www.Crossover-agm.de PUSHKING: Freddie
von rls

PUSHKING: Freddie   (Eigenproduktion)

Die bisherigen Alben von Pushking wiesen oftmals eine Klang- und Stilvielfalt auf, wie man sie im härter rockenden Bereich auch und besonders von Queen kannte, und auf dem "I Believe"-Album ist dieser Anklang besonders deutlich zutagegetreten, wenngleich direkte Stilparallelen noch eher selten blieben. Das hat sich auf "Freddie" logischerweise geändert: Es handelt sich um ein Musical über Farrokh Bulsara, der unter dem Künstlernamen Freddie Mercury als Frontmann von Queen eine Weltkarriere hinlegen sollte, wie es sie in dieser Form wohl kein zweites Mal gab und auch nie wieder geben wird. Die ersten Ideen zu einem solchen Projekt entwickelte Pushking-Bandkopf Konstantin "Kocha" Schustarjew schon anno 1997, als seine Band noch am Anfang stand und gerade erst ihr Debütalbum "V.I.P." herausgebracht hatte. Letztlich sollte aber noch eine Dekade vergehen, bis "Freddie" Gestalt annehmen und in Konservenform veröffentlicht werden konnte. Für ein abendfüllendes Musical erscheinen die 55 Minuten allerdings zu kurz, so daß man sich im Falle einer Bühnenaufführung noch etwas einfallen lassen muß, also beispielsweise eine Kopplung mit einem regulären Pushking-Gig, sozusagen als ihre eigene Vorband. Ob "Freddie" überhaupt schon einmal den Weg auf eine Bühne gefunden hat, ist dem Rezensenten allerdings nicht bekannt - freilich hat dieser Fakt auch keine zentrale Bedeutung, denn das Werk funktioniert auch problemlos in reiner auditiver Fassung. Und Schustarjew mußte sich auch nicht sonderlich verbiegen, um das Material zusammenzustellen, denn einige der Tracks würden auch problemlos auf einem normalen Pushking-Studioalbum stehen können, etwa Track 12 (es sind keine Tracknamen ausgewiesen) oder Track 13, der mit Mikhail Jzidkins Saxophon ein Element aufweist, das man beispielsweise auf "I Believe" auch schon hatte hören können. Und die Mezzosopranistin Galina Sidorenko, die auf "Freddie" den Schutzengel der Titelfigur spielt, war auf dem besagten Album auch schon dabeigewesen. Daß Schustarjew allerdings auch einige Songs komponiert hat, die dem Stil Queens aufs Haar gleichen, ist themenbezogen nur zu verständlich, und wenn May und Taylor diese hören würden, sie würden sicherlich zu grübeln beginnen, wann sie denn diese Songs geschrieben haben: Pianopassagen, Bombastrock, thetralische Stimme, ausgefeilte Backingvocals - alles da, was der Queen-Anhänger liebt. Nur die Stimmfärbung unterscheidet sich etwas: Schustarjew hat bekanntermaßen eine extrem wandlungsfähige Stimme, aber eine reinrassige Freddie-Kopie bekommt er dann doch nicht hin, er bleibt unterscheidbar. Aber was er auf diesem Album an Vielfalt leistet (alle männlichen Gesänge, ob Leads oder Backings, sind von ihm), das erfordert größte Hochachtung beim Hörer. Und Schustarjews Mitstreiter, von denen Drummer Andrei Kruglow schon seit Gründungszeiten zur Mannschaft gehört, laufen gleich ihrem Chef zu Höchstleistungen auf. Auch wenn die Orchesterinstrumente nur aus der Konserve Oleg Bondaletows kommen, wirkt der gelegentlich eingestreute Bombast nie künstlich, und das ganze Werk macht einen zutiefst logischen Eindruck, was die Musik betrifft. Die erzählte Geschichte allerdings mag die Agnostiker unter den Hörern eher verstören und die Hardliner in der christlichen Fraktion auch: Es geht um Freddies letzte Stunden, in denen er einen Rückblick auf Teile seiner Karriere wirft. Er muß erkennen, daß selbst er als Superstar ein Sterblicher geblieben ist, und währenddessen duellieren sich die Engel beider Parteien um seine Seele. Die himmlische Seite gewinnt allerdings, da sich der Protagonist auf dem Sterbebett ihr zuwendet. Der verstörende Fakt für die christlichen Hardliner besteht darin, daß Freddies bekannte Homosexualität in der Erlösungsfrage keinerlei Rolle spielt - eine eher unangenehme Überraschung für die Schwarzweißdenker. Vermutungen einer Selbstzensur Schustarjews (bekanntermaßen gibt es in Rußland ein Gesetz, das die Propagierung homosexueller Handlungen unter Strafe stellt, und eine diesbezügliche Thematisierung könnte bei unliebsamen Personen daher durchaus gefährlich sein) gehen ins Leere, da "Freddie" bereits vor dem Erlaß dieses Gesetzes erschienen ist, und so spiegelt der Text die liberale Grundhaltung von Schustarjew und seinem Texter Alex Poljanski perfekt wider. Er läßt sich übrigens auch komplett im Booklet nachlesen, das die Handlung in Form eines Comics illustriert, und ist im Gegensatz zu etlichen der jüngeren Studioalben, die in Russisch eingesungen waren, wieder in Englisch gehalten, wie das bei den Frühwerken Pushkings auch schon der Fall gewesen war. "Freddie" fällt in struktureller Hinsicht natürlich etwas aus diesem Gesamtwerk heraus, paßt sich aber gleichzeitig auch gut ein, selbst wenn das Cover (ein wertiger Digipack mit partieller Lackierung) den Bandnamen gar nicht nennt - es soll also offensichtlich auch außerhalb des Bandkontextes funktionieren, und das tut es zweifellos auch. Zwei, drei Stellen sind es, an denen sich die Musik einen Tick zu schwerfällig entwickelt und man sich eine Straffung gewünscht hätte, ansonsten funktionieren die knapp 55 Minuten ohne Wenn und Aber und bieten Freunden des Genres Rock-Oper ein hervorragendes Hörerlebnis.
Kontakt: www.pushking.ru, www.pushking.eu, www.myspace.com/pushkingofficial



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver