www.Crossover-agm.de SLEARS: Far Away From Getting Somewhere
von rls

SLEARS: Far Away From Getting Somewhere   (Eigenproduktion/Enghardt Media)

Aus dem ländlichen Raum Süddeutschlands ist man, was Rockmusik angeht, eigentlich eher die streng traditionelle Schiene gewöhnt, aber auch hier lebt man natürlich nicht ganz hinter dem Mond (was freilich auch seinen Reiz hat - grins), weiß andererseits allerdings auch immer noch die alten Werte zu schätzen. Damit ist im Falle von Slears nichts Krachledernes oder noch Schlimmeres gemeint, sondern einfach der Fakt, daß diese Bewohner Bayerns ihren eindeutig traditionell verwurzelten Hardrock mit einer gewissen modernen Schlagseite aufgepeppt haben. Freilich gehen sie von ihren Achtziger-Wurzeln nicht nur in die Neunziger, sondern auch in die andere Richtung, also in Zeiten, wo jeder vernünftige Rocksänger zumindest ein ganz klein wenig Blues in der Stimme hatte (sofern er nicht z.B. Jon Anderson hieß). Mit dieser Idee sind Slears natürlich nicht allein auf der Welt, aber ihre deutliche Beharrung auf den Achtziger-Rock-Wurzeln, wobei auch in diesem Falle eher bodenständige Bands gemeint sind, unterscheidet sie von prinzipiell Artverwandten wie Audrey Horne oder Corroded, wobei die letztgenannten wohl als deutlichster Ankerpunkt gelten können, will man einem komplett unbeleckten Hörer demonstrieren, wie Slears trotz der erwähnten Unterschiede klingen, wobei man allerdings so manchen der "Fremdeinflüsse", die im Corroded-Review zu "State Of Disgrace" erwähnt worden sind, auf "Far Away From Getting Somewhere" vergeblich sucht - gerade die Gitarren von Tom Käser und Gustl Berauer klingen doch deutlich traditioneller, wenngleich die Riffs etwa in "Believe" oder "All Guns" durchaus auch mal in den Keller hinuntersteigen. Nach dem Intro, das der Platte auch den Namen gab, könnte man freilich auch einen anderen Musikstil erwarten - hier wird eine amtliche Bombastrockwand, die trotzdem stets melodiös und nachvollziehbar bleibt, aufgebaut, und man könnte sich auch auf eine große Power-Metal-Scheibe freuen, wird aber durch einen etwas holprig arrangierten Übergang in "Disappear" geerdet. Die kleine Enttäuschung hält aber nicht lange an, denn wenn man prinzipiell mit dieser Mixtur aus Traditions- und Modernrock warm wird, also beispielsweise eine geringfügig härtere Fassung der weniger traditionellen Scheiben von Harem Scarem mag, dann sind Slears ein heißer Kandidat für intensive Rotation im heimischen Abspielgerät. Wie bei den Kanadiern und den erwähnten Schweden Corroded muß man allerdings auch bei Slears mit einem Hang zur sehr kompakten Inszenierung der Songs klarkommen - nach Abzug des Intros verbleiben für die elf Songs im Durchschnitt noch dreieinhalb Minuten, und das ist im Traditionsrockbereich, der ja als nicht unwichtiges Stilelement die Soloarbeit der Gitarristen und, falls vorhanden, des Keyboarders beinhaltet, eher an der Untergrenze anzusiedeln, selbst wenn man das alte AOR-Motto "Don't bore us, get to the chorus" beherzigt, das freilich auch nicht in jeder Situation die allerbesten Ergebnisse zeitigt. Der Rezensent ist beispielsweise von "Rain" nur bedingt angetan: Der Song hätte das Zeug zu einem richtigen Highlight gehabt, ist intelligent und einfallsreich arrangiert, beginnt balladesk und gerät später zum mitreißenden Rocker, der zu einem richtig großen Hauptsolo ansetzt - und mitten in diesem wird er mirnichtsdirnichts ausgeblendet. "Coitus interruptus" pflegt der Medizinkundige zu einer solchen Situation in anderem Kontext zu sagen, und hier wie da kommt nur bedingt Freude auf. Zudem beschleicht den Rezensenten das Gefühl, daß "Far Away From Getting Somewhere" zwar als Album gut durchhörbar ist, die wahren Stärken des Quintetts aber auf der Bühne liegen. Da dürften die Midtemposongs wahrscheinlich richtig drücken, während in "Circles" oder "Alive" einige Passagen auch zum flotten Tanzbeinschwingen animieren, während am heimischen Schreibtisch das Bein da nur mal kurz, aber durchaus merklich zuckt. Freilich hat auch Slears die aktuelle Songwritingkrankheit befallen, oftmals zu viele verschiedene Elemente in einem Song unterbringen zu wollen, anstatt einzelne Ideen in voller Konsequenz auszuarbeiten - so bedarf es einiger Hörarbeit, jeden Tempo- oder Stimmungswechsel nachzuvollziehen, trotz der erwähnten eher kurzen Spielzeit. Das ist dann eher wieder was für die heimische Stereoanlage, und da erschließt sich manche Idee nach etlichen Durchläufen dann doch noch. Mit zunehmender Routine wird sich da bei Slears sicherlich auch eine größere Sicherheit und ein besserer Überblick einstellen, die bei den 18 Monaten, über die sich die Produktion hingezogen hat, vielleicht hier und da noch fehlte bzw. verlorengegangen sind. Gemastert hat übrigens Mika Jussila im Finnvox Studio, und obwohl Slears rein musikstilistisch nicht seine typischen Kunden sind, ist ein Klangbild ohne Fehl und Tadel entstanden - sauber, aber druckvoll, alle Beteiligten an den ihnen gebührenden Platz stellend und Peter Kandlinger mit seiner interessanten und vielseitigen Stimme ganz in die Mitte. Hier könnte durchaus mehr draus werden, aber für Freunde etwas modernisierten Traditionsrocks ist auch "Far Away From Getting Somewhere" trotz des Coverartworks, das irgendwie ganz andere Musik erwarten läßt (angedüsterten Progmetal etwa), zumindest ein Antesten wert.
Kontakt: www.slears.de, www.carstenenghardt.com

Tracklist:
Far Away From Getting Somewhere
Disappear
Fading
Follow Me
Believe
Rain
Circles
Alive
Reborn
Spit Or Swallow
All Guns
One Day



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