www.Crossover-agm.de CLEAR BLUE SKY: Gateway To The Seventh Dimension
von rls

CLEAR BLUE SKY: Gateway To The Seventh Dimension   (Stargaze International/Stone Island Records)

Der klare blaue Himmel, der hier noch vor wenigen Stunden zu sehen war, hat sich mittlerweile mit Quellwolken bedeckt, aber das dürfte nicht an etwaiger mangelnder Qualität der Musik von Clear Blue Sky liegen. Im Gegenteil: Das Quartett liefert auf "Gateway To The Seventh Dimension" eine Stunde feinen Progrocks ab, der rein stilistisch auch im Roster der Kanadier von Unicorn Records gut aufgehoben gewesen wäre, dort in puncto Geradlinigkeit und Zugänglichkeit allerdings in der Nähe des Endpunktes der Skala angesiedelt werden muß, also weit entfernt von Fricklern wie Spaced Out, obwohl es natürlich auch auf dem Weg zur siebenten Dimension diverse Instrumentalakrobatik, aus dem Nichts zu kommen scheinende Wendungen und schräge Breaks gibt. Andererseits stellt ein geradliniger Song wie "Vision At Chebar" schon fast reinen Melodic Rock dar und wäre ebenso wie sein Nachfolger "Voice Across The Water" problemlos im etwas aufgeschlosseneren Rockradio spielbar, was für das frickelige Instrumental "UltraMarine" wiederum undenkbar wäre, obwohl es mit zweieinhalb Minuten zumindest die Forderungen der Sender nach kürzeren Formaten, um die weiter sinkende Aufnahmefähigkeit des Durchschnittshörers zu kompensieren, erfüllen würde. Überhaupt fällt auf, daß die Proggigkeit des Quartetts, was Tempowechsel, Frickelläufe etc. angeht, sich in den Instrumentals zumeist stärker Bahn bricht als in den Gesangsnummern (der Titeltrack darf als Ausnahme von der Regel gelten). "Blue Star Of India" erinnert anfangs tatsächlich ganz leicht an Aerosmiths "Taste Of India" (vom "Nine Lives"-Album), bevor es sich in eine andere Richtung weiterentwickelt und auch nur halb so lang wie der Aerosmith-Song bleibt; überhaupt fällt der Weg zur siebenten Dimension keineswegs durch Überlänge seiner einzelnen Abschnitte auf. Lediglich der Titeltrack selbst springt über die Achtminutenmarke, zwei weitere kommen noch über fünf und noch drei über vier Minuten, was als Umkehrschluß heißt, daß für Progverhältnisse rekordverdächtige zwei Drittel aller Nummern, in Ziffern 9, kürzer als vier Minuten ausfallen. Vielleicht haben Clear Blue Sky hier zu der Band geschielt, die auch stilistisch als einer ihrer Haupteinflüsse anzusehen ist: Rush - die Kanadier hatten nach ihren suitenartigen Kompositionen der Siebziger in den Achtzigern immer kompakter komponiert, und die vier Briten tun es ihnen strukturell gleich, wobei allerdings ein anderer Umstand noch deutlichere Rush-Parallelen zutagefördert: der Gesang. Wer schon immer der Meinung war, Geddy Lee hätte einen gewissen androgynen Touch in seinem Gesang, der wird sich durch Clear Blue Sky bestätigt fühlen, denn hier singt mit Maxine Marten eine Frau, und die kopiert Lee zwar nicht, aber sie kann ihm bedarfsweise sehr ähnlich klingen, wie spätestens der zweite Song, das bereits genannte "Blue Star Of India", beweist. Maxine spielt außer gelegentlichen Percussions allerdings kein Instrument, und so entspricht die Zahl der Instrumentalisten wieder der von Rush; Krasnet Montpelier hat neben dem Baß auch noch die für den Gesamtsound enorm wichtigen, wenngleich die Gitarre in ihrer Führungsrolle nicht gefährdenden Keyboards übernommen, was live zu gewissen logistischen Problemen führen dürfte, wenn man etwa "Dance In The Light" spielen möchte, das nicht unwesentlich von den Keyboardeinwürfen und -effekten lebt, während etwa "Galaxy Of Dreams" auch ohne Tasten und selbst ohne deren Einsampelung vorstellbar wäre, wenngleich der Hammondhintergrund mancher Passagen durchaus so seine Wirkung entfaltet und auch das Spacerauschen hinterm Solo diesem noch einen Extratouch Authenzität verleiht - dieses Solo gehört aber schon zum trackseitig angehängten Instrumental "Intramural Mindspace". Auch hier spielt Gitarrist John Simms zwar die Hauptrolle, aber ohne die Spacekeys würde er hier nur die halbe Wahrheit evozieren, und der Rezensent hätte auch nicht die Gelegenheit, einen Keyboardeffekt zu diagnostizieren, den man auch auf diversen Liveaufnahmen von Blue Oyster Cult finden kann, wobei Eric Bloom und seine Mannen ansonsten aber so gut wie keine Spuren im Schaffen von Clear Blue Sky hinterlassen haben, ebensowenig wie der Rezensent die Blueseinflüsse, die das Infoblatt diagnostiziert, entdecken kann, wenn man von wenigen Gitarrenpassagen in mehreren Songs und den Breaks im via Tracklist als instrumentales Zwischenspiel bzw. Outro gekennzeichneten, aber überraschenderweise gar nicht instrumentalen "Emergence" (das enger mit "Jupiter's Gypsy" verschränkt zu sein scheint, als die Struktur ausweist), die leicht bluesig tönen, mal absieht - die Leipziger Dice, um mal einen weiteren Vergleich in den Raum zu werfen, haben davon deutlich mehr in ihren Kompositionen gebunkert. Und wenn wir schon mal bei Dice sind: Die Cover- und Bookletgestaltung von "Gateway To The Seventh Dimension" verkörpert ungefähr das, was Dice immer erreichen wollten, aber nie umzusetzen in der Lage waren (der Künstler hört auf den Namen John Pitre und kennt offenbar Rodney Matthews, wenn man sich die Struktur des Felsens auf dem Cover links unten so ansieht). So legen uns Clear Blue Sky hier ein einstündiges Gesamtkunstwerk vor (die kosmisch-spirituellen Texte seien auch noch erwähnt, in "Final Stand" in der mantraartig wiederholten Zeile "I know I will not die" gipfelnd), das man sich als Rush-Fan unbedingt in die Sammlung stellen, dem man aber auch als anders gelagerter Proganhänger durchaus Gehör schenken sollte.
Kontakt: www.clearbluesky.co.uk, www.stoneislandrecords.com

Tracklist:
Edge Of The Sky
Blue Star Of India/UltraMarine
Love Inner Spiritual Awakening
The Unseen Place
Vision At Chebar
Voice Across The Water/OpalesSense
Gateway To The Seventh Dimension
Dance In The Light
Galaxy Of Dreams/Intramural Mindspace
Final Stand
Jupiter's Gypsy/Emergence

 




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