www.Crossover-agm.de DIE SCHNITTER: Orange
von MiB

DIE SCHNITTER: Orange   (Costbar/BrokenSilence)

Manch einer mag anhand des Namens "Die Schnitter" denken, es handele sich um ne weitere Band, die auf den schon längst abgefahrenen Zug des Mittelalter-Rocks aufspringen will.
Falsch. Denn erstens sind die Schnitter schon seit 1997 aktiv und haben mit dem vorliegenden bereits 5 Alben in petto. Zweitens sind Die Schnitter ganz weit weg von den gängigen Mittelalter-Bands. Okay, ne Geigerin haben sie auch dabei, aber ansonsten ist man sehr experimentierfreudig. Nach einem Kirchenglocken-Intro gibts erstmal ein altes Volkslied aus den Bauernkriegen von 1525, freilich im modernen Soundgewand. Im Original heißt der Titel übrigens "Des Geyers Schwarzer Haufen". Positiv sind hier auf jedenfall die mehrstimmigen Vocals, bei denen auch Geigerin Kathrin Heiß mal zum Mikro greift. "Chanson de la Merde" ist dann wieder ne völlige Kehrtwende, driftet sogar in Ska-Bereiche ab.
Tja, und dann gibts leider auch den ersten Ausfall. Die Schnitter haben nämlich ein großes Problem: Der Gesang. Fronter Ralf Kemper hat zwar durchaus einige positive Momente, ist aber weit entfernt davon, wie ein ausgebildeter Sänger zu klingen. Dabei stehen ihm teilweise auch die manchmal wirklichen dummen Texte im Weg. Mag ja sein, dass die Band dahinter nen Sinn sieht, aber bei manchen Songs wie z.B. "2003" könnte es wirklich ein bisschen professioneller zur Sache gehen, immerhin machen Die Schnitter nicht erst seit gestern Musik. Niemand erwartet, dass der Kinderchor, der im Hintergrund singt, mit Engelschorälen daherkommt, aber ein bisschen mehr als Grundschule sollte es halt schon sein. Ich bin durchaus in der Lage, die Tiefgründigkeit dieses Textes zu erfassen, den rebellischen Charakter etc., aber "2003" reißt einfach nicht mit, und ne Gänsehaut bekomme ich auch nicht, wie es bei einer Halb-Ballade sein sollte.
Die Schnitter bieten auf "Orange" eine bunte Mixtur aus musikalischen Konzepten. Da finden sich Schandmaul-verdächtige Geigenmelodien genauso wie die Schwermütigkeit von Subway To Sally ("T.A.L"). Das ganze vermischt mit der punkigen Attitüde der Ärzte (auch die Texte sind teilweise ähnlich selbstironisch), hier ist "Trinklied" als Referenz zu nennen. Nur so lässt sich vermutlich auch der reichlich merkwürdige Albumtitel verstehen: Von allem etwas, nicht rot, nicht gelb, eben orange. Die Schnitter selber bezeichnen ihren Sound als "Alternativ Folk Rock". Soweit, so gut, machmal allerdings mehr alternativ als Folk Rock.
So witzig das ganze sich auch aufs erste Hören anhört (da war ich auch noch begeistert), beim näheren Beschäftigen mit der CD wirken große Teile doch irgendwie ein bisschen aufgesetzt. Klar mit "Geyer", "Home Sweet Home", "Chanson de la Merde" und dem gerade wegen seiner Einfachheit sympathischen "Trinklied" hat man schon ein paar gute Stücke auf "Orange", nur leider sind das eben nur 4 von 14 Liedern.
Sicher trägt zu diesem Eindruck auch der Sound bei, der eben selbstfinanziert ist. Ohne ein Label im Rücken bleibt ja auch nichts anders übrig. Trotzdem: Andere Bands machen für viel weniger Geld viel bessere Sachen.
Es liegt mir fern, zu sagen, daß diese Platte totaler Mist ist, denn damit würde man den Schnittern nun wahrlich nicht gerecht werden. Man merkt schon, daß hier einiges an Herzblut drin steckt, es fehlt nicht mal an musikalischer Klasse, aber es hapert ganz deutlich bei der Umsetzung. Gerade im Bereich des Folkrocks ist im allgemeinen ein hoher Standard vorausgesetzt, da es eben schon so viele gute Bands an der Spitze gibt. Die Schnitter gehören leider defintiv nicht dazu. Ganz hoffnungslos ist die Sache aber auch nicht, und daher bleibt abzuwarten, was die Band als nächstes von sich hören lässt.
Kontakt: www.dieschnitter.de

Tracklist:
1. Intro
2. Geyer
3. Chanson de la Merde
4. Codename "Die Hummel"
5. Ich will dich noch einmal sehen
6. T.A.L.
7. Trinklied
8. Das letzte Lied
9. Home Sweet Home
10. Die Zeit
11. Klöne
12. 2003
13. Der Sturm
14. Orange
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver