www.Crossover-agm.de RIOT: Narita
von rls

RIOT: Narita   (Metal Blade Records)

Nach dem Release des Debütalbums "Rock City" schien für Riot eine Zeitlang alles gut zu laufen und die Richtung im wesentlichen nach oben zu gehen. Zwar verließ Zweitgitarrist L.A. Kouvaris die Band, doch Chefdenker/Hauptgitarrist Mark Reale beförderte kurzerhand den Gitarrenroadie Rick Ventura zum neuen Mann an seiner Seite, und so konnte man fleißig touren und kam zudem beim Major Capitol Records unter. Auch die Japaner wurden auf die hoffnungsvolle Band von der US-Ostküste aufmerksam, und diese Verbindung schlägt sich auf dem 1979er Zweitling "Narita" in zwei Komponenten nieder. Zum einen finden sich in der Thankslist zwei Rubriken, nämlich "In the west" und "In the east", und auch letztgenannte ist bereits gut gefüllt, sowohl mit Menschen als auch mit Firmen, die Riot im Land der aufgehenden Sonne offenbar bei ihren ersten Schritten der regionalen Szeneerschließung geholfen haben. Zum anderen bedankte sich die Band aber auch musikalisch, indem sie das Album nach dem Flughafen von Tokio benannte und auch einen Titeltrack verfaßte - ein Instrumentalstück und zugleich auch noch in anderer Weise der herausragendste Track der Scheibe. Wir erinnern uns: Auf "Rock City" hatten Riot mit dem Song "Warrior" mal eben den melodischen Speed Metal erfunden - auf "Narita" schoben sie einen weiteren Song dieser Stilistik nach, nämlich ebenjenes Titelstück, das gerade durch den Verzicht auf den Gesang das Können der Gitarristen noch stärker in den Vordergrund stellt, ihnen damit eine Verantwortung auferlegend, der sich Reale und Ventura allerdings problemlos gewachsen erweisen.
Freilich bleibt dieser Song abermals singulär auf der Scheibe. Zwar hatte Reale die Siebziger-Rock-Elemente generell etwas zurückgefahren und die Härte ein wenig angehoben, auch die Gitarrenkünste allgemein noch etwas stärker betont, aber insgesamt bleibt auch diese Scheibe noch stark dem Jahrzehnt verhaftet, an dessen Ende, nämlich 1979, sie erschien. Partiell griff man sogar noch weiter in die Vergangenheit zurück: Track 4 ist eine Coverversion des Steppenwolf-Oldies "Born To Be Wild", zwar gegenüber dem Original deutlich gehärtet, aber gerade dadurch, daß sie unmittelbar vor dem Titelstück steht, noch einen Tick anachronistischer wirkend, als sie eigentlich ist. Zu allem Überfluß wurde sie auch noch als Single ausgekoppelt, auf der B-Seite das gleichfalls auf dem Album enthaltene "White Rock", auch keine der vorwärtsstrebenden Nummern, sondern solider Hardrock mit Siebziger-Prägung, aber eben nicht mehr. Möglicherweise wollten Capitol auf Nummer sicher gehen, aber gerade dadurch behinderten sie in der rückwirkenden Betrachtung die Potentialentfaltung Riots maßgeblich, was kein Vorwurf sein soll: Anhand "Warrior" und dem "Narita"-Titeltrack wissen wir heute um die Pionierrolle Riots, aber die Avantgardisten hatten es schon seit jeher schwer, entsprechend Gehör zu finden. Aus fortschrittlicher Sicht geeignetere Auskopplungskandidaten hätte es durchaus gegeben, auch wenn man den Titeltrack wegen seines fehlenden Gesanges (der freilich durch eine äußerst einprägsame Gitarrenmelodie mehr als nur ersetzt wird) strukturell ausklammern will. Da wäre etwa gleich der Opener "Waiting For The Taking", der einzige der 10 Songs, an dem Ventura mitgeschrieben hat und der nur das strukturelle Problem aufweist, daß er nach dem ausgedehnten Solo einen spannungserzeugenden Tonartwechsel vornimmt, die Spannung aber mit einer simplen Ausblendung kurze Zeit später versandet und die Möglichkeiten, die sich aus diesem Moment ergeben, nicht nutzt. Auch "49er" oder der Closer "Road Racin'" schielen aus den 70ern schon hinüber in das, was man später als 80er-Metal bezeichnen sollte, während die anderen Nummern noch stärker in den 70ern verwurzelt sind, was freilich keine qualitative Minderung bedeutet, sondern lediglich ihr Fortschrittspotential auf ein niedrigeres Niveau legt. Aber auch diese Nummern machen eins deutlich: Reale hatte Freude am ausladenderen Musizieren gefunden. Dauerten die neun Songs von "Rock City" summiert nur 33 Minuten, so bringen es die zehn von "Narita" schon auf deren 44, und beachtet man die unterdurchschnittliche Länge von "Born To Be Wild", so kommt man für die neun Eigenkompositionen zu einem noch höheren Schnitt, was vor allem den Solospots ganz neue Möglichkeiten der Entfaltung bietet, ohne daß Reale aber der künstlichen Aufblähung geziehen werden müßte. Statt dessen finden wir mit "Hot For Love" noch ein anderes Kuriosum: Hier erfindet Reale nämlich nach dem Melodic Speed Metal noch einen anderen Stil - dasjenige, was in den Spätachtzigern despektierlich als Haarspray-Metal bezeichnet wurde, findet hier einen seiner Prototypen, auch textlich übrigens, dazu im langen Finale überdeutlich onomatopoetisch umgesetzt. Während die Erfindung des Melodic Speed Metal mittlerweile in der metallischen Geschichtsschreibung angemessen gewürdigt wird, ist die, ähem, Vorreiterrolle von "Hot For Love" bisher eher unterbelichtet geblieben. So präsentiert sich "Narita" als weiterentwickelte Version des Debütalbums, wobei die Weiterentwicklung leider vor der Qualität des Coverartworks haltgemacht hat. Auch "Narita" ist in der Re-Release-Serie von Metal Blade (Pappschuber, Posterbooklet mit allen Songtexten und diversen historischen Fotos, aber ohne Liner Notes, auch keine Bonustracks) enthalten.
Kontakt: www.areyoureadytoriot.com, www.metalblade.de

Tracklist:
Waiting For The Taking
49er
Kick Down The Wall
Born To Be Wild
Narita
Here We Come Again
Do It Up
Hot For Love
White Rock
Road Racin'
 




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