www.Crossover-agm.de ILLEGAL ALIENS: International Telephone
von rls

ILLEGAL ALIENS: International Telephone   (Duck Dive Music)

Nicht alles, wo T.M. Stevens mitspielt, gerät zur crazy-funky Session. Nein, er kann's auch anders - noch abgedrehter und doch eingängig zugleich. Ein Widerspruch? Nicht, wenn man sich "International Telephone" zu Gemüte geführt hat, auf dem sich Herr Stevens mit einem gewissen Fabio Trentini die Bassparts teilt und sich perfekt in das drumherum musizierende Team einfügt. Selbiges erzeugt nämlich die besagte Kombination: abgedrehten Jazzrock fabrizieren die Herren an Bass, Drums, Tasten und Gitarre besonders in der ersten Albumhälfte, während die Dame am Frontmikro nachvollziehbare Melodien, manchmal gar hängenbleibende Refrains beisteuert und damit für eine gewisse poppige Komponente im Soundrahmen sorgt. Übrigens muß man dreimal hinhören, um das Geschlecht der Person (mit dem Pseudonym Artemis), die da ins Mikro singt, haucht, schreit oder flüstert, zu identifizieren - viele Passagen könnte auch ein heiserer Kollege der männlichen Fraktion erzeugt haben oder eine erkältete Janis Joplin, wobei Artemis allerdings weniger reibeisenartig röhrt, sondern nur so singt, als ob sie dabei nicht richtig Luft bekommen würde. Mit ihrer Stimmvielfalt ersetzt sie aber locker einen kompletten Frauenchor, und ihr Beitrag zu den Werken der Illegal Aliens ist es denn auch, der mich ihre CD der von Marco Minnemann vorziehen läßt. Minnemann ist nämlich auch hier bei den Aliens an Bord und für die komplette Kompost-, äh, Kompositionsabteilung zuständig. Und wer die angesprochene Soloplatte kennt, der weiß, daß diese Musik, ähem, anstrengend ist, partiell sehr anstrengend sogar. Da ist man über die Ruhepausen, die einem Artemis bei den Aliens verschafft, richtig dankbar und kann sich dann mit größerer Energie in die umliegenden, fröhlich vor sich hinfrickelnden Passagen stürzen. Dabei entdeckt man, daß die Musiker tatsächlich zusammenspielen und nicht gegeneinander, es tun sich Harmoniekaskaden und blitzartige Einfälle auf, die man nicht einmal umrunden muß, da sie meist recht schnell wieder verschwunden sind. In der "Phase II: Light" des Albums (das vierte der Aliens übrigens) treten sie indes häufiger zutage als in der "Phase I: Zlick", obwohl letztgenannte das Prince-Cover "Ratrace" und das fast auf Indiepoppunkterritorium abdriftende "Insanity" enthält. Den halbwegs eingängigen Melodien zum Trotz kann man sich aber auch nach dem fünften Durchlauf an nicht allzuviel erinnern - nur bei jedem weiteren Durchlauf macht's dann immer wieder "klick", wenn man an bestimmten Stellen anlangt. Und das ist das Faszinierende an den Illegal Aliens: Ihr Wiedererkennungswert manifestiert sich fast ausschließlich über beschriebene Schiene und nicht über das Wiederkehren choralartiger und/oder mitgrölkompatibler Passagen. Man höre sich als Beispiel nur mal "Overloaded" an: Außer dem wild geshouteten Refrain bleibt kaum eine Melodie, kein Riff, keine Samplesequenz hängen - und trotzdem schillert hier bei jedem Mal ein Panoptikum, dessen Farben man diffus schon einmal wahrgenommen zu haben glaubt. Etwas monochromatischer, aber dafür auch spaciger wird die angeführte "Phase II: Light", in der dasselbe etwas deutlicher durch den Soundwald scheint, in "Keep Telling You" beispielsweise ein "Kashmir"-artiges Grundthema beleuchtend, bevor "B.O.S.S." nachhaltig klarmacht, wer auf dieser Platte derselbe ist: der Jazz, der Klangcluster, die Tonkaskade, der schnelle Lauf, der durchbreakte Beat - und die Artemis'sche Melodie. Ganz zum Schluß kommen einem dann sogar noch die legendären Eloy in den Sinn, eine Amsel flötet ihr ebenso schönes wie charakteristisches Lied, und nach mehreren Windungen und Wendungen der Musiker, die die Platte einfach nicht enden lassen wollen, kehrt schließlich doch Stille ein, die einen so gar nicht animiert, den Repeat-Knopf zu drücken, weil man erstmal bis obenhin voll ist. Also setzen lassen und später nochmal einwerfen. Es lohnt sich.
 




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