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FAITH: Blessed?
von rls

FAITH: Blessed?   (Transubstans Records)

In Düstermetalgefilden wurde die Violine durch die Frühwerke von My Dying Bride eingeführt, fand allerdings zumeist in gotisch-düsteren Zusammenhängen Verwendung, während sie im traditionellen Doom Metal fehlte. Faith schließen diese Lücke nun - Hakan Malmros kommt zwar nicht in jedem der neun Songs auf "Blessed?" zum Einsatz, aber wenn er spielt, dann verleiht er dem Sound der Band eine in der traditionellen Doomecke, wo eher der Purismus zur Tugend ausgerufen worden ist, ungewöhnliche enorme Vielschichtigkeit, die noch durch die geschickt eingeflochtenen Keyboards und Orchestereinwürfe von Gastmusiker Johan Blomström verstärkt wird. Tja, und dann gibt es ja dann noch das fünfte feste Bandmitglied Anders Smedenmark - der Mann spielt ein Instrument, das zwar im nordischen Folk Metal mittlerweile auch gang und gäbe ist, aber außerhalb dieses Subgenres bisher keine Verwendung fand und im traditionellen Doom schon gar nicht: die Nyckelharpa. Auch bei Faith ist sie allerdings nur in bestimmten Kontexten zu hören, nämlich im wesentlichen in den beiden folkbeeinflußten Instrumentalstücken, die beide dem Genre der langsamen Polka (die auf Schwedisch offensichtlich "Polska" heißt, wobei laut der CrossOver-internen Schwedischexpertin aber eigentlich "Polka" auch das schwedische Wort darstellt) zuzuordnen sind. Dort freilich macht auch sie nochmal einen guten Teil der Reizerhöhung aus. Wenn Count Raven, Landsleute Faiths, eine noch konsequentere Verschmelzung ihres Songs "Cosmos" mit ihrem sonstigen Schaffen betrieben hätten, käme das durchaus in die Nähe dessen, was Faith hier in 50 Minuten aus dem Ärmel zaubern - und das ist mal eben eine der originellsten klassischen Doomscheiben seit langer Zeit. Klar, Black Sabbath und Candlemass sind auch hier deutlich als Urväter wahrzunehmen, aber von dieser Basis aus integrieren Faith zahlreiche weitere Elemente zu ihrem ureigenen originellen Gemisch. Neben den bereits genannten betrifft das noch ein paar weitere. "Necropolis" arbeitet beispielsweise mit sakral anmutendem Männergesang, der wirkungsvoll mit der eher klassisch-hardrockigen Stimme Christer Nilssons kontrastiert. Selbiger wiederum erinnert in "Twilight" in einer weiteren Dialogpassage an einen bekannten Metalsänger, dessen Name dem Rezensenten aber gerade nicht einfallen will. Dafür hätten wir noch in "Necropolis", als das Tempo etwas angezogen wird, instrumental gar einen Verweis in Richtung Iron Maiden, allerdings ohne zweistimmige Gitarren (Roger Johansson bedient bei Faith dieses Instrument im Alleingang). "Condemned" rockt konsequent im Midtempo daher, hat selbst Gangshouts im Refrain und wäre im Zweifel auch bei den Alien Boys (falls die noch jemand kennen sollte) oder gar in Amerika gut zu verorten gewesen - es erfüllt hier eine strukturelle Funktion wie "Kill All The White People" auf Type O Negatives "Bloody Kisses". "Father Pious" wiederum kommt mit seiner fiependen Keyboardlinie am nächsten an die Count Raven-Elemente in "Cosmos" heran, behandelt allerdings ein weitaus erdgebundeneres Thema, wenngleich ebenfalls mit überirdischem Bezug, nämlich religiösen Terrorismus. "Never Got To Know" wiederum spricht sich gegen Abtreibung aus, während uns "Necropolis" auf eine Reise durch die Katakomben des alten Roms, also die Versammlungsstätten der frühen römischen Christengemeinde, mitnimmt. Das Booklet enthält übrigens nicht die kompletten Texte, sondern jeweils nur eine markante Zeile und dazu kurze Liner Notes von Sänger/Bassist/Texter Christer Nilsson, die von hoch ausgeprägter Intelligenz zeugen. Und diese Thematiken, der sich auch noch Politik (gleich im achtminütigen Opener "Blessed Void Of Bewilderment") oder Antihedonismus ("Big Red, Nebraska") zugesellen, hat die gemeinschaftlich komponierende Band in ergreifende Songs gegossen - man höre nur mal den eindringlich-anklagenden Refrain von "Father Pious"! Das Hauptthema der sechsminütigen "Leipzigpolska" (die Völkerschlacht von 1813, an der ja auch eine schwedische Armee beteiligt war, wurde von einem Soldaten komponiert, der an ebenjener Schlacht teilgenommen hat; der Schlußteil des Stückes entspricht dem ergreifenden Schlußteil von "Twilight", der hier noch einmal zu Ehren kommt. So rundet sich das Bild eines hochinteressanten Releases, über dessen Coverartwork (acht Menschen gehen in Polonaiseform in Richtung einer erleuchteten Tür, einer hat sich losgerissen und steuert eine nicht erleuchtete Tür an) man ebenfalls lange nachdenken kann und der somit "Thinking Man's Metal" in seiner besten Form bietet.
Kontakt: www.faitharmy.com, www.recordheaven.net

Tracklist:
Blessed Void Of Bewilderment
Big Red, Nebraska
Polska Efter Ida I Rye
Necropolis
Twilight
Condemned
Father Pious
Never Got To Know
Leipzigpolska



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