www.Crossover-agm.de COLOURED RAIN: Celebrate!
von rls

COLOURED RAIN: Celebrate!   (Eigenproduktion)

Ich gehöre zu der vermutlich nicht eben großen Schar von Privilegierten, die "Live In Schneeberg 2001", einen eigentlich nur für promotionale Zwecke bestimmten Mitschnitt, ihr eigen nennen dürfen - und ich stehe nach wie vor zu meiner damals geäußerten Meinung, daß dieses Material eigentlich viel zu schade war, um nur besagtem exklusiven Personenkreis zu Ohren zu kommen. Vier Jahre später nun legen Coloured Rain mit "Celebrate!" ihre erste "richtige" CD vor, wieder einen Livemitschnitt, zusammengestellt aus zwei Gigs (Chemnitz 2004 und Dresden 2005) - und ich bin etwas enttäuscht. Gewiß, die Scheibe ist keinesfalls schlecht - aber im Vergleich zu der Schneeberg-Aufnahme zieht sie klar den kürzeren. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen war an der Schneeberg-Aufnahme im nachhinein offenbar relativ wenig herumgeschraubt worden, sie klang roh, direkt und gerade dadurch unbändig frisch - diese Frische kann "Celebrate!" zumindest in den ersten fünf Songs nicht reproduzieren, ist polierter und sauberer, aber gerade dadurch eben auch weniger mitreißend; nirgendwo in diesem Bereich hat man das Gefühl, die Band würde neben einem im Wohnzimmer stehen und spielen. Der niedrigere Mitreißfaktor kommt auch dadurch zustande, daß das Publikum sehr weit in den Hintergrund gemixt wurde (in "Send Your Spirit" etwa dauert es etliche Durchläufe, bis man hört, daß dort im Mittelteil tatsächlich jemand mitklatscht); wer akustisch ebenfalls auffällig weit im Hintergrund steht, ist Bandchef Marko Kappaun mit seinen Tasteninstrumenten. Stets angemessen durchhörbar ist Marek Arnold an seinen Holzblasinstrumenten - und das zu Recht, denn paradoxerweise ist er es, der die meisten Glanzlichter in den acht Songs setzt. "Paradoxerweise" deshalb, weil selbst in der fast kammermusikalisch angehauchten Version des Gospel, der sich Coloured Rain verschrieben haben (womit sie eine sehr reizvolle Nische gefunden haben), der Gesang immer noch im Zentrum des Konzeptes verbleibt, was auch durch die akustischen Verhältnisse auf dem Silberling dokumentiert wird. Und da liegt der nächste Hase im Pfeffer: Die aktuelle Coloured Rain-Besetzung hat gesanglich zu wenige Häuptlinge und zu viele Indianer. Soll heißen: Für Chorgesänge, als Continuosänger sind alle hervorragend geeignet, und das unterstreichen sie auf der CD von der 1. bis zur 34. Minute - aber ausdrucksstarke und originelle Solisten, wie damals in der Schneeberg-Besetzung Corina Schindler, sind mittlerweile erstaunliche Mangelware. Das stellt in den Chorpassagen kein Problem dar (die genügen wieder höchsten Ansprüchen), aber wenn es zur Kombination Leadsänger plus Chor kommt, fehlt nicht selten der letzte Kick, der aus sauber gesungenen Passagen richtige Einschmeichler, Aufputscher oder Entrücker macht. Wenn dann dazu die Band auch noch agiert, als ob sie mit angezogener Handbremse fährt (und das ist z.B. in "Joshua Fit The Battle Of Jericho" der Fall, das in der Schneeberg-Aufnahme zu den Highlights gehörte), neigt der Hörer einen Moment lang zum Gähnen. Geweckt wird er spät, aber noch nicht zu spät, nämlich mit "This Train" an Position 6. Ab hier ist das Publikum nämlich besser zu hören, die Band löst sich endlich von der kontrollierten Artikulationsweise (die sich vorher nur der Saxer traute zu durchbrechen), sie kommuniziert auch mit dem Publikum (was in den ersten fünf Songs völlig ausbleibt), und selbst die Sangesriege läßt sich davon anstecken und legt etwas mehr Expressivität an den Tag. Vermutlich ist der Cut zwischen den beiden Gigs eben zwischen Track 5 und 6 zu suchen - wenn dem so ist, muß die Band sich fragen lassen, warum man (sofern das prinzipiell möglich gewesen wäre) nicht ausschließlich auf Material dieses zweiten Gigs zurückgegriffen hat. Ganz in Schneeberg-Form waren sie zwar dort auch nicht, aber viel fehlte nicht - und das ist ob der brillanten Schneeberg-Performance als großes Kompliment zu werten. So hört man sich diesen Silberling als Schneeberg-Kenner mit zwei Herzen in der Brust an, aber auch einem Nicht-Schneeberg-Kenner dürfte dieser Bruch auffallen. Beim nächsten Mal bitte nur Material vom Kaliber der letzten drei Tracks, und das Auditorium hat allen Grund, im Dreieck durch die Kirchenbänke oder um den heimischen Wohnzimmertisch zu springen. "Celebrate!" ist in der vorliegenden Form leider nur eine Vorstufe dazu geworden, wenngleich natürlich keine schlechte.
Kontakt: www.colouredrain.de

Tracklist:
Celebrate
I'm Gonna Get A White Robe
Lean On Me
Send Your Spirit
Joshua Fit The Battle
This Train
Operator
Get Together

 




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