www.Crossover-agm.de SILK: Daisy Chains
von ta

SILK: Daisy Chains   (Eigenproduktion)

Drei Erwägungen, die es dem geneigten Hörer ermöglichen sollen, sich Silk auf die eine oder andere Weise zu nähern:
I. Eine methodische Bemerkung: "Daisy Chains" ist ein Album, zu dem man gar keine Rezension schreiben kann oder will, weil "Daisy Chains" eine jener Platten darstellt, mit denen man sich bis zuletzt nicht richtig anfreunden konnte, die einem aber auf irgendeine Weise sehr sympathisch sind. (Ein solcher Fall ist aber nicht selten besser als seine Umkehrung, dies nur marginal.) Wenn die Rezension zu einem musikalischen Ereignis also sagen soll, was für mögliche Erfahrungen man mit Musik machen kann - und nichts anderes sehe ich als Aufgabe einer Rezension an -, lautet mein Erfahrungsinhalt mit "Daisy Chains": Null, oder: Verwirrung, Nervenreiben, intellektuelles Gefallen, intellektuale Freude.
II. Inhaltliche Fixierungen: Silk sind eine belgische Rockband mit Sängerin, Gitarre, Bass, Schlagzeug, "Daisy Chains" ist das wievielte Album auch immer und dauert 49 Minuten. Damit ist das Unwichtigste schon gesagt. In die Nähe von anderen Bands wage ich Silk kaum zu rücken. Wer allein aufgrund der Tatsache, dass zentral hier der Cantus behandelt wird und dieser von einer Frau produziert wird, auf Vergleichbarkeit mit etwa Portishead schließt, läge aber immerhin damit richtig, dass er zum Kern der Sache unverfänglich vorstößt. Der heißt hier Jo Douchamps. Deren Gesang kann durchaus etwas Unmenschliches haben, was, gekoppelt an die Tatsache, dass die Dame eine äußerst penetrante Stimme besitzt, zu kongenialen bis wahnwitzigen bis sonstwie fragwürdigen Vokaleruptionen führt, die Songs wie "The Coolest Cowboy", "A Seabed Story" oder "Home Sweet Home" krietscheknatsche schmücken. Dass ich eine Sängerin partiell einmal vergleichend und Gemeinsamkeiten findend einer Teletubbie-Sirenenstimme gegenüberstellen würde, habe ich bis zum ersten Anlauf von "Daisy Chains" zumindest eher nicht erwartet. Doch über solche Möglichkeiten wird man bei Silk belehrt. Sehr unkonventionell. Sehr frei. Das ist nicht ganz einfach und fordert heraus, aber darum kann man Silk vermutlich auch Progressivität in Songwriting, besser noch: Songumsetzung, konzedieren. Kunst heißt Inszenierung, heißt eine Möglichkeit der Gestaltung wählen. Silk haben ihre gewählt und wenn ich mich in dieser kurzen Darstellung derselben ausschließlich auf die Frontlady konzentriert habe und konzentrieren will, soll das keineswegs die männliche Belegschaft in den Schatten stellen. Aber ein kurzer Einblick mag mehr Anreize zur eigenen Erkundung seitens des Lesers dieser kurzen Schau geben als ein 1:1-Überblick über das, was "Daisy Chains" bietet. Und wenn von Silk die Rede ist, dann wird vermutlich zuvorderst der Name Douchamps im Raum schweben müssen, aber nur zuvorderst, nicht unbedingt zuletzt. Oder überhaupt in Gänze. Noch einmal: Eine Frau in musikalischen Kontexten vordergründig agieren lassen ist nicht neu: The Gathering, Portishead, Björk, Tori Amos usf. Douchamps ist aber mitnichten der zärtliche Engel, noch das Sexvamp noch die Sängerin, die den Mann ersetzt, sondern vielmehr Instrument, Instrument Stimme. Als Hörer zumindest scheint mir die Differenz zwischen Instrumentalisten und Gesang partiell sublim zu verschwimmen, was für amtliche Verzerrung von erwartungsvoll geprägten Bildern/Vor-Urteilen sorgt, und wenn ich an anderer Stelle meinte, dass der Reiz an "Daisy Chains" vorerst ein intellektueller ist, meine ich damit, dass hier zuerst Brücken geschlagen müssen zwischen Hörer und Band, der eine Teil erst den anderen (in beinahe kognitiven Prozessen) erschließen muss, bevor man ineinander aufgeht und zueinander gelangt. Darum braucht "Daisy Chains" Zeit und Geduld. Macht zusammen mit den angriffslustigen, emanzipierten, streckenweise sehr langen Texten, in denen ein paar ärmliche Gestalten, also Männer, ihr Fett wegkriegen (dies nur als eine Seite der textlichen Gestaltung neben etwa der Fragilität von "A Matter Of Life Or Death" oder "Wounded") ein ganzes Paket Anstrengung. Doch dafür darf Musik ja da sein.
III. "Wounded": Nicht notwendig ein Stück, das im Rahmen des Albums eine separate Erwähnung verlangt; als Anspiel- und Hineinsteig-Test aber durchaus geeignet, darum hier aufgeführt; vielschichtig, etwas schaurig und unangenehm, aufdringlich, extrem, gut, vor allem: repräsentativ für das ganze Album.
Bandkontakt: www.thesilk.net

Tracklist:
1. Smell Of Success
2. The Coolest Cowboy
3. A Seabed Story
4. The Circus
5. A Matter Of Life Or Death
6. The Great Escape
7. Home Sweet Home
8. Wounded
9. Safe
10. The Rats
11. Empty Pockets
12. My Poor Dears



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver