(DieHardMusic)

Reichlich plakativer Titel, zugegeben, aber generell ist der Begriff "Kokaiinum" ja erstmal als wertfrei zu interpretieren. Schließlich kaut in Kolumbien jeder zweite Indianer mehr oder weniger regelmäßig Kokablätter, wie in Österreich jeder zweite Ureinwohner literweise Red Bull verkippt. Von erstgenannten ist allerdings noch keiner am betreffenden Genußmittel gestorben. Ich habe selbst keine entsprechenden Erfahrungen, aber der Lyricauszug, den das Booklet freigibt, dürfte sowohl im Hinblick auf einen Ge- als auch auf einen Mißbrauch der genannten Droge interpretierbar sein. Generell sind im Booklet nur Fragmente der Lyrics zu lesen, mal solche der intelligenteren Sorte, mal solche der Marke "Ich muß möglichst allen Death Metal-Klischees entsprechen", womit das Artwork Hand in Hand geht. Mit dem Begriff "Death Metal" haben wir dann auch den musikalischen Stil der neun Songs perfekt umschrieben. Dabei fällt im Vergleich zur letztjährigen "Retro"-Coverplatte auf, daß die Dänen auf "Kokaiinum" doch ein Stück unoldschooliger zu Werke gehen (man erinnere sich: Sie coverten u.a. uraltes Zeug von Paradise Lost, Autopsy oder Death). Statt dessen gibt's bedeutend mehr Gitarrensoli (welche bisweilen gar Melodien enthalten), obwohl selbstredend das traditionelle Riffing stark im Vordergrund steht. Wenigstens passen Bo Summers Vocals diesmal durchgehend zum musikalischen Unterbau - der Gute wurde wohl mit technischen Mitteln extrem tiefergelegt und könnte leicht mit einem halb verstopften Staubsauger verwechselt werden, was kombiniert mit Vorlagen von Motörhead oder gar AC/DC seinerzeit für kein großes Wohlbefinden meinerseits sorgte. In einige Songs haben sich allerdings noch weitergehende soundtechnische Experimente geschlichen, so in "Forever Young 2001" (keine Ahnung, ob es davon schon eine Version 1993, 1995 oder 1997 gab), wo ein Effekt dafür sorgt, daß der Gesang einen Klang annimmt, wie man ihn aus Heinz Sielmanns Tierfilmen kennt - er pendelt zwischen dem Klappern von Störchen und den Paarungsrufen irgendwelcher Froschlurche. Rein musikalisch betrachtet stellt ebendieser Song das Highlight von "Kokaiinum" dar, obwohl oder gerade weil er stilistisch mit seiner midtempoorientierten, durchstrukturierten Ausrichtung etwas aus dem Rahmen fällt. Gar nicht erst mit dem Textschreiben hat man sich bei "Intellargent" aufgehalten, denn hier gibt Bo einfach nur irgendwelche Brüllaute von sich, so daß wir weder einen "richtigen" Text noch ein "richtiges" Instrumental vor uns haben. Der Song selbst geht aber als zweites Highlight durch. Der Begriff "Highlight" ist in bezug auf Illdisposed allerdings mit Bedacht zu wählen, denn man könnte vorschnell absolute deathmetallische Höchstleistungen mit ihm assoziieren, und obwohl die Dänen schon lange bei der Stange sind, so verblieben sie doch bisher eher in der zweiten Reihe, womit sich mit "Kokaiinum" nichts Wesentliches ändern dürfte, denn mittlerweile ist die Konkurrenz in diesem von den stilistischen Mitteln her recht limitierten Genre schon wieder rapide angewachsen. Gerade mit der unbekümmerten Frische vieler hauptsächlich schwedischer Nachwüchsler können Illdisposed nicht mithalten, haben eher einen anachronistischen Touch, was in diesem Falle nicht als Kompliment zu verstehen ist. Bis auf das erwähnte "Forever Young 2001", den Schluß von "Fear Bill Gates" und in Ansätzen "Intellargent" bleibt nichts im Gedächtnis hängen, nicht mal das wohl als Bandhymne gedachte "Illdisposed". Klar, das ist kein schlechter Death Metal, aber auch kein richtig guter und schon gar kein origineller (Exempel: die anfänglichen Harmoniefolgen des Rausschmeißers "Fear Bill Gates" gab's in Schweden schon öfter, und selbst der erwähnte schöne Instrumentalteil klingt verdächtig nach Dissection). 35 Minuten Spielzeit reichen in diesem Falle also locker aus. Wer bisher nur "Retro" kannte, sollte eh erstmal vorsichtig reinhören, Fans werden sich das Teil sowieso holen, überzeugte Moralisten dürften in jedem Falle die Finger von der Combo lassen, und alle anderen interessiert "Kokaiinum" wahrscheinlich eh nicht.
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