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ILLNATH: Second Skin Of Harlequin
von rls

ILLNATH: Second Skin Of Harlequin   (Deathlight Records)

Magazinsampler können ja manchmal eine wahre Fundgrube sein, wenn die Band bzw. das Label den "richtigen" Song draufgepackt hat. Mitunter genügt dann eine geniale Passage, um einen bestimmten Song zum Zünden zu bringen, es kann aber natürlich auch der komplette Song sein, der sich als akustischer Sprengstoff erweist und dafür sorgt, daß man ihn - und damit natürlich auch die zugehörige Band - nie wieder vergißt. So ging's mir beispielsweise anno 1999 mit Nightwishs "Stargazers" von deren Zweitling "Oceanborn", welcher eine langjährige Zuneigung zum Schaffen dieser Band eruierte. Ob eines fernen rückblickenden Tages auch Illnath mit einem Song ihres Zweitlings "Second Skin Of Harlequin" eine solche Beziehung initiieren konnten, muß selbstredend zur Beantwortung auf jenen Zeitpunkt verwiesen werden - allerdings stehen die Chancen nicht schlecht, denn "Pietà", das sich sowohl auf dem RockHard- als auch auf dem Legacy-Sampler gegen Jahresanfang 2007 fand, besitzt zweifellos Ambitionen auf das Prädikat "Song des Jahres". Das liegt nicht zuletzt an der Leadgitarrenlinie zwischen 0:04 und 0:24, deren sehnsuchtsvoller Unterton den Hörer im ganz tiefen Emotionenspektrum packt und ihn quasi automatisch auf einen seiner Lieblingsplätze katapultieren möchte, egal welchen Anspruch er mit diesem Prädikat verbindet. Paradoxerweise gehört auch dieser Song ins düstere lyrische Spektrum des Albumkonzeptes, das mit religiösen wie theatralischen Elementen aus dieser Ecke spielt und damit eigentlich eine Art Kontrapunkt zum instrumentalen Geschehen abliefert, lediglich in den Gesangsausprägungen ein auf den ersten bis dritten Hör ebenbürtiges Gegenstück verpaßt bekommt, denn Vokalist Narrenschiff (wenn das für einen Dänen mal kein Pseudonym darstellt) äußert sich zu drei Vierteln in herbem Gekreisch, zu weiteren 20 Prozent in wildem Grunzen und zu den fehlenden fünf Prozent in Mischformen oder Abwandlungen dieser Stile, was bedutet, daß man hier keinerlei Cleangesang vorgesetzt bekommt. Das liest sich noch nicht weiter spannend - aber diese Instrumentalisten! Was die hier 38 Minuten lang heranzaubern, ist über 90 Prozent in der allerfeinsten Ecke anzusiedeln, hochgradigste Spielfreude paart sich mit einem feinen Händchen für die nötigen Kontraste zwecks Erzeugung, Aufrechterhaltung oder Lösung von Spannung. Die 10 Prozent markieren die wenigen Stellen, wo die Band zwar immer noch solide, aber nicht weiter weltbewegend agiert - das ist allerdings paradoxerweise gleich im Opener "And There Was Light" der Fall, denn der stellt zunächst zwei Minuten wenig aufregenden Düstermetal voran, bevor Gitarrist Pete zum ersten Solo ansetzt und damit das erwähnte Freudenfeuer zu erzeugen beginnt. Was der Mann im melodischen Bereich leistet, steht Ausnahmekönnern wie Bodomkind Alexi Laiho in nichts, aber auch gar nichts nach, und auch die Synthiefraktion in Gestalt eines Menschen pseudonymens Tyr paßt sich trotz deutlich geringerer Leadquote dem hohen Niveau locker an. Würde hier eine klassische Power Metal-Sirene am Mikro stehen, man hätte quasi das dänische Pendant zum Archontes-Geniestreich "The World Where Shadows Come To Life" vor sich; vergeßt alle Reviews, in denen was von Ähnlichkeiten zu Cradle Of Filth steht, denn die beschränken sich auf ein paar Anklänge in Narrenschiffs Gekreisch. Da ist der Archontes-Vergleich doch viel passender, denn das Intro von "Feathers Shall Fall" mit seinen perlenden Cembalosounds gibt's auf der genanten Archontes-Scheibe in gar nicht mal so unähnlicher Form, und wenn man schon eine Parallele zu Inselbands ziehen möchte, sollte man Skyclad heranziehen, denn das zentrale Riff in "She The Plague" hatte Steve Ramsey auf "The Wayward Sons Of Mother Earth" in verwandter Form schon mal untergebracht, was allerdings auch schon der einzige Querverweis in dieser Richtung bleiben soll. Ansonsten regiert musikalisch wie beschrieben eher der Italometal (Archontes gehören trotz ihrer russischen Herkunft bekanntlich ins Bombastspeedlager italienischer Prägung), und wer diesen prinzipiell mag, aber noch nie was mit den typischen Sängern anfangen konnte, sollte "Second Skin Of Harlequin" unbedingt antesten, wohingegen der gemeine Black Metal-Anhänger schon ein gerüttelt Maß über Dimmu Borgir hinausdenken können muß, um an Illnath Gefallen zu finden. Aber wenn er dazu nicht in der Lage ist, bleibt das sein Problem und macht diese leider mit 38 Minuten nicht gerade überfüllte und wegen Problemen mit dem alten Label arg verspätet erschienene Platte natürlich keinen Deut schlechter. Ein mehr als gelungener Startschuß für das in Spanien beheimatete neue Label Deathlight Records, der nur die Frage im Hirn des Hörers hinterläßt, wie diese Platte denn geklungen hätte, wenn ein Mann wie Andrei Archont sie eingesungen hätte ...
Kontakt: www.illnath.dk, www.deathlight-records.com

Tracklist:
And There Was Light
Virgin Soil
Pietà
Sought By The Fallen One
She The Plague
Feathers Shall Fall
Clockwork Of Time
Book Of Sand
 




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