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von ta

HOKUM: Pi   (Eigenproduktion)

Einen Quantensprung hat das ohnehin schon gute Schwermetallquartett Hokum aus München mit seinem ersten, 42minütigen Full Length-Album "Pi" hingelegt. Das geht schon bei einer augenfälligen Stilmodifikation los: Der Death Metal-Anteil der Musik ist rapide zurückgegangen. Es gibt keine Blastbeats mehr, so gut wie keine Growls und so gut wie kein klassisches Todesbleiriff. Im Gegenzug tritt die thrashige Seite der Band mit "Pi" enorm in den Vordergrund. Sänger und Rhythmusgitarrist Benjamin Geppert klingt, wenn er singt, über weite Strecken wie Max Cavalera zu Sepulturas Thrash-Hochzeit ("Beneath The Remains") und im Riffing verstecken sich einige Ideen, die Bay Area und Megadeth atmen.
Soweit, so gut. Hokum toben sich aber keineswegs einfach nur auf einer traditionellen Spielwiese aus. Neben dem Thrash- wurde nämlich gleichberechtigt der Prog-Faktor ausgebaut. Jeder Song überrascht mit gewitzten Rhythmus- und Tempowechseln, die von Neuzugang Nicolai Retzlaff am Schlagzeug versiert umgesetzt werden; jeder Song ist sehr instrumentallastig, so dass es nicht überrascht, dass der Abschluss- und Titeltrack "Pi" ein reines, achtminütiges Instrumental geworden ist; die Riffs, Licks und Soli sind höchst detailreich und vielfältig; und das saumäßig groovende, manchmal jazzige Bassspiel macht nicht mal vor Slap-Einlagen Halt ("Into The Wall", "How Long"). Wer jetzt an Atheist oder Cynic denkt, liegt nicht ganz falsch, aber auch bei dieser Referenz verhält es sich wie bei der Sepultura-Referenz. Es ist ein Element unter vielen, das einen daran denken lässt, aber das Gesamtpaket klingt dann doch ganz anders und nur schwer vergleichbar.
Ein gutes Melodieverständnis hatten Hokum - im Besonderen die Gitarrenabteilung - bereits auf "No Escape", und auch auf "Pi" gibt es etliche melodiöse und gut ausgearbeitete Soli zu hören, von denen einige der bemerkenswertesten im klug strukturierten, mehrteiligen Soloteil des vertrackten Openers "Collapsing Synapses" und gleich ein halbes Dutzend im völlig geilen "Pi" zu hören sind. Der Hammer des Albums ist jedoch relativ in der Mitte platziert, nennt sich "The Dawn Of Change" und lässt einen knapp acht Minuten ungläubig in die Luft starrend vor den Boxen sitzen. Vom räudigen, mit einfachen Groove-Riffs lospolternden Beginn bis zum vor Ideen überquellenden Prog-Ende ist das Stück angefüllt mit Überraschungen wie einem Akustikinterlude, einer Jazz-Einlage und einem hintergründig gesungenen, schwebenden Refrain (Höre ich da jemanden "Metalcore" schreien? Njet!). Und bei all dem wirkt nichts aufgesetzt und verkrampft, sondern eben so, wie es bei einer guten Prog-Platte wirkt: Einfach nur extrem spielfreudig. Natürlich müsste sich der gemeine Progger bei Hokum erst an die im Vergleich mit der Instrumentalabteilung relativ eindimensionalen Shouts gewöhnen, die - besonders wenn sie im Chor erklingen - das anspruchsvolle Instrumentalparcour rapide erden, einige gesprochene Passagen und den erwähnten gesungenen Refrain von "The Dawn Of Change" hin oder her. Aber Hokum bedienen eben viele Richtungen gleichzeitig und ich persönlich komme damit super klar.
Den letzten erwähnenswerten Quantensprung kann man in den Texten ausmachen. Die Gore-Einlagen von "No Escape" sind Vergangenheit und heuer wird über allerlei negative Gefühle getextet, wobei der Ausblick mit "The Key" durchaus positiv ausfällt.
Damit wäre das Wichtigste wohl gesagt, die lohnenswerte Detailerforschung von "Pi" sei dem Hörer vorbehalten. Inzwischen haben Hokum übrigens einen Ganzzeitsänger, von dessen Qualitäten man sich auf dem Youtube-Channel der Band überzeugen kann. Man darf also gespannt sein, wie das Gesangs-/Instrumental-Verhältnis auf dem nächsten Album ausfallen wird. Bis dahin ist "Pi" aber nicht nur eine gute Interimslösung, sondern ein hervorragendes, weitestgehend im Midtempo gehaltenes, intelligentes Prog Thrash-Album einer ungemein begabten Band und definitiv das Beste, was Hokum bis jetzt gemacht haben. Zu erwerben ist das gute Stück für 12 Ocken über die Homepage der Band.
Kontakt: www.hokum.de

Tracklist:
1. Collapsing Synapses
2. Live To Suffer
3. Into The Wall
4. Sloth
5. The Dawn Of Change
6. How Long
7. The Key
8. Pi



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