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von rls

THE FLOWER KINGS: Adam & Eve   (InsideOut)

Diesmal wieder "nur" eine Einzel-CD und der längste Song, der Opener "Love Supreme", auch gerade mal 19:50 min lang - sollten die Flower Kings etwa "kommerziell" werden? Die tatsächliche ernsthafte Beantwortung dieser Scherzfrage eruiert allerdings, daß sich im Lager der Schweden gar nicht so viel geändert zu haben scheint (die konjunktivische Anwandlung erklärt sich aus der Tatsache, daß meine Kenntnis des Backkataloges nur eine ausschnittweise ist und beispielsweise das Transatlantic-Sideproject von Mainman Roine Stolt mit Neal Morse, Pete Trewavas und Mike Portnoy mit mehr Tonträgern in meiner Sammlung vertreten ist als die eigentliche Stammband). Vergleicht man die Blumenkönige mit den Transatlantischen, fällt auf, daß letztgenannte deutlich frickeliger, auch etwas härter zu Werke gingen, was allerdings nicht bedeuten soll, daß nicht auch bei erstgenannten ab und zu mal die Instrumente vom Zaum gelassen würden und (für Progrockverhältnisse!) verhältnismäßig intensiv ins Mett gehauen würde. Und noch eine Tatsache wird deutlich: Roine Stolt hat einige Ideen von Transatlantic auch in seine Stammband verpflanzt - so hört man nach siebzehneinhalb Minuten im erwähnten Opener eine Einleitung zu einem Gitarrenbombastpart, die es in nahezu der gleichen Weise auch bei Transatlantic (wenngleich dort mit anderer Weiterführung) gegeben hat. Aber wer soll es dem Sänger/Gitarristen verdenken, wenn er Gutes vermehrt? Eben - und dreister Diebstahl kann in diesem Fall aufgrund der personellen Parallele ja nicht vorgeworfen werden. "Love Supreme" fehlen allerdings die großen Widerhakenmelodien (für die bei Transatlantic vermutlich Neal Morse hauptverantwortlich war, da er ebensolche ja bei seiner damaligen Stammband Spock's Beard in Hülle und Fülle untergebracht hatte), die dazu führen könnten, daß man sich nach x-maligem Anhören noch an mehr als an das eine Transatlantic-Querelement erinnern kann. Und das ist scheinbar so ein bißchen die generelle Krux der Blumenkönige: Sie machen hochanspruchsvolle Musik, aber auf einem solchen Niveau der Zugänglichkeit, das es auch dem "Normalkonsumenten" erlauben könnte, sich an die "lichten Höhen" heranzutasten, wenn er dafür ein kleines Hilfsmittel zur Verbesserung des Einstiegs bekäme - ebendieses in Form der einen oder anderen merkfähigen oder zumindest etwas markanten Melodie aber bleibt aus, und zwar sowohl in den Stoltschen Kompositionen als auch in den beiden Interludien des Keyboarders Tomas Bodin. Stolt und seine beiden "Hauptsänger" Hasse Fröberg und Daniel Gildenlöw (ja, der hat mit Pain Of Salvation offenbar noch nicht genug zu tun) liefern zwar gesanglich alles andere als schlechte Leistungen ab, und die psychotischen Gesangsvariationen in "A Vampires View" sind erste Sahne - aber gerade aus diesem knapp neunminütigen Stück hätte man noch bedeutend mehr machen können als ein düsteres Progsoundtrackchen mit Violinen, Gongs, Flöten, Marschtrommeln, Posaunen (!) und ein wenig Geschrei. Das mag den eingefleischten Proggie nicht stören, denn der findet solche Elemente wie den plötzlichen Posauneneinsatz am Beginn zum Hauptsolo nach etwas über sechs Minuten interessant genug, um darüber theoretisch ganze Doktorarbeiten verfassen zu können. Der eher normal gepolte Interessent jedoch ist dazu kaum in der Lage. Und damit (jetzt kommt der kurze theoretische Teil) limitieren die Flower Kings ihre Zuhörerschaft selbst (falls sie keine solchen Melodien schreiben können) oder legen eine Art elitäres Verständnis an den Tag (wenn sie es könnten, aber nicht wollen). Das mag man bewerten, wie man will - ich für meinen Teil sitze zwischen den Stühlen, habe ich einerseits doch absolut nichts gegen komplexe Vielschichtigkeit einzuwenden, hangele mich andererseits aber auch gerne mal an entsprechenden Haken entlang. Genau deshalb gebe ich Transatlantic im Direktvergleich den eindeutigen Vorzug, und bei "Adam & Eve" kommt mir an manchen Stellen das böse Wort "langweilig" in den Sinn. Gewiß, zu entdecken gibt es auch hier genug, wenn man sich die Mühe macht, genau hinzuhören - Bassisten etwa dürfen im Titeltrack bei Minute vier mal genau ihre Ohren spitzen, was Jonas Reingold da mit seinem Instrument so anstellt, und der Bombastpart vor dem großen Break kurz danach gehört definitiv zu den großen Momenten auf dem Album. Aber dieses ist 78 Minuten lang, und da hätte die Dichte der Aha-Erlebnisse durchaus noch ein gutes Stück höher ausfallen dürfen. Ein solches findet der Interessierte beispielsweise gleich auf dem Cover (wetten, daß das Album in den USA ein anderes Cover bekommen mußte?), über das der Kulturanthropologe stundenlang dozieren könnte, warum der männliche Part diese, der weibliche Part aber jene Eigenschaften zugeordnet bekommen hat und warum die weibliche Körperzeichnung nun gerade eine Zahnradmechanik zeigt, wo doch allgemein die Männer als die besseren Techniker gelten. Viel mehr gibt es zu "Adam & Eve" vorerst nicht zu sagen - die Musik bewegt sich auf einem technisch hochqualitativen, aber nicht selten seelenlosen und wenig nachvollziehbaren Level, und der Begriff "Progrock" für sie ist eigentlich eine Art Etikettenschwindel, denn sie rockt schlicht und einfach nicht, sondern sie proggt nur (und selbst das nicht durchgehend - manchmal plätschert sie auch nur). Tja, und dann kommen die letzten beiden Songs, der Achtzehnminüter "Drivers Seat" und das fünfminütige Fast-Instrumental "The Blade Of Cain" - und werfen alles Theoretische und Praktische wieder über den Haufen, denn das ist Progrock, wie er sein soll, nämlich die ideale Kombination aus Anspruch und Eingängigkeit. Selbige Mischung verdeutlicht gleich das Intro zu "Drivers Seat", und trotz wenigen Leerlaufes ist auch der Rest des Songs von höchster Güte, interessant durchstrukturiert und (eine eingangs geäußerte These bestätigend) eigentlich auch bei Transatlantic gut aufgehoben. Das recht elegische Fast-Instrumental punktet gleichfalls in höheren Regionen und läßt die verzweifelte Frage "Warum erst jetzt?" aufkommen. Wem das reicht, der hat das Album sicher schon in der Sammlung stehen - alle anderen sollten entweder Zeit zum intensiven Reinhören vor dem eventuellen Kauf mitnehmen oder gleich blind das Komplettwerk von Transatlantic einsacken.
Kontakt: www.flowerkings.se, www.insideout.de

Tracklist:
Love Supreme
Cosmic Circus
Babylon
A Vampires View
Days Gone By
Adam & Eve
Starlight Man
Timelines
Drivers Seat
The Blade Of Cain






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