www.Crossover-agm.de EBOLA: Pole
von rls

EBOLA: Pole   (Warner Music Thailand)

Seuchen sind im Metal als Bandnamensinspirator nicht gerade unbeliebt (man erinnere sich an Pestilence als klassische Urväter), und so verwundert es nicht, daß auch das Ebola-Virus diesbezüglich herhalten mußte. www.metal-archives.com listet zum Reviewzeitpunkt fünf Bands aus allen Ecken der Welt auf, welche sich Ebola getauft haben, dies hier ist die sechste, vermutlich sogar die mit den insgesamt höchsten Verkaufszahlen - und trotzdem kennt sie hierzulande fast kein Mensch, und niemand programmiert ihnen einen Eintrag in der erwähnten Metaldatenbank. Diese Ebola hier kommen aus Thailand, haben dort einen Majordeal bei Warner, veröffentlichen regelmäßig Alben, spielen energiegeladene Konzerte und haben in ihrem Heimatland vermutlich einen sehr hohen Stellenwert innerhalb der Metalszene - aber außerhalb Thailands kennt sie wie erwähnt fast niemand. Das ist schade, denn in den 13 Songs des bereits 2004 erschienenen "Pole"-Albums offenbart sich eine Formation mit sicherem Händchen für zwar nicht weltbewegenden, aber doch sehr soliden Nu Metal mit leichter Emoschlagseite, der nur den Nachteil hat, daß er stilistisch irgendwo an der letzten Jahrtausendwende stehengeblieben ist. Das stört in Thailand offensichtlich niemanden, mindert aber etwas die Chancen auf dem Weltmarkt, da man das Quintett durchaus zu Recht etwas als hinterwäldlerisch betrachten könnte. Aber das sollte eigentlich gar kein so großer Störfaktor sein, denn wer sich an bestimmte Zeiten zurückerinnern möchte, in denen die Metalcorewelle noch im Untergrund vor sich hin dümpelte und auch die Emobewegung noch längst nicht so ausgeprägt war, der bekommt hier das, was er möchte - und ein paar richtig gute Songs dazu, beispielsweise den doch recht emotional gefärbten dritten, eine etwas zurückgenommene Hymne darstellend, Sänger Kittisak Buaphan demonstrieren lassend, daß er nicht nur psychopathisch brüllen und schreien, gar rappen, sondern auch warm-emotional singen kann. "Through My Eyes" kombiniert viele wilde Parts mit gelegentlichen Ruhepunkten, viele andere Songs machen allerdings kompromißlos Druck nach vorne, wobei sie allerdings nie übers Midtempo hinausgehen, die dadurch eingeschränkte Tempobreite aber durchaus variabel zu nutzen wissen, wozu auch Drummer Pongpan Poenimit mit unterschiedlich verschleppten Rhythmen und massivem Beckenscheppereinsatz sein Scherflein beiträgt. Die Gitarristen Wannit Puntarikapa (klingt irgendwe finnisch, der Name :-)) und Surapong Buaphan konzentrieren sich fast ausschließlich auf Riffing, Soli in klassischer Ausprägung sind völlig abwesend, die Riffwand erfährt aber nicht selten eine Auflockerung mit einer darübergelegten weiteren Gitarrenstimme, und diese Stellen sitzen an wirkungsvollen Punkten (man höre einfach mal das Intro von "Rape" oder den Refrain von Song 10) - und wenn die Gitarren sich ganz zurücknehmen, darf sogar Bassist Chaowalit Prasongsin akustisch mal in den Vordergrund treten. Und das Schöne an der Sache ist, daß die fünf Thais eben einen ganzen Sack voll richtig guter Songs geschrieben haben, die wie erwähnt das Genre nicht neu erfinden, aber eine reizvolle Bereicherung der Stilsammlung darstellen. Für den gemeinen Mitteleuropäer exotisch ist allenfalls der Gesang, denn der ist überwiegend in Thai gehalten, auch die wenigen Songs mit englischem Titel besitzen entweder komplett oder zumindest strophenweise in Thai formulierte Lyrics, was dann dazu führt, daß der Rezensent die meisten Titel auch nicht lesen kann, da er der zugehörigen Schriftzeichenkunde nicht mächtig ist (man beachte das also bei einem Blick auf die untenstehende Tracklist). Zumindest läßt sich feststellen, daß die Tracklist auf der CD offensichtlich stimmt und die auf der Warner-Homepage nicht, jedenfalls was die englisch betitelten Songs angeht. Letztere verlegt "Rape" auf Position 11 und "What Is It?" auf die 7, auf der CD-Hülle und auch auf der CD selbst ist es allerdings umgekehrt. Den Beweis dafür tritt die zweite Scheibe im Package an, denn die (eine VCD) enthält einen 10-Song-Konzertmitschnitt der Band auf einem Open Air-Festival im Thai-Jahr 2547 als Video, und dort werden die Songs jeweils am Anfang und am Ende untertitelt, so daß man "Rape" eindeutig identifizieren kann, während "What Is It" bereits deutlich an der englischen Refrainzeile in der Studiofassung erkennbar war. Der Sound der Liveaufnahme ist angenehm urwüchsig, lediglich die wenigen Leadgitarrentupfer hätte man etwas weiter in den Vordergrund stellen können (der Sound der Studioaufnahme hingegen genügt ohne Abstriche internationalen Ansprüchen und kann sich selbst neben Größen wie Soulfly sehen lassen). Dafür demonstriert die Aufnahme sehr schön das immense Energielevel auf einer Ebola-Show, und das, obwohl sich außer dem Sänger keiner der Musiker groß bewegt. Dafür schmeißt der Sänger die Show aber alleine, in den letzten beiden Songs noch durch einen Gastsänger mit Rastafrisur ergänzt, der vorher in der ersten Reihe gestanden hatte und sich stilistisch überhaupt nicht vom Hauptsänger unterscheidet, so daß man dann also zweistimmig springt, schreit, brüllt und auch mal clean singt. Auf der Bühne herrscht akuter Diveralarm, selbst eine Frau im schwarzen Kleid springt fröhlich mit, der schweißüberströmte Leadsänger tut es ihr gleich, und gegen Ende hin herrscht eine ähnliche Fülle auf der Bühne wie anno 2008 bei den Dropkick Murphys in Leipzig. Die Setlist mischt "Pole"-Stoff wie "Make Yourself" mit älteren Songs, wobei "Suck..." demonstriert, daß die Band früher offensichtlich bisweilen etwas monotoner agierte und sich die innerhalb des engen Stilspektrums ausgeprägte Variabilität wohl erst im Laufe der Bandentwicklung herausgebildet hat, während das ebenfalls ältere "Puppet Spell" als Setcloser zeigt, daß Ebola durchaus auch schneller spielen können (hier rahmen zwei schnelle Parts einen langsamen ein), das aber auf "Pole" halt einfach nicht getan haben. Daß die Jungs trotz aller Wildheit, Psychogehabe und Energie in Wahrheit die netten Burschen von nebenan sind, zeigt die Szene nach "Make Yourself", als der Sänger, eben noch wild über die Bühne tobend, einen vor der Bühne gefundenen Schlüssel hochhält und dem Besitzer in freundlichem Plauderton vom temporären Aufbewahrungsort vorm Schlagzeug Kunde gibt. Dieser Antagonismus wird partiell auch in der Musik deutlich, wenn die Band eben auch mal runterschaltet und emotionaleren Momenten Platz macht; im abschließenden Instrumental "Journey" tut sie das sogar durchgängig, bisweilen gar mit schwedisch anmutender Melodik, wenngleich gerade dieser Song offenbart, daß an manchen Stellen eben doch noch ein etwas vielschichtigeres Arrangement wünschenswert gewesen wäre. Aber das ändert nichts am grundsätzlichen Urteil, daß man sich als Genrefreund mit dem Erwerb von "Pole" durchaus etwas Gutes tun kann. Man frage bei Interesse Rainer Krukenberg von www.metaleros.de (krukenberg@freenet.de), ob er noch ein Exemplar hat, ansonsten wird man auf www.ethaicd.com sicherlich auch fündig.
Kontakt: www.warnermusic.co.th, www.ebolasound.com

Tracklist:
4. Get Out
5. Through My Eyes
6. Make Yourself
7. Rape
11. What Is It?
13. Journey
(insgesamt 13 Songs plus 2. CD mit 10-Song-Livemitschnitt als Video)



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver