(EastWest)

Wenn einer Metal-Band nichts mehr einfällt, dann gibt's zur Zeit zwei Königswege: Man nehme einen Strauß alter Songs und spiele sie entweder unplugged oder mit einem Symphonie-Orchester zusammen ein. Letzteres haben die Scorpions bereits auf ihrem letzten Album gemeinsam mit dem Berliner Philharmonikern gemacht. Nun folgt "Acoustica", auf dem sie ersteres nachholen, ohne letzteres zu lassen. Unter weitgehendem Verzicht elektrisch verstärkter Instrumente, dafür begleitet von einer Handvoll Streicher haben die Hannoveraner Klassiker wie "The Zoo", "Wind Of Change" und "Still Loving You" in einem portugiesischen Kloster live eingespielt.
Und das Ganze funktioniert. "Acoustica" ist eine wirklich schöne Scheibe geworden. Klar, in der Hartwurst-Szene, zu der die Scorpions ja mal gehört haben, ist das alles andere als ein Lob. "Voll evil" ist "Acoustica" sicher nicht. Und man fährt auch kein Brett, "das dir das Hirn aus dem Schädel prügelt". Aber das Etikett "Metal-Band" konnte man den Scorps sowieso nur zu Zeiten zugestehen, als es dies noch gar nicht gab. (Das 1993er Brett "Face The Heat" wollen wir aber mal nicht vergessen - Anm. rls) Und seit "Wind Of Change" hat man auch den Hard-Rock-Bereich Schritt für Schritt verlassen. Drei Cover-Versionen auf "Acoustica" zeigen, welches Härtepotenzial heute zu erwarten ist. Die Kansas-Ballade "Dust In The Wind", Queens Akustik-Hymne "Love Of My Life" und die herrliche Schnulze "Drive" von den Cars. Fast erstaunlich, dass Klaus Meine und Co mit "Catch Your Train" auch einmal ganz weit zurück in den Backkatalog gegriffen haben.
Apropos Meine und Co. Das ist wörtlich zu nehmen. Meines Stimme ist das noch verbleibende erkennbare Trademark der Band. Schenker spielt erstklassig, aber sein typischer Stil ist akustisch kaum wieder zu finden. Dennoch eine tolle Scheibe. Einzig die Meine begleitenden Engelschöre geraten immer wieder zum kaum erträglichen Kitsch.

© by CrossOver