www.Crossover-agm.de NO CODE: Crimson
von ta

NO CODE: Crimson   (Eigenproduktion)

"Tuella", der Vorgänger von "Crimson" ist mir gut in Erinnerung geblieben, weil der progressive Rock von NoCode schon damals seine Anstrengungen mit sich brachte - und was einem Mühe bereitet, bleibt bekanntermaßen ein Erinnerungsdatum mit erstaunlicher Halbwertszeit. Mit "Crimson" haben NoCode nochmal in vielerlei Hinsicht ein paar Briketts nachgelegt: Es handelt sich erstmals um eine CD mit Full Length-kompatibler Spieldauer, nämlich zweiundfünfzig Minuten aka 10 Lieder, produktionstechnisch wurde Wert auf mehr Übersichtlichkeit gelegt, so dass alle Instrumente in einem angemessenen Lautstärkeverhältnis zueinander und zum Gesang von Johanneke Kranendonk stehen, gleiches (Übersichtlichkeitserhöhung) trifft auch anstandslos auf die Musik zu. Vom NoCode-Sound wurden ein paar chaosträchtige Elemente subtrahiert und das Resultat dieser Beschneidung besticht anno 2004 durch den beeindruckenden Zusammenklang aller vier Beteiligten, die für ihre 17 bis 21 Jahre nicht nur ziemlich "seriös" und "fortgeschritten" klingen, sondern sich auch technisch so leicht nichts vormachen lassen müssen.
Nicht unbedingt eingängiger, aber eine gute Portion zugänglicher ist das niederländische Quartett geworden, denn die Autonomie des Einzelmusikers ordnet sich ein wenig mehr dem Gesamtziel "Song" unter, obwohl weiterhin hemmungslos das Wuchern in ganz verschiedenen Metiers kultiviert wird. So formiert sich "Crimson" aus Spielarten wie Hardrock (permanent, in einer freilich ganz unorthodoxen Art und Weise), Ambient, Jazz (heute gemildert), Elektronik (heute erhöht) und vermutlich noch ganz vielen anderen. Wiederholungen werden gemieden, Melodien und Riffs unterschreiten prinzipiell nicht einen gewissen Komplexitätsgrad, das Effektpedal glüht (tolle, experimentelle Gitarrenarbeit!), rhythmische Verschachtelungen besorgen ihren Teil (tolle, vielfältige Rhythmusabteilung!), um des Hörers Spannung aufrechtzuerhalten. Das gelingt gut, ist freilich strapaziös, weil immer noch relativ sperrig. Bis man sich in wohlstrukturierten, aus vielen ineinanderfließenden Einzelteilen akkurat zusammengefügten, aber in ganz fernen Sphären schwebenden blauen Feuerflämmchen wie "Firemen And Their Horses" oder "Twirling, Twirling" (mit einigen wirklich hohen Gesangsparts) zurechtfindet, braucht es schon seine Zeit. NoCode sind gleichzeitig soft, weil etwas fragil anmutend - wozu besonders das bezaubernde bis beunruhigende Fräulein Kranendonk mit ihrem oftmals sehr zurückhaltenden, wenngleich emotionalen Gesang ihren Teil beiträgt - und hart, weil anstrengend. Hier gibt es auch keinen besten Song, hier hat jedes Stück Musik sein eigenes Gesicht, steht ganz für sich auf dem Album und ich werde mich hüten, zehn Einzelbesprechungen abzuliefern. En bloc betrachtet fällt - ganz objektiv - eine hohe dynamische Bandbreite auf, allerdings täten ein paar mehr Explosionen, wie sie etwa den am Ende richtiggehend exzessiven Track "Hiss" kleiden, dem reservierten Gesamtbild willkommenermaßen etwas Abbruch und sei es nur, um es dem Hörer etwas einfacher zu machen (was zugegebenermaßen kein zwingender und ernsthafter Anreiz ist). Immerhin: Mit seinem eingängigen Leitriffing stellt der heavy Opener "Hunger" einen guten Anknüpfungspunkt zum Erschließen dieses musikalischen Sommergewitters dar und in die zahlreichen ruhigen Momente kann man sich manchmal wunderbar hineinlegen, sofern man die entsprechende Tagesform erwischt hat.
Wer "Crimson" hört, hört "Crimson" (hoffentlich) durch und ist hinterher glücklich, dass er es getan hat. Damit die Idee, "Crimson" überhaupt einzulegen, aber entsteht, braucht es m. E. noch eine Handvoll anziehende Momente, auf die man sich im Voraus freut. Gerade die etwas angestrengt wirkenden Gesangsmelodien sind seit "Tuella" nicht unbedingt einfacher geworden, bleiben dadurch selten lange im Ohr sitzen. Da ist man von den jazzig dahingesungenen Tönen, die das verblueste, vollkommen lockere, überaus coole "Poisonous Smile" ausmachen, ganz überrascht, positiv natürlich. Und "Innuendo" wartet auch mit einer vorantreibenden Gesangslinie auf, während man in anderen Songs, etwa schon in "Hunger", den Eindruck hat, der Cantus habe eher eine das Stück bremsende Wirkung (... was nicht ad hoc qualitätsmindernd, aber sicher möglichkeitenmindernd ist).
Für die textliche Grundlage spielten einmal mehr zwischenmenschliche Beziehungen der nichtplatonischen Art eine wesentliche Rolle, das verbale Pendel der Sängerin schwingt zwischen den Polen Anflehen, Anklagen und Auslachen, aber zu genaueren Kommentierungen wäre etwas mehr gesicherte Textkenntnis seitens des Rezensenten nötig als jene, die aus genauem Hinhören und den Textauszügen des Booklets resultiert.
"Crimson" ist ein Album, auf dem viel passiert, das allerdings nicht von selbst auf den Hörer zugeht. Das macht die Sache, möglicherweise unnötig, kompliziert, erhöht aber die bereits zu Anfang erwähnte Halbwertszeit. Aber Verlust auf der einen ist ja meistens Gewinn auf der anderen Seite. Sehr gut, wirklich.
Kontaktmöglichkeiten: Johanneke Kranendonk, Banckertstraat 28, 4371 BR Kouderkerke, Niederlande oder www.nocodemusic.nl

Tracklist:
1. Hunger
2. Hiss
3. Firemen And Their Horses
4. Ice Floe
5. Dream Waver
6. Twirling, Twirling
7. Poisonous Smile
8. Innuendo
9. Sparkle
10. Spawn
 




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