www.Crossover-agm.de FRANCIS D.D. STRING & DIE LIEDER-TOUR: Albrecht Haushofer Hommage
von rls

FRANCIS D.D. STRING & DIE LIEDER-TOUR: Albrecht Haushofer Hommage   (Eigenproduktion)

Bereits jahrelang im Repertoire des Liedertour-Zirkels, gibt es das Projekt der Vertonung von zwölf ausgewählten der Moabiter Sonette Albrecht Haushofers nun auch auf Konserve zum Mitnachhausenehmen. Über das grundsätzliche Projekt kann der Interessierte im Livereview vom 20.7.2008 aus Chemnitz nachlesen, hier nur in Kurzform: Der Geograph und Schriftsteller Haushofer saß in Moabit ein und wurde dort 1945 ermordet; seine in der Zelle geschriebenen Gedichte wurden unter dem Titel "Moabiter Sonette" bereits 1946 veröffentlicht und ein erstaunlicher Erfolg (erstaunlich deswegen, weil die Entnazifizierung ja noch gar nicht richtig angefangen hatte). Im Studio fand sich neben dem Stammquintett allerdings auch noch eine Reihe illustrer Gäste ein und veredelt manchen der Songs noch um eine ganz spezifische Klangfarbe. Da hört man im Opener "Geräusche", dessen Intro noch fast eine Adaption von Anathemas "Dreaming: The Romance" erwarten lassen könnte, den typischen, fast gelangweilt wirkenden Rezitativgesang von Dirk Zöllner, während Volly Tanner in "Dem Ende zu" einige der Strophen in seiner typischen Mixtur aus Schnoddrigkeit und Engagement darbietet und die Arrangementfraktion nicht mal vor einem dreiköpfigen Damenchor im Hintergrund zurückschreckte - zu Recht übrigens, denn den hymnischen Charakter des Refrains unterstützt dieses Element sehr gut. Mit Manfred Maurenbrecher, Jörg Kokott oder Manuel Frühauf stößt man auf weitere geläufige Namen aus dem Liedertour-Dunstkreis. Aber auch die Stammband leistet viel, und man ist angenehm überrascht, wie stimmungsdienlich Frank Oberhofs Akkordeon eingesetzt wird, ohne jemals eine Andeutung von fuselgetränkten Seemannsliedern zuzulassen und statt dessen nur dann maritimes Feeling zu erzeugen, wenn Haushofer solche Themen behandelt. Ansonsten herrscht eine enorme Stilvielfalt, bisweilen auch innerhalb eines Songs, woran man sich bisweilen erst gewöhnen muß, etwa in "Zeit", wo lockere Boogieparts einen langsamen Mittelteil rahmen, aber irgendwie ein wenig angeklebt wirken. Mit steigender Anzahl der Hördurchläufe verliert sich allerdings der eine oder andere dieser Eindrücke, beginnt man die Arrangements der Kreativfraktion und das dahinterliegende Ideenpotential zu verstehen. Und da verzeiht man Francis D.D. String durchaus auch, wenn er "Kami" ein wenig zu stark an den Procul Harum-Klassiker "A Whiter Shade Of Pale" oder wiederum an dessen Bachsches Vorbild anlehnt. Leider kann die Studiofassung von "Traumgesicht" die immense Spannung der Livedarbietung von 2008 nicht reproduzieren, wobei kein rationaler Grund angebbar ist und sich alle, die damals nicht dabei waren (was ein paar Milliarden Menschen umfaßte), diesem Problem sowieso nicht stellen müssen, da ihnen die Vergleichsmöglichkeit fehlt. Ansonsten gibt es vom Tangorhythmus ("Wandlung") über Blues ("Wind vom Meer") bis zum fast als kernig zu bezeichnenden Rock ("Rattenzug") alles, was das Herz des modernen Liederfreundes begehrt. Die Lieder auf der CD entsprechen in der Reihenfolge nicht derjenigen der zugrundeliegenden Gedichte im Buch, wobei deren originales Ordnungsprinzip nachprüfe, wer das Buch im Schrank stehen hat. Einen roten Faden auf der CD jedenfalls erkennt der Außenstehende nicht - aber das macht auch nichts, denn die 37 Minuten funktionieren zweifellos auch als Sammlung von Einzelsongs (wobei von vornherein klar gewesen sein dürfte, daß der Ausblick "Wellenrufe" am Ende der CD stehen mußte, obwohl er kurioserweise im Buch die Nummer IV trägt), und man beginnt beim mehrmaligen Hören noch einige weitere Male Bauklötze zu staunen, wie stark ausgerechnet das Akkordeon die Nummern zusammenhält (wenngleich es nicht mal in jedem zum Einsatz kommt) und nicht etwa beispielsweise der Gesang. Spannende Sache und allen zu empfehlen, die mit dem üblichen Betroffenheitsliedermachergedudel ebenso wenig anfangen können wie mit dem gängigen Gutmenschenpoprock und die offen für innovative Konzepte und Entdeckungen im deutschsprachigen Liedschaffen sind. Anspieltips: "Die beiden Frösche" (hauptsächlich wegen des Textes) und "Rattenzug" (mit gleich hoher Bedeutung von Text und Musik).
Kontakt: www.liedertour.de

Tracklist:
Geräusche
Rattenzug
Dem Ende zu
Zeit
Die beiden Frösche
Untergang
Wandlung
Wind vom Meer
Schuld
Traumgesicht
Kami
Wellenrufe



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