www.Crossover-agm.de ROZ VITALIS: Lazarus/The Threesunny Light Power
von ta

ROZ VITALIS: Lazarus   ROZ VITALIS: The Threesunny Light Power   (Eigenproduktionen)

Die Plattenschau betr. das Vorgängerduo "Painsadist/L'Ascensione" hat mich ob dessen Extravaganz seinerzeit einiges an begrifflich-gedanklichem Aufwand gekostet und weil sich in dieser Hinsicht auch 2003/2004 nicht viel geändert hat, verweise ich zunächst auf eben die angesprochene Rezension, um dem Blick ins rozvitalische Universum eine bestimmte Brille anzubieten. "Lazarus" (LP von 2003) und "The Threesunny ..." (EP von 2004) entwerfen eben jenes Universum nicht minder spektakulär wie ihre Vorläufer, nämlich vielschichtig (trotzdem einheitlich), gewöhnungsbedürftig (trotzdem nachvollziehbar), synthetisch (trotzdem experimentell-spontan), hyperelektronisch (trotzdem nur schwerlich tanzbar), soll heißen: Nach wie vor findet kein einziges Instrument Spielraum, das nicht per Tastatur bedient wird. Die Musik von Roz Vitalis beruht auf Synthesizerklängen und Computerprogrammierungen. Dieses Ökonomieprinzip allerdings kann dem russischen Trio nur schwerlich zum Vorwurf der kommerziellen Leichtverdaulichkeit gemacht werden, denn befremdlicher als Roz Vitalis scheint mir in heutigen Tagen kaum eine "Band".
"Lazarus" bietet eine Stunde Ohrenfutter, wie es nur von Roz Vitalis stammen kann. Einmal mehr wird der gesamte für das menschliche Ohr wahrnehmbare Frequenzbereich mit allerlei Klängen umrauscht, die per Termini wie "überdrehte Jahrmarktspieluhr", "hochgesetzte Kirchenglocke" oder "Laserpistolenschuss" zu beschreiben wären, aber dann würde man ob der Vielfalt der vorliegenden Soundvariationen eine deskriptive Abhandlung von mehreren Seiten schreiben müssen, was ich unterlassen will. Abstrakte Drumcomputerrhythmen verschrobenster Sorte und schräge Akkorde im Akkord sorgen für ein künstliches Flair, das von schiefen Gesangseinlagen (ebenso minimal wie minimalistisch eingesetzt) und nicht weniger schiefen Flöten (dito) völlig ad absurdum geführt wird. Einseitigkeit bleibt außen vor, "Lazarus" ist mal sphärisch, mal rumpelig, mal wahnwitzig, meistens alles in einem Song, egal ob er dreieinhalb Minuten ("Nepsis") oder zweiundzwanzigeinviertel Minuten ("Becoming The Poor-In-Spirit") lang ist. Das wirft alles im Kopf des Hörers durcheinander. Das sorgt für Schwitzen, Lachen, Lauschen. Und einige zutiefst abstruse Überraschungen sind immer inbegriffen. Ein bizarres Hörerlebnis, das man sich nur selten geben, dem man sich dann allerdings auch nur schwer entziehen kann.
"The Thresunny ..." ist ein wenig konventionalistischer ausgefallen. Ich wäre beinahe geneigt, von einem "ruhigen" Album zu sprechen. Der Drumcomputer steht, abgesehen von wenigen Ausnahmen (etwa - gewohnt vertrackt programmiert - in "Destroying The Paradise Of Smiles"), auf "Off", die Harmonien bewegen sich sehr oft im gedämpften Moll-Bereich (und im Normalfall meiden R.V. ja allzu plakative Harmonisierung und greifen tendenziell eher auf wenig bekannte Kirchentonleitern zurück!), sogar die strapaziösen Frequenzbereichauslotungen werden außen vor gelassen, sprich: die Grenze zwischen Musik und Geräusch wird akzeptiert. Die alle Hirnwindungen durchfurchende Grundausrichtung des digitalen Krimskrams bleibt natürlich trotzdem erhalten, aber sich als Hörer zurückzulehnen und vierundzwanzig Minuten entspannen zu können ("The Threesunny Light Power"), diese Möglichkeit hatte ich in Bezug auf Roz Vitalis eigentlich nicht im Programm. Sogar "Astral Mule", das sich der Harmonien von Deep Purples "Mule" bedient, zeigt sich von Anfang an bekömmlich. Gewohnt schrägschön wird aber weiterhin der Gesang von Lady Nadezhda Regentova in den Kopf gebeamt und spätestens die Techno-Synthies in "Destroying ..." machen aus "The Thresunny ..." wieder den rozvitalischen Hermaphroditen aus Anziehung und Abstoßung.
Roz Vitalis funktionieren primär nicht stilübergreifend, sondern stilkreierend. Das ist weder einfach gut noch einfach schlecht und bedarf zuallererst der Aufmerksamkeit und Offenheit des Hörenden, denn Roz Vitalis knüpfen an musikalische Konventionen an, um über sie hinauszugehen. Direkt Vergleichbares fällt mir partout nicht ein, könnte aber ähnlich ausgeformt in der elektronischen E-Musik des mittleren zwanzigsten Jahrhunderts zu finden sein.
Alle weiteren Erörterungen bleiben dem Hörer überlassen, denn welchen Wirkungsbereich dieser Roz Vitalis zugesteht, muss gerade bei einem derart arelationalen Resultat ganz im Subjektiven verhangen bleiben.
Kontakt: www.realmusic.ru/roz_vitalis oder unalargapasion.freeyellow.com/r-vitalis.htm

Tracklist:
"Lazarus":
1. Nepsis (Pulvis Version)
2. Light Of The Ice (Dead Can Rise 1)
3. Sakura In Bloom
4. Transspace Express
5. Thomas's Doubts And Assurance (Dead Can Rise 2)
6. Dream Cave
7. Leopard Hunt
8. Becoming The Poor-In-Spirit (Dead Can Rise 3)
"The Threesunny Light Power":
1. The Threesunny Light Power
2. Astral Mule
3. Destroying The Paradise Of Smiles
 




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