www.Crossover-agm.de DIFÍCIL EQUILIBRIO: La Pèrdua
von rls

DIFÍCIL EQUILIBRIO: La Pèrdua   (Musea)

Nicht gerade zu den veröffentlichungsfreudigsten Bands zählen Difícil Equilibrio: Obwohl das Debütalbum der Spanier bereits von 1988 datiert, ist "La Pèrdua" noch im einstelligen Bereich anzusiedeln, was die Ordnungszahlen angeht. Freilich könnte man vermuten, daß die Stärken der Band eher in der Livesituation liegen, und gerade so eine Nummer wie das treibende "Reacción En Cadena" dürfte in der Tat das Tanzbein des geneigten Publikums in intensive Bewegung versetzen. Allerdings ist dieses Stück eher als untypisch für das Schaffen der Band anzusehen, und außerdem stellt man beim Betrachten der Personalliste fest, daß es sich nur um ein Trio handelt, von dem man dann doch gern mal wüßte, wie es die vielschichtigeren seiner Songs auf die Bühne bringt bzw. wie es mit denjenigen Nummern umgeht, die maßgeblich durch Gastmusiker geprägt werden. Aber das kann einem beim Hören der CD erstmal noch egal sein. "La Pèrdua" besteht aus zwei großen Suiten und drei Bonustracks, wobei die oben erwähnte Nummer die vorletzte der ersten Suite "A Este Lado" darstellt, die dann noch von der Kammermusikballade "Palabras Prohibidas" abgeschlossen wird und im Gegensatz zur zweiten Suite "L'Altre Costat" zumindest hier und da Gesang oder Sprechpassagen beinhaltet, die im Booklet in englischer Übersetzung abgedruckt sind, aber in Spanisch erklingen. Die Botschaft ist der Band offensichtlich so wichtig, daß sie sie auch den nicht spanischsprachigen Hörern zugänglich machen will, und das Backcover macht dann auch den Hintergrund mit folgendem Satz klar: "This work has emerged as a response to the sociopolitical coup d'etat that has caused this financial crisis and to support all those who fight for a fairer society and true democracy." Also "Thinking Man's Rock" sozusagen, und zum Nachdenken hat man vor allem in den ersten beiden Bonustracks auch viel Zeit, da hier musikalisch relativ wenig passiert außer gewissen Geräuschentwicklungen ohne erkennbare Songidee (zunächst ohne Band, dann mit), die man vielleicht ins Ambient-Genre stecken könnte, wo sich der Rezensent allerdings zu wenig auskennt, um hier genauere Einordnungen zu treffen. Das live mitgeschnittene "Diu La Gent... (Rumors)" könnten böse Zungen auch als Stimm- bzw. Warmspielübungen einer gerade im Proberaum eingetroffenen Band bezeichnen. Klangflächenentwicklungen spielen allerdings auch in den beiden Suiten eine Rolle, und der Progrock der Band erinnert bisweilen ein klein wenig an Census Of Hallucinations, allerdings in den Suiten mit deutlich weniger Psychedelic-Schlagseite. In der zweiten Suite beginnt dann Gastsaxophonist J-Push eine tragende Rolle einzunehmen, und die spielt er auch im abschließenden dritten Bonustrack, einer Coverversion von King Crimsons "21st Century Schizoid Man", hier als "Versió Mediterrània" untertitelt, wobei sich kurioserweise die Aufnahmen zu dieser gasthalber von Jordi Atenza vokalisierten Fassung von 2001 bis 2010 hingezogen haben, während der Rest der 62 Minuten Musik von 2011/12 stammt. Die beiden hinteren Teile der zweiten Suite sind gleichfalls Fremdkomponisten zugewiesen: "First Steps Of A Long Journey" einem Menschen namens Josep Solà, was vermutlich die bürgerliche Existenz von J-Push ist, da es sich um eine ausschließlich aus Saxophonen bestehende Collage handelt (mit teils vogelrufartigen Lauten), und "Heatwave" Andy Kirk, wobei das nun wieder eine volle Bandnummer ist. Generell braucht man schon eine Menge Geduld, um sich auf das Material von "La Pèrdua" einzulassen, da oft über einen längeren Zeitraum hinweg wenig bis nichts passiert, das Ganze aber auch nicht ambientartig zur Entspannung beiträgt - im Direktvergleich mit Difícil Equilibrio stellen Census Of Hallucinations jedenfalls schon fast Easy-Listening-Mucke dar. Daß das spanische Trio äußerst fit an seinen Instrumenten ist, versteht sich natürlich von selbst, und interessanterweise verzichtet es komplett auf einen Keyboarder - einige Samples gibt Drummer Lluís Rodriguez hinzu, die Kammermusikelemente in der ersten Suite sind ebenso echt wie die Saxophone in der zweiten Suite, und ansonsten gibt's halt nichts als weitere Zutat. Gerade "Heatwave" beweist, was man auch mit Gitarre, Baß und Drums für ein spannendes Ergebnis beim Frickeln erzeugen kann, auch wenn selbst diese Nummer einige Durchläufe braucht und generell so etwas wie Eingängigkeit hier nur in einem einzigen Track vorkommt, nämlich dem King-Crimson-Cover. Im Direktvergleich mit Fripp & Co. agieren die Spanier allerdings deutlich zurückhaltender und auch etwas weniger experimentell - wenn sie eine Gitarre einsetzen, dann klingt die auch wie eine solche. Wer unzugängliche Musik sucht, die den Hörer aber nicht von vornherein niederschmettert, sondern ihm zunächst vorgaukelt, sie sei gar nicht so unzugänglich, der könnte mit "La Pèrdua" seine Freude haben, und wer themengemäß eine Vertonung der Finanzkrise und des dadurch ausgelösten Gemischs aus Hektik, Aktionismus und Lethargie sucht, der weist der Scheibe vielleicht sogar eine vom normalsterblichen Proghörer ungeahnte Qualität zu.
Kontakt: www.musearecords.com

Tracklist:
A Este Lado
  Intro
  Promesa De Futuro
  Fuegos En El Sol
  Entre Nosotros
  Mi Alma Tu Ambición
  Reacción En Cadena
  Palabras Phohibidas
L'Altre Costat
  La Pèrdua Part I
  La Pèrdua Part I
  First Steps Of A Long Journey
  Heatwave
Bonus Tracks:
Litúrgia Pagana
Diu La Gent... (Rumors)
21st Century Schizoid Man (Versió Mediterrània)



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