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PERFECT: The Second Coming Of Rock'n'Roll
von rls

PERFECT: The Second Coming Of Rock'n'Roll   (Rachtaler)

Was diese vier Herren aus Rußland als die erste Erscheinung des Rock'n'Roll ansehen, findet nach Durchhören der ersten 44 Minuten der CD "The Second Coming Of Rock'n'Roll" eine Bestätigung der Theorie, die man bereits vorab beim Blick auf die Tracklist aufstellen konnte: Mötley Crüe - warum sollte man sonst in Minute 45 bis 48 noch deren "Public Enemy # 1" covern? Die Grundausrichtung der 11 Eigenkompositionen ist also klar - unklar freilich soll der Sound bleiben, und das gleich im doppelten Sinne. Einesteils schrammeln die Gitarren, vor allem die Rhythmusgitarren, nicht selten derart breitwandig und diffus durch die Botanik, daß man sich eher in den Gefilden von Kifferbands wie Monster Magnet wähnt, und andererseits erschließt sich nicht so richtig, ob das denn auch so gewollt war. Scheinbar war es das aber tatsächlich, denn Leadgitarrist Jonny Day, der auch einen Teil der Leadvocals übernimmt (für die anderen Teile sorgen Rhythmusgitarrist Glen Fire und Bassist Mr. Coyote) zeichnet auch als Produzent und Engineer verantwortlich. Das hieße dann, daß auch das seltsam sterile und mit zahllosen Effekten zugekleisterte Gesamtklangbild gewollt gewesen sein muß, und das nun wieder hört sich so an, als ob Mötley Crüe nach ihren Ausflügen in den Grunge nun auch noch welche in den Industrial Rock unternehmen würden. Um die Konfusion zu vollenden, liegen in dieser Mischung auch noch reinrassige altrockige Leadgitarren verborgen. Das Ergebnis ist dann wahlweise als interessant, innovativ oder restlos nervig zu bezeichnen, was auf den jeweiligen Hörerstandpunkt ankommt. Übergreifend kann man auf alle Fälle aber noch einen weiteren Einfluß feststellen: Guns'n'Roses standen für "God Save You All" relativ deutlich Pate, und um es damit nicht genug sein zu lassen, folgt mit "Fucking Gay" gleich noch ein Exempel, das nun wieder eher in die Grunge-Phase von Mötley Crüe gehören würde. Dieser Song ist auch von textlicher Seite her interessant, denn er offenbart die Janusköpfigkeit der Band: Der Text fragt (in eher holprigem Englisch), warum bestimmte Männer schwul sein müssen, wo es doch so viele hübsche Mädels gäbe - die Bookletfotos dagegen lassen das Quartett das Spiel mit der Androgynität auf eine hohe Stufe treiben (Netzhemdchen beim Bassisten, Leopardenunterwäsche beim Drummer, dazu eine gewisse Gestik ...). Ein Schelm, wer Arges dabei denkt ... Immerhin hat die Band auch Humor, wie "Snoring Girl" offenbart, das die Probleme schildert, die man(n) hat, wenn zur Abwechslung sich mal die Frau als intensiver Schnarcher herausstellt. Dieser Song kommt übrigens auch ohne modernen Schnickschnack aus und muß für konsequente Traditionalisten daher als Anspieltip herhalten. Das Englisch wird allerdings auch in all den anderen Texten nicht besser und auch thematisch kaum vielseitiger, von den Ausnahmen "Homeland" (über Heimatlosigkeit, auch musikalisch etwas abweichend und in den Strophen etwas an einen bekannten Melodic Rock-Klassiker erinnernd, der dem Rezensenten mal wieder partout nicht einfallen will) und "Human - Computers" (ein fortschrittskritischer Text, den auch maschinenstürmende Romantik-Punks hätten schreiben können) mal abgesehen. Das Hauptthema bleibt ein Drittel der klassischen Folge "Wein, Weib und Gesang", und da stecken die laut den Fotos noch recht jungen vier Musiker offenbar noch mitten in ihrer Sturm-und-Drang-Phase. Das hindert sie freilich nicht daran, mit "Kiss Me" eine Akustikballade zu schreiben, die irgendwie an eine Mixtur aus Guns'n'Roses und finstersten Achtziger-Pop-Backingvocals erinnert. Aus dem Achtziger-Pop haben die Musiker auch noch einen typischen Vocalverzerrersound herübergerettet (gleich im Opener "We Are The Stars" kommt er zum Einsatz), während diverse Boogieelemente noch das eine oder andere Jahr weiter zurückdatieren ("Big Boobs Boogie" trägt die Stilistik passenderweise gleich im Titel). So bleiben unterm Strich 48 relativ eigentümliche Minuten, die ihre Höhepunkte für Traditionalisten im erwähnten "Snoring Girl" und für Modernisten in der nicht sonderlich komplizierten, aber hübschen und weitreichend mit dem erwähnten Vocalverzerrer eingesungenen Halbballade "Endlessly" finden (der Höhepunkt im Solo von "Sex" ist, ähem, inhaltlicher Natur), die allerdings in bestimmten Lebenslagen und bei bestimmten Zielgruppen hochgradiges Nervpotential entfalten können, während andere die vier Russen möglicherweise auch aus musikalischen Gründen ins Herz schließen werden.
Kontakt: www.perfect-ru.com (zum Rezensionszeitpunkt allerdings nicht erreichbar)

Tracklist:
We Are The Stars
Especially For You
God Save You All
Fucking Gay
Big Boobs Boogie
Homeland
Kiss Me
Snoring Girl
Sex
Human - Computers
Endlessly
Public Enemy # 1



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