert man sich auf die technische Darbietung, fällt auf, dass hier wirklich gute Musiker stehen, die aber absolut kein Interesse daran haben, sich auf dem Griffbrett einen abzuwedeln. Die Soli von Steve Mosley sitzen und Schlagzeuger Steve Nichols spielt ein tadelloses Doom-Schlagzeug. Es ist nicht leicht, als Doom-Drummer interessant zu spielen, da technische Scharmützel einen sehr langsamen Song leicht zerstören; Vince Verkay von Evoken schafft das beispielsweise und Steve Nichols von Solitude Aeturnus ebenso. Interessanterweise kopiert er hierbei jedes Break seines Vorgängers John Covington bis ins Detail, Abstriche auf der Gewöhnungsliste sind also nicht nötig.
Mittelpunkt des Auftritts sind jedoch wie auch auf den Alben nicht die Musiker, sondern die Songs. Vom letzten Album "Alone" gibt es mit dem Opener "Scent Of Death", "Sightless", "Is There" und "Waiting For The Light" eine exzellente Auswahl, die aber locker getoppt wird durch einen Dreierblock an Doom-Klassikern vom Gottalbum "Through The Darkest Hour", von denen jeder einzelne 10 von 10 Punkten verdient: "Haunting The Obscure", angeführt von einem ebenso simplen wie kraftvollen wie genialen Leitriff, ist derart mitreißend, dass man zuhause vor dem Bildschirm die Luftklampfe auspackt und mitbangt; "Pawns Of Anger" schlägt in genau dieselbe Kerbe: Ein Kraftriff ans nächste, ein Refrain zum Niederknien und ein Powerfinale sondersgleichen. Geil, einfach nur geil. "Falling", auf dem Album der Opener, ist auch als Rauswerfer eine Macht. Diese Melodien! Dieses Riffing! Dieser Text! "I walk in the sands of Eden/Where the blue pyramids sleep/I close the world behind me/For my future soul to keep" - geht's noch besser? Mit Lyle Steadham haben die Texaner seinerzeit einen begnadeten Texter verloren, dessen drogenverseucht-geniale Lyrics auf den letzten zwei Alben nicht adäquat ersetzt werden konnten.
Von der "Through ..."-Scheibe präsentieren Solitude neben den drei genannten Zehnpunktern noch den Stampfer "The 9th Day: Awakening", den ich nur lala finde. Die ebenfalls zum Kniefall zwingende "Downfall"-Scheibe ist leider nur mit einem Song, dem alles niederwalzenden "Phantoms", vertreten. Dasselbe gilt für das Debüt "Into The Depths Of Sorrow", für viele Leute die Solitude-Scheibe überhaupt, von dem es gerade mal "Destiny Falls To Ruin" in die Setlist geschafft hat. "Beyond The Crimson Horizon" ist gleich gar nicht vertreten, aber mit dem überraschenden "Mental Pictures" und dem unvermeidbaren "Days Of Prayer" immerhin zwei Tracks von "Adagio". Hätte man einen der neuen Tracks und "The 9th Day" rausgeworfen und stattdessen noch zwei Klassiker der ersten zwei Scheiben draufgepackt, wäre die Setlist nahezu perfekt. Der Ausgewogenheit wegen wäre ein etwas ruhigerer Track wie "Mirror Of Sorrow", "Shattered My Spirits" oder "Concern" obendrauf ebenfalls schön gewesen. So ist die Setlist gespickt mit Kraftpaketen ohne Verschnaufpause und die Vielfalt der Band kommt nicht zum Tragen.
Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Die Tonqualität ist exzellent, sehr sauber, aber doch auch mit Live-Sound; die Bildqualität ist ebenfalls nicht zu beanstanden, etwas grobkörnig vielleicht, aber das stört nicht. Licht- und Kameraarbeit: Top. Schnitte: Sinnvoll, gut, abwechslungsreich.
Unter den Bonüssen verstecken sich auch noch einige Perlen: zwei ausschnittweise vertretene Auftritte von 1987 und 1992, in denen dann auch einige der Uralt-Songs wie "Opaque Divinity" zu hören sind, die beim Hauptkonzert fehlen. Bild- und Tonqualität sind allerdings unterstes Bootleg-Niveau und der Kameramann traut sich auch nicht so recht vor die Bühne. Alles also eher for the historical record. Die Aufnahme von 1987 ist auch deswegen interessant, weil seinerzeit noch Kris Gabehardt hinter dem Mikro stand und mit "Into Battle" ein Song performt wird, der es nie auf irgendeine andere Solitude-Veröffentlichung geschafft hat. Perle Nummer zwei ist ein 40minütiges Interview mit John Perez und Robert Lowe, in denen die einzigen seit dem Debüt durchweg im Line-Up erhalten gebliebenen Musiker und Bandköpfe die Geschichte von Solitude Aeturnus ohne Verbitterung und mit viel Humor Revue passieren lassen. Neben dem Auftritt unbedingt sehenswert! Der Rest des Platzes geht für den üblichen Schnickschnack drauf, den man sich eh nicht anschaut: Discographie, Bandgeschichte, Fotogalerie, Desktop-Pix und Links.
Alles in allem stellt "Hour Of Despair" eine hochwertige DVD dar, die jedem Doomer, der mit Solitude Aeturnus nicht so vertraut ist, hiermit wärmstens ans Herz gelegt sei. Solitude-Jünger besitzen sie eh schon längst.
Kontakt: www.myspace.com/solitudeeternal, www.metalmind.com.pl

Tracklist:
Live in the Stodola Club, Warsaw, Poland, 2007
1. Scent Of Death
2. Haunting The Obscure
3. Mental Pictures
4. Destiny Falls To Ruin
5. Sightless
6. The 9th Day: Awakening
7. Phantoms
8. Is There
9. Pawns Of Anger
10. Waiting For The Light
11. Days Of Prayer
12. Falling

Bonus Videos:

Live At On The Rocks, Dallas, Texas, 1992 (Bootleg)
1. Intro
2. Opaque Divinity
3. Hourglass
4. Where Angels Dare To Tread
5. Seeds Of Desolate

Live At Joe's Garage, Ft. Worth, Texas, 1987 (Bootleg)
1. Into Battle (Unreleased Track)
2. Where Angels Dare To Tread



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