www.Crossover-agm.de MILITIA: Released
von rls

MILITIA: Released   (Forged In Fire/Metaleros Records)

Militias "The Sybling"-EP zählte lange Zeit zu den am höchsten dotierten Raritäten im Metalbereich, was zunächst erstmal in ihrer Seltenheit begründet liegt: Ganze 100 Exemplare wurden von dem Dreitracker hergestellt, und wenn von diesen heute tatsächlich irgendwo noch eines verkauft wird, sind vierstellige Summen harter Währungen die Regel beim Preis. Freilich stellt sich in so einem Fall immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und, für fanatische Sammler natürlich zweitrangig, auch diejenige nach dem musikalischen Wert. Zumindest im letztgenannten Falle kann Entwarnung gegeben werden: Wenn man auf verzwickten Power/Speed Metal steht, wie ihn außer Militia auch noch manch andere Band im Texas der 1980er Jahre spielte, ist die Gefahr, daß man mit "The Sybling" nicht nur eine Rarität, sondern auch einen musikalischen Rohrkrepierer kauft, denkbar gering. Nun hat allerdings nicht jeder die betreffende Summe für den Erwerb in der Portokasse (abgesehen davon, daß von den 100 sowieso nur alle Jubeljahre mal eine angeboten wird), und so war es nicht verwunderlich, daß irgendwann mal die Stunde der Wiederveröffentlichung schlagen würde. Zunächst preßten Bootlegger die EP im originalen Zustand, also mit drei Songs, nach, bis sich die Band schließlich selber dahinterklemmte. Im Buch "US Metal Vol. 2", erschienen 1997, war nachzulesen, daß man sich ernsthaft Gedanken über eine Nachpressung mache, aber letztlich dauerte es dann doch noch elf Jahre bis zum Release von "Released", das in seiner CD-Version die untenstehende Tracklist beinhaltet, während der wiederum drei Jahre später unter dem Titel "The Second Coming" und in remasterter Version erschienenen Vinylvariante die beiden Livetracks fehlen, die allerdings soundqualitativ sowieso eher grenzwertig sind, so daß es kein Problem ist, wenn man sich beim Hören auf die beiden Studiofassungen beschränkt, die ja im regulären Teil zu hören sind. Die CD ist dabei chronologisch geordnet, die LP nicht; wir wollen uns in dieser Betrachtung auf die CD beschränken. Die beginnt mit den drei Tracks vom "Regiments Of Death"-Demo aus dem Jahre 1985, die schon ein eindrucksvolles Zeugnis davon ablegen, was dieses Quartett damals konnte. Sonderlich eingängig ist das Material nicht, aber das war man von vielen Texas-Bands gewöhnt, und Komplexitätsgrade wie etwa die Telefonbuchvertoner Watchtower erreichten Militia über weite Strecken nicht. Mit Mike Soliz hatten sie allerdings einen erstklassigen Sänger, der stimmlich gerne mal am allerhöchsten Limit agierte und manchem Hörer Zahnschmerzen verursacht haben wird, während ihn andere gerade für diese Spitzen geliebt haben werden (hier sind freilich die beiden Liveversionen ein schöner Test für den Hörer, ob er das aushält). Auch die drei Instrumentalisten waren ausgezeichnete Techniker, wobei naturgemäß Gitarrist Tony Smith noch einmal hervorgehoben werden muß, der eine erstklassige Leistung brachte, aber nach dem Ende der kurzlebigen Bandgeschichte, die er nicht mal bis zum Ende miterlebte, in der musikalischen Versenkung verschwand, während man den Namen von Mike Soliz zumindest hier und da auch später noch las. Daß Militia nicht nur powern konnten, sondern sich auch auf Spannungsaufbauten verstanden, zeigt der Titeltrack der "The Sybling"-EP mit seinem langen Intro, das den Hörer über den Fortgang lange Zeit im ungewissen läßt - letztlich entwickelt sich ein furioses Instrumentalstück, in dem sich die Instrumentalisten die Bälle mit einer Leichtigkeit zuspielen, als hätten sie jahrzehntelang nichts anderes gemacht. Der leicht veränderte Gitarrensound auf den drei EP-Tracks (die stammen von 1986 und stehen als nächste auf der CD), die zweifellos als Gipfel des Schaffens der Band zu betrachten sind (neben "The Sybling" hätten wir da noch die Speedgranate "Objective: Termination" und das ganz leicht angedüsterte "Salem Square"), könnte eventuell auch produktionstechnische Gründe haben und noch nicht als Vorbote für eine stilistische Änderung zu interpretieren sein, die dann mit den beiden Tracks des "No Submission"-Demos (ebenfalls 1986) eintrat, allerdings in einem Rahmen blieb, der auch den Altfans erlaubte, weiterhin der Combo ihr Ohr zu leihen, auch wenn die instrumentale Vertracktheit einem etwas einfacher nachvollziehbaren Songaufbau gewichen war und Hochgeschwindigkeitspassagen in "Talking To The Stone" komplett abwesend sind und in "No Submission" auch nur auf einen Teil des Hauptsolos beschränkt bleiben. Aber um mal einen Vergleich zu bringen: Die Nachbarn Helstar hätten beide Songs problemlos auf einen ihrer Longplayer übernehmen können, und das ist ja durchaus als gutes Zeichen zu interpretieren. Das Riff von "No Submission" gab's allerdings im Schaffen von Iron Maiden auch schon mal. Die beiden Songs scheinen im Gegensatz zu den sechs Vorgängern übrigens "live im Studio" aufgenommen worden zu sein, denn wenn der neue Gitarrist Philip Patterson, der Tony Smith ersetzt hatte, soliert, liegt keine Rhythmusgitarre unter seinen Leads, was eine Brücke zu den beiden Liveversionen und auch zum soundlich überraschend guten Proberaummitschnitt "Onslaught" (noch so ein Song mit fast hektisch wirkenden, hin und her fliegenden Drums) schlägt. Dazwischen steht allerdings noch "Thrash To Destroy", ein vom Unterbau her schon 1984 aufgenommener Song, der 2008 mit Leads, einer weiteren Rhythmusgitarrenspur und Gesang komplettiert wurde; er bleibt stilistisch natürlich im ganz alten Stil, auch wenn Soliz' Gesang die extremen Höhen 24 Jahre später doch eher meidet, allerdings immer noch überzeugen kann. So liegt mit "Released" eine hochgradig interessante Werkschau vor, die man sich als Anhänger der beschriebenen Stilistik bedenkenlos in die Sammlung stellen und für das gegenüber der Originalpressung gesparte Geld noch viele andere schöne Alben kaufen kann.
Kontakt: www.metaleros.de, www.myspace.com/militiatexas

Tracklist:
1. Metal Axe
2. Search For Steel
3. Regiments Of Death
4. Objective: Termination
5. Salem Square
6. The Sybling
7. Talking To The Stone
8. No Submission
9. Thrash To Destroy
10. Onslaught
11. Objective: Termination (live)
12. Regiments of Death (live)
 




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