www.Crossover-agm.de MP: mp
von rls

MP: mp    (Noiseworks Records)

Das sind nicht die Metaller MP, die in den Spätachtzigern drei Studioplatten und irgendwann später mal noch 'ne Livescheibe herausbrachten, die es seit geraumer Zeit auch auf CD gibt (zumindest einige davon). Nein, diese MP kommen aus Chemnitz und heißen ausgeschrieben, wenn man der kleinen Aktennotiz, die ich als Information zur Scheibe bekam, glaubt, Mooch Philister (könnte das ein Tippfehler sein und Moloch Philister geheißen haben sollen?).
Vorliegender Zwölftracker ist bereits das zweite Album der Band, die früher mal voluminöser besetzt war, mittlerweile aber nur noch Duostärke aufweist. Vielleicht waren den Ex-Mitgliedern die Songideen zu verrückt, denn das, was einem hier entgegenschallt, ist wahrlich nicht leicht verdaulich. "Logik und Gefühl" paßt angesichts des wiedererkennbaren Gitarrenthemas noch in die Schublade "avantgardistischer Pop", aber das monoton-abgedrehte "Schweine" beispielsweise entzieht sich jeglichem Kategorisierungsversuch. Eine Hi-Hat legt einen gleichförmigen Beckenrhythmus hin, das E-Gitarrenriff wird erst zum Songende hin ein wenig variiert, einen Baß oder eine Snaretrommel gibt es nicht, der verzerrte Gesang wettert gegen Tiertransporte quer durch Europa, und in den Samples darf finsteres Schweinegrunzen natürlich nicht fehlen. Das folgende "Schnorcheln an Dänemarks Küste" weist wieder in eine komplett andere Richtung, ist reines Easy Listening für relaxte Momente am Strand. MP scheren sich prinzipiell einen Dreck um Eingängigkeit, Melodien oder Stile, sie klauben zusammen, was sie zu benötigen vermuten, und löten daraus ihre Songs zusammen. Als Lötzinn fungieren dabei die Lyrics - weniger inhaltlich, vielmehr aber in ihrer verschrobenen, verwinkelten Poetik, die den Hörer ein ums andere Mal vor Abgründe führt, aber kurz vor denselben abbiegt, nur um gleich darauf geistige Felswände nach oben zu klimmen und sich mittels dreifacher Winkelzüge am nächsten Abgrund vorbeizumanövrieren. Einige Passagen erinnern in ihrer konsequenten Anarchie an Helge Schneider, andere beinhalten kafkaeske Elemente, und schließlich schwingen sich MP gar zu einem ganz simplen Romantiktrip auf: "Wenn wir / am Ende eines mühevollen Tages / zur Ruhe kommen / und wir betten uns / in feine Daunenkissen / lehnen uns an, schauen zurück / Wissen nicht, was morgen ist. / Das Herz schlägt unentwegt. / Bis auch jenes irgendwann / seine Ruhe findet, / und der Kopf sagt: "schade". / Sich recken und strecken, / verweilen die Gedanken, zerteilen. / Warten auf den Schlaf." Bevor jetzt aber jemand auf die Idee kommt, die Chemnitzer hätten diesen Text für eine harmonisch-kuschlige Ballade gebraucht, sei noch gesagt, daß "Warten auf den Schlaf" selbstredend genauso uneingängig-avantgardistisch ist wie die meisten der anderen Kompositionen. Hier und da schimmert übrigens der eine oder andere Einfluß von Sonic Youth durch. Im Gegensatz zu entfernten Artverwandten wie Krankheit der Jugend punkten MP aufgrund ihrer Fähigkeit, auf einschläfernde Soundcollagen zugunsten von stringenteren Arrangements zu verzichten, in höheren Regionen. Freiwillig anhören werde ich die CD in Zukunft allerdings nur sehr selten, aber interessant ist das Gebotene allemal. Interessenten nehmen Kontakt mit Noiseworks Records, PF 310, 09028 Chemnitz, noiseworks@aol.com, www.noiseworks-records.de, auf.




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