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GALLOWS POLE: We Wanna Come Home
von rls

GALLOWS POLE: We Wanna Come Home   (Karthago Records)

Die Österreicher Gallows Pole brachten bzw. bringen es fast auf Boston-ähnliche Intervalle zwischen ihren Alben. Datiert das Debütalbum "In Rock We Trust" aus der Periode 1981/82, so erschien erst 1988/89 der Nachfolger "We Wanna Come Home". 1998 kam "The Smile Of The Dolphins" heraus, und seit 2006 werkelt die Band an einem Album mit dem simplen Arbeitstitel "IV". Warum das alles immer so lange gedauert hat, verraten die Liner Notes in der Wiederveröffentlichung des äußerst raren und gesuchten Zweitlings "We Wanna Come Home", wenngleich man feststellen muß, daß außerhalb von Insiderkreisen der Bekanntheitsgrad von Gallows Pole schon immer als eher marginal einzustufen war und das auch nach wie vor ist. Zu Unrecht allerdings, wie das Songmaterial beweist, denn unter dem traditionellen Hardrock funkeln doch etliche Perlen, die eine nähere Beschäftigung als reizvoll erscheinen lassen, wenngleich selbstredend nicht jeder Song den test of time bestanden hat. Aber man braucht sich bloß mal das Eröffnungsriff von "Black Monday" anzuhören oder auch das Hauptriff, dann versteht man, warum solcherart Musik in positiver Weise als zeitlos zu bezeichnen ist. Und wären Gallows Pole mit diesem Album richtig groß geworden, dann würde ein angedüsterter Song wie eben "Black Monday" in der Musikgeschichtsschreibung als wegweisend für die frühen Werke eines gewissen Projektes namens Danzig gelten, und wer weiß, ob nicht Leif Edling irgendwann mal den Orgelpart im Mittelteil dieses Songs gehört hat und daraus die Idee zu "April Clouds" seiner zeitweiligen Nebenspielwiese Abstrakt Algebra eruierte. Der vielschichtige, an Position 4 stehende Track gehört zu den besten unter den hier insgesamt 15 vertretenen, aber auch die eher geradlinigen Hardrocktracks "When The Music Plays" und "We Wanna Come Home" haben gleich zu Beginn schon für ordentlich Stimmung gesorgt, und in dieser Grauzone zwischen straighterem Hardrock und einzelnen Anwandlungen, die spätere Generationen mit dem Terminus "progressiv" belegen sollten, bewegt sich generell das Schaffen der österreichischen Band, die sich für vorliegendes Album britische Verstärkung holte: Drummer Reinhard Schebiak hatte aus gesundheitlichen Gründen das Album nicht einspielen können (er starb letztlich 1989), und so holte die Truppe John Lingwood (in Manfred Mann's Earth Band aktiv, in deren Londoner Studio man die Platte auch eingezimmert hatte) dazu, der allerdings Sessionmitglied blieb, während der andere Neuzugang, nämlich Keyboarder Günther Steiner, dauerhaft im Bandgefüge verankert wurde und neben Bandkopf Alois Martin Binder (der für Gesang, Gitarre und die meisten Songwritinganteile verantwortlich zeichnet) das einzige "Altmitglied" in der 2006er Besetzung von Gallows Pole markiert. Binder spielt einen äußerst traditionellen Gitarrenstil, nur selten läßt er mal düstere Anklänge einfließen, und gesanglich artikuliert er sich in einer natürlichen halbhohen Stimme, die nur an manchen Stellen ein wenig "erzwungen" klingt. Ob es Zufall ist, daß sein Riffing manchmal ein wenig an dasjenige von Pat McManus (Mama's Boys) erinnert (höre beispielsweise "In All These Days"), kann hier nicht mit Bestimmtheit entschieden werden - fest steht aber, daß das neuntrackige Album schon alleine aufgrund von "Black Monday" den Kauf des mit dem Originalcover (programmatisches Motiv der zeitweilig im anglophonen Ausland stationierten Band: eine niedlich bunte voralpine Landschaft - die Alpen reichen ja bekanntlich bis vor die Tore Wiens) ausgestatteten Re-Releases (das Original wird man eh kaum noch auftreiben können) lohnt, der auch den einen oder anderen etwas durchschnittlicheren Song überstrahlt. Sechs Bonüsse sind beigefügt, von denen die ersten beiden einer der angloamerikanischen Schaffensphasen entsprungen sind, denn "Whiskey" und "Memories" wurden laut Booklet live in Los Angeles mitgeschnitten, wobei leider das Mitschnittsjahr verschwiegen wird (zumindest ist das Line-up bekannt - es musiziert das "klassische" Gallows Pole-Trio Binder, Novacek, Schebiak) und auch unklar bleibt, ob es sich um original auf dem Debütalbum befindliche oder um komplett unveröffentlichte Songs handelt; stilistisch fallen sie jedenfalls auch nicht aus dem gewohnten Rahmen. Dafür können die anderen vier Songs eindeutig zugeordnet werden: "The Other Side" und "Fighting The Storm" stehen im Original auf "The Smile Of The Dolphins" und führen die auf "Black Monday" angedeutete Marschrichtung fort, wenngleich nicht geradlinig in Richtung Düsterrock, sondern leicht abweichend, mit einem Touch gen The Mission oder auch Fields Of The Nephilim, was der Band (bis auf das zu sterile Drumming, was aber auch ein simples Soundproblem sein kann) gleichfals nicht schlecht zu Gesicht steht (hier zeigt Alois partiell noch eine andere Facette seiner Stimme, nämlich eine tiefer-voluminösere, wenngleich er natürlich von etwa Carl McCoy meilenweit entfernt bleibt). Mit "In Rock We Trust" können diese beiden Songs aber nicht mithalten, denn der Titeltrack des Debüts steht hier als weiterer Bonus zu Buche und entpuppt sich als neben "Black Monday" größter Treffer - ein extrem ausgewalzter Epic, dessen teilballadesker Charakter nur scheinbar im Widerspruch zum Titel steht, denn der zugehörige Chorus hat für die Entstehungszeit (man rekapituliere: wir sind in den Jahren 1981/82) schon ordentlich Power gebunkert, und auch die emotionalen Passagen wecken dergestaltige Ambitionen, daß man am liebsten mit einer schönen Frau im Arm träumend in der gewissen voralpinen Landschaft sitzen möchte. Knappe elf Minuten dauert dieser Dauersonnenuntergang, und man rekapituliere nochmals das Entstehungsjahr oder -jahrfünft, in dem überlange Epen eigentlich gerade fürchterlich unhip waren. Aber Gallows Pole scherten sich um Trends oder externe Erwartungen offenbar sowieso nie, sonst hätten sie wohl auch nicht "Sweet Lady" als letzten Bonus dazugepackt. Das soll ein Vorgeschmack aufs neue Album sein - es handelt sich allerdings um eine klangflächenhafte Komposition ohne Drums, die eher die Mission-/Fields-Linie auf weniger düstere Bahnen lenkt und mit dem gewohnten Hardrock eigentlich herzlich wenig zu tun hat. Wenn "Sweet Lady" repräsentativ für das neue Material ist, dann sollten die Altfans sehr vorsichtig herangehen, denn sie könnten bitter enttäuscht werden (mir fallen spontan nicht so die passenden Vergleiche ein, wie "Sweet Lady" klingt, vielleicht ein wenig düsterpsychedelisch wie alte Porcupine Tree, aber auch das ist nur als ganz grober Anhaltspunkt zu verstehen; die Monkey Cab-Ballade "Rain" grüßt zumindest instrumental auch ganz von ferne); wenn es aber nicht repräsentativ ist, dann stellt sich die Frage, warum man ausgerechnet diesen untypischen Song ausgewählt hat, wo doch die Liner Notes eher das Motto "back to the roots'" ausgeben. Die Zukunft wird es zeigen - bis dahin bleibt "We Wanna Come Home" aber definitiv kaufenswert, wenn man traditionellen Hardrock mit eigener Note mag und verschmerzen kann, daß nicht jeder Song ein Knaller geworden ist (und als Anhänger von Saracen muß man Gallows Pole allein schon aufgrund "In Rock We Trust" mögen).
Kontakt: Karthago Records, Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de, www.bgg-entertainment.com

Tracklist:
When The Music Plays
We Wanna Come Home
Coming Closer
Black Monday
Is It Love
Hands Off
In All These Days
I Still Believe In Love
Coming Home
Whiskey
Memories
The Other Side
Fighting The Storm
In Rock We Trust
Sweet Lady
 




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