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von ta

SKEPTICISM: Ordeal   (Svart Records)

Skepticism sind ein eigenartiges Phänomen. Sie veröffentlichen nur alle Jubeljahre mal ein Album und füllen die Zwischenzeit mit in der Regel sinnbefreiten EPs oder eben einfach langen Pausen. Skepticism haben sich trotz bald 30-jährigen Bestehens kompositorisch nur unwesentlich und technisch eigentlich gar nicht weiterentwickelt. Skepticism sind trotz ihres langen Bestehens und handwerklich überschaubaren Stücken lausige Live-Musiker.
Sie sind auch keine kompositorischen Genies und die Discographie von Skepticism zeigt daher die Weisheit der alten Aufforderung an den Schuster, bei seinem Leisten zu bleiben. Skepticism sind immer dann richtig gut, wenn sie detailarme, primitive Orgel-Doomster ausspeien. "Lead And Aether" aus dem Jahr 1995 wird diesbezüglich auf ewig das Referenzwerk bleiben, das von zwei Signatursongs eingekesselt wird, dem gewaltigen "THE ORGANIUM", das den Majuskeln und dem Titel entsprechend von brachialen Orgelakkorden dominiert wird und einfach die pure Macht ausstrahlt, und dem traurigschönen, beinahe zerbrechlichen und tatsächlich ätherisch fließenden "Aether".
Auf der anderen Seite ging es mit Skepticism immer dann bergab, wenn sie versuchten, einen auf Esoteric zu machen und ihre progressive Seite auszuspielen. Denn das Problem ist ja: Skepticism haben keine progressive Seite. Wenn sie versuchen, progressiv zu sein, klingt es bieder und einschläfernd. Die "Aes"-EP aus dem Jahr 1996, die nur einen ziellosen 25-Minüter enthielt, war diesbezüglich der Tiefpunkt.
Insofern spitzte ich skeptisch die Ohren, als es hieß, dass "Ordeal" live und vor Publikum eingespielt werden und zudem wieder experimenteller ausfallen sollte. Würden Skepticism sich wieder zu weit aus dem Fenster lehnen?
Das Ergebnis ist leider: Ja. Man muss der Band zugute halten, dass die technische Darbietung vergleichsweise fehlerfrei daherkommt. "Ordeal" hat wenig Live-Atmosphäre und klingt über weite Strecken einfach wie ein weiteres Studioalbum von Skepticism. Die Live-Elemente reduzieren sich auf leise abgemischte Publikumsgeräusche zwischen den Songs sowie den Gesang von Matti Tilaeus, der heller und weniger massiv als auf den bisherigen Alben klingt.
Kompositorisch hinterlässt "Ordeal" dagegen diverse Fragezeichen. Das Ansinnen der Band ist offensichtlich: nach der eher stumpfen (und darum guten) "Alloy"-Scheibe mal wieder einen auf proggy zu machen. Jeder Song enthält auffällig in Szene gesetzte Dynamikwechsel und Akustikgitarren, es tauchen Leads und sogar Double-Leads auf (für das Album wurde mit Timo Sitomaniemi ein zweiter Gitarrist verpflichtet), Rhythmuswechsel und eigensinnige Strukturen sind Standard, sogar Soli tauchen hier und da auf. Auch die Bandbreite an Stimmungen ist größer, und generell klingt "Ordeal" gelöster, als Skepticism je zuvor klangen, man möchte beinahe schreiben: hoffnungsvoll. Selbst "The Departure", das noch am ehesten an die machtvollen Skepticism und Gottsongs wie "Antinomy" anschließt, entwickelt längst nicht dieses intensive Gefühl, von einer Planierraupe langsam plattgewalzt zu werden.
Und das ist vielleicht der größte Pferdefuß an "Ordeal": Das Album wirkt durch die vielen Spielereien stimmungstechnisch zu gehemmt. Skepticism spielen ihre starke Machtseite nur in vereinzelten Zügen aus, brechen ihre gleichfalls starke düsterromantische Seite durch dynamische, rhythmische und melodische Auflockerungen zu sehr und geben ihrer schwachen proggy Seite im Gegenzug zu viel Raum. Die wird mit viel Durchschnittsthemen ausstaffiert. "You" startet mit einer pentatonischen Skala, in "March Incomplete" gibt es mal eine Erzählerstimme, in "The Road" werden Palm Mutes auf der Gitarre eingesetzt (für Skepticism eine eher seltene Spielweise) und der eine oder andere weitere Moment lässt auch erstmal aufhorchen - aber tief eingehen tut das alles nicht und die überwältigende Mehrheit der Momente bewegt sich selten aus dem engen Korsett von Melodischmoll heraus und ist viel zu vorhersehbar, um zu fesseln.
"Ordeal" ist der verständliche Versuch der Weiterentwicklung, ein ambitioniertes, aber leider am Vermögen der Beteiligten vorbeirauschendes Album, ist technisch, dynamisch und strukturell sicher das vielschichtigste Werk der Band, atmosphärisch dagegen das am wenigsten überzeugende und darum im Draufblick nur OK, was nach sieben Jahren Pause einer kleinen Katastrophe gleichkommt. Wer "Aes" und "Farmakon" mochte, sollte aber auf jeden Fall mal reingehört haben.
Kontakt: www.facebook.com/officialskepticism, www.svartrecords.com

Tracklist:
1. You
2. Momentary
3. The Departure
4. March Incomplete
5. The Road
6. Closing Music



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