www.Crossover-agm.de LIONS SHARE: Entrance
von rls

LIONS SHARE: Entrance   (Massacre Records)

Hätte sich der "Einfallsreichtum" der Covergestaltung auch auf den musikalischen Sektor ausgewirkt, könnten wir mit "Entrance" eine Perle der musikalischen Hohlraumkonservierung diagnostizieren, die jeder Zehnjährige mit Grundkenntnissen im jeweiligen Fach mühelos reproduzieren könnte. Vielleicht sieht die Endversion ja auch besser aus als die Promo. Jedenfalls wär's schade, würde die CD in den Läden verstauben, weil niemand hinter diesem bläulich illuminierten und nicht mal stimmungsvollen Schädel gutklassigen schwedischen Power Metal der melodischen Sorte vermutet. "Entrance" ist bereits die vierte Scheibe der Jungs um Gitarrist/Chefdenker Lars Chriss (die "Perspective"-Compilation mal nicht mitgezählt), allerdings die erste, die mir zu Ohren kommt (vorher machte sich in meiner Anlage lediglich mal "The Day The Earth Caught Fire" breit, ein Cover irgendeiner uralten Band, The Kinks, wenn ich mich recht erinnere). Groß angelegte Vergleiche des neuen Sängers Tony Niva zu seinem Vorgänger Andy Englund kann ich also nicht ziehen. Letztgenannter bekam allerdings von einigen Rezensentenkollegen den Stempel "Erinnert an Tony Martin" aufgedrückt, was mit Tony Niva definitiv der Vergangenheit angehört. Dafür schleppt der wieder andere Parallelen in seinen Stimmbändern durch die schwedische Botanik, wovon eine auf den Namen Bruce Dickinson hört. Ein Originalitätsfaktor ist der Neue also keineswegs, aber dafür singt er technisch sauber, bisweilen auch ausdrucksstark und ohne irgendwelche Nervfaktoren. Ähnliche Attribute kann man im Prinzip auch der kompletten Restband anhängen. Entscheidende Akzente, die aus guten Songs echte Highlights machen, setzt nicht mal Keyboarder Mats Olausson (ja, genau, der aus dem Gefolge von Yngwie Malmsteen), obwohl Ideen wie die Orgel im Leadbreak von "Believe", die Rainbow-artigen Sequenzen im Intro von "War Machine" oder die warmen Moogs (falls das welche sind) im Hintergrund von "Mystery" alles andere als von schlechten Eltern sind. Besagtes "Believe" stellt so etwas wie den Zentralpunkt von "Entrance" dar, nicht nur spielzeittechnisch, sondern auch aufgrund seines etwas komplexeren Aufbaus, der zwar den ringsumher zu spürenden Drang nach geradliniger Artikulationsweise nicht negiert, aber mit seiner Kombination aus einem orchestralen Intro, halbballadesken Passagen mit dominant-warmem Baß, einem losmarschierenden Refrain und genanntem Leadbreak doch eines der wenigen absoluten Glanzlichter zu setzen weiß. Überhaupt haben Lions Share scheinbar den Löwenanteil der Kompositionszeit darauf verwendet, die Refrains auszufeilen, denn zu diesen führen viele Songs geradewegs hin, um sie den Song krönen zu lassen, was manchmal gelingt, manchmal jedoch auch etwas im Sande verläuft. Phasenweise fühlte sich mein Chef übrigens an Michael Schenker erinnert, was in stilistischer Hinsicht gar nicht mal so weit von der Wahrheit entfernt liegt, obwohl "On And On" kein MSG-Cover darstellt (hat eigentlich seit Memento Moris "Lost Horizons"-Version anno 1993 schon mal wieder jemand MSG gecovert?) und andere Teile des Materials deutlichere powermetallische Tendenzen durchscheinen lassen. Dagegen ist die neoklassische Attitüde, die viele Kollegen nicht nur aus Dreikronenland pflegen, bei Lions Share wenig bis gar nicht ausgeprägt, was dem Puristen je nach Einstellung wahlweise besser gefallen oder ihn aber zum Linksliegenlassen verleiten könnte. Für die Erteilung einer unbedingten Kaufempfehlung hören sich einfach zu viele Melodien, Passagen oder Riffs nach "schon mal irgendwo gehört" an, auch wenn sie keineswegs irgendwo billig abgekupfert wurden. Eine handwerklich sehr gute, solide zusammengestellte und ohne Ausfall über die Runde kommende CD können sich Lions Share letztlich auf jeden Fall gutschreiben lassen.
Kontakt: www.massacre-records.com



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