www.Crossover-agm.de SHAVNABADA: Shavnabada
von rls

SHAVNABADA: Shavnabada   (Eigenproduktion)

Im Mai 2016 gastierten Shavnabada beim A-Cappella-Festival in Leipzig, und rechtzeitig zu diesem Konzert ist auch ihre neue CD fertiggeworden, die nach dem Konzert dann auch reißenden Absatz fand - der Auftritt war, wie in der Rezension nachzulesen ist, ein sehr starker, und der Gelegenheiten, hierzulande Scheiben der georgischen Formation zu erwerben, sind nicht eben viele. Immerhin handelt es sich bereits um das neunte Studioalbum des 2005 gegründeten Ensembles (ein Video vervollständigt die Diskographie), wobei es sich bei drei der Scheiben allerdings um Unterrichtsmaterial handelt, um die Kunst des georgischen polyphonen Gesangs zu erlernen. Shavnabada verstehen sich sowohl landesintern als auch im internationalen Maßstab als Kulturvermittler und Kulturbotschafter, die einerseits dafür sorgen, daß diese uralten Gesangstechniken nicht aussterben (und die Gefahr ist groß - von den Dutzenden verschiedenen kaukasischen Sprachen sind etliche bereits völlig verschwunden, und etliche weitere werden nur noch von wenigen alten Leuten in einzelnen Dörfern gesprochen, nach deren Tod auch die gesamte aktiv mit dieser Sprache verknüpfte Kultur dem Untergang geweiht ist), andererseits auch international für sie (und für ihr Land) Interesse wecken möchten. Immerhin ist die georgische Polyphonie auch bereits zum immateriellen UNESCO-Welterbe ernannt worden.
Achtzehn dieser Stücke konnte man in Leipzig im Konzert erleben, und achtzehn Nummern stehen nun auch auf der neuen, 53minütigen CD - neun davon sind auch im Konzert erklungen. Den internationalen Anspruch des Albums verdeutlicht, daß das Booklet zweisprachig in Georgisch und Englisch gehalten ist, um den des georgischen Alphabets unkundigen Hörer (und das werden außerhalb der georgischen Grenzen bzw. der georgischen Diaspora die meisten sein) nicht vollends im Regen stehenzulassen (das besagte Alphabet ist komplett eigenständig und auch die Sprachfamilie selbst mit keiner anderen lebenden Sprache näher verwandt - das Cover enthält als kleines Beispiel den Bandnamen sowohl in heimatlichen Lettern als auch in lateinischer Umschrift). Neben einer Ensemblebiographie (die Formation umfaß 13 Mitglieder, acht von ihnen waren in Leipzig dabei) enthält das Booklet zudem noch die Tracklist mit Herkunftsangaben zu den achtzehn Nummern, die übrigens mit zwei Ausnahmen, wo Ensemblekopf Davit Tsintsadze zu einem Saiteninstrument namens Chonguri greift, komplett a cappella dargeboten werden. Dabei fällt auch hier wie schon im Konzertprogramm eine räumliche Zweiteilung auf: Etwa die Hälfte der Songs stammt aus Kachetien, der östlichsten Provinz Georgiens, die andere Hälfte aus den am Schwarzen Meer, also im Westen des Landes, gelegenen Provinzen Gurien, Mingrelien und - das darf wieder als politisches Statement verstanden werden - Abchasien, das sich bekanntlich nach den letzten beiden Kriegen einseitig für unabhängig erklärt hat. Liedgut aus dem georgischen "Kernland" um die beiden Großstädte Tbilissi (Kartlien) und Kutaissi (Imeretien) fehlt auf der CD und war auch in den neun weiteren Nummern des Konzertprogramms nicht vertreten - das kann Zufall sein (der Rezensent hat die Formation erst einmal live erlebt und besitzt auch ihre anderen CDs nicht), aber auch künstlerische Absicht, z.B. eine Abgrenzung gegenüber den Shavnabada-"Ziehvätern" vom Ankhiskhati Choir, der auch solches Liedgut im Repertoire hat. Zu den siebzehn Volksliedern gesellt sich mit "O Holy Martyrs" auch noch ein Lied aus dem Kirchenliedrepertoire der Georgisch-Orthodoxen Kirche. Das Booklet gibt darüber hinaus noch Hinweise zur originalen Bestimmung der einzelnen Lieder - da finden sich Hochzeitslieder (passagenweise übrigens immer mit Klatschrhythmen untermalt), lyrische Beziehungslieder, ein Spottlied ("Chiche Tura", mit gelächterartigen Vokalisen ausstaffiert), ein Arbeitslied, aber (ganz wichtig im Georgien) besonders viele Tafellieder. Entsprechend unterschiedlich sind die Ausdrucksweisen - aber auch unter den Tafelliedern gibt es sowohl feierliche als auch solche, die die Freude einer reich gedeckten Tafel zum Ausdruck bringen. Interessanterweise haben Shavnabada einen zentralen Bestandteil der georgischen Polyphonie weiterentwickelt: In der klassischen, z.B. vom Ankhiskhati Choir gepflegten Form treffen sich alle Stimmen immer auf dem gleichen Schlußton - das ist bei Shavnabada nicht mehr durchgängig der Fall, gibt es auch Schlußakkorde in mehrstimmiger Form. Dazu treten in den gurischen Nummern wieder die Krimanchuli genannten typischen Jodler, die in einer Zitatensammlung im Booklet sogar von Igor Strawinsky gelobt werden (die weitere Folge der Zitatengeber umfaßt Izaly Zemtsovsky, Romain Rolland und Boris Assafiev). So entsteht ein facettenreiches Bild einer hochgradig reizvollen und originellen Gesangskultur, die zwar noch einmal an Wirkung gewinnt, wenn man ein solches Ensemble live erlebt (und noch gesteigert werden kann, wenn man es direkt vor Ort in Georgien erlebt, am besten auch noch vor einer reich gedeckten Tafel), aber auch in konservierter Form hörenswert ist.
Kontakt: www.shavnabada.net

Tracklist:
Shemodzakhili
Ojanudi
Sharatin
Nana
Madlobeli
Gmerto
Chiche Tura
Urmuli
Makruli
O Holy Martyrs
Mravaljamier
Fatskha
Zamtari
Gudisa
Me Rustveli
Vagiorko Ma
Khasanbegura
Chakrulo
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver