www.Crossover-agm.de THE BRIAN SETZER ORCHESTRA: Wolfgang's Big Night Out
von rls

THE BRIAN SETZER ORCHESTRA: Wolfgang's Big Night Out   (Surfdog Records/BMG)

Brian Setzer kennt der Leser, sofern er nicht zur U35-Kategorie zählt, von den Stray Cats, mit denen der Mann in den Achtzigern Tonnen von Platten verkaufte. In den 90ern orientierte er sich um und gründete das Brian Setzer Orchestra, in dem er seine Rock'n'Roll-Einflüsse mit einer klassischen Big Band verknüpfte. Erneut stand der Plattenmarkt kopf. Mit "Wolfgang's Big Night Out" liegt nun aber ein selbst für den Experimentierreichtum der Truppe außergewöhnliches Album vor, wenngleich man erneut ein Kopfstehen des Plattenmarktes prognostizieren darf, denn die Mixtur auf dem neuen Album ist zwar einerseits ungewöhnlich, schafft aber andererseits problemlos den Spagat zwischen gleich drei Zielgruppen, von denen jede von den zwölf Tracks zumindest partiell angetan sein dürfte. Setzer hat sich nämlich zwölf Hits aus der klassischen Musikwelt vorgenommen und diese in seinen Orchestra-Sound transferiert. Das läßt den Vertretern der Historischen Aufführungspraxis selbstredend alle verbliebenen Haare zu Berge stehen, aber wenn man den im Klassikbereich mit dem Terminus "Crossover" umschriebenen Projekten offen gegenübersteht, dürfte man auch von den hier zu hörenden zwölf Adaptionen angetan sein. Als zweite Zielgruppe treten die alten Stray Cats-Fans hinzu, die sich über Brians markantes Gitarrenspiel freuen werden und auch sicherlich einem Wiederhören mit seiner Stimme nicht abgeneigt sind - "One More Night With You" und "Honey Man" haben nämlich auch noch Texte verpaßt bekommen, welche es bei den instrumentalen Vorlagen nicht gab (wobei die Zeile "I don't need no Motorheads" im erstgenannten Stück Lemmy-Verehrern keinen Anlaß geben sollte, die CD im Laden stehenzulassen ...). Die dritte Zielgruppe schließlich sind die Bigbandfreunde, die zwölfmal hochgradig originellen Stoff vorgesetzt bekommen, der rein musikalisch wenig aus ihrem gewohnten Schema ausbricht, aber dennoch wie ein frischer Wind durch die Szene weht. 44 Minuten dauert die CD, und das ist eine gute Länge, denn an manchen Stellen gehen der Arrangementabteilung doch ein wenig die Ideen aus, was durch Erhöhung der Wiederholungsdichte nicht erfolgreich aufzufangen versucht wurde. Aber das betrifft wirklich nur wenige Momente, so gleich den Opener "Take The 5th", in dem Beethovens 5. Sinfonie verwurstelt wird, wobei ein etwas zu großer Fokus auf dem markanten achttönigen Thema liegt. Generell macht die Version auf alle Fälle jede Menge Hörspaß (vermutlich auch Tanzspaß, wobei der diesbezügliche Selbstversuch bisher unterblieben ist), aber die eine oder andere Wiederholung hätte man eben doch einsparen können. "One More Night With You" basiert auf Griegs "Hall Of The Mountain King", den ja auch diverse Metalkollegen schon verarbeitet haben, und fährt die rasende Attitüde der Vorlage ein wenig herunter, ohne ihr aber die Frische zu nehmen. Nicht ganz überzeugen kann ausgerechnet der Titeltrack, der auf Mozarts "Eine kleine Nachtmusik" beruht, von der böse Zungen schon immer behauptet haben, sie hieße so, weil der Hörer dabei in Morpheus' Arme zu gleiten droht. Dafür entschädigt "Honey Man", bei dem man auch ohne Blick in die Tracklist schon nach dem eröffnenden Hummelgebrumm weiß, daß hier Rimski-Korsakows "Hummelflug" verbraten wird. Die Krönung ist der Abschluß, wo kurzerhand noch die drei Akkorde des "Smoke On The Water"-Riffs eingeworfen werden. Offenbachs "Can Can" wird in "Yes We Can Can" partiell noch beschleunigt und zu einem mittleren Reißer ausgebaut, wohingegen Rossinis "Wilhelm Tell"-Opernouvertüre eine Entschleunigung erfährt und als cooler Midtemposwing durch die amerikanische Schweiz reitet. Austoben können sich Setzer und sein 16köpfiges Orchester (hinzu treten noch zwei Co-Sänger) dafür wieder in "Sabre Dance", hinter dem natürlich Chatschaturjans berühmter Säbeltanz steckt. Auch "For Lisa" bedarf sicher keiner quellenseitigen Erläuterung, überzeugt dafür aber durch das interessante Arrangement mit dem sanften Intro auf der Akustikgitarre, das eine komplett balladeske Umsetzung erwarten läßt, bevor das Stück dann aber doch wieder in die gewohnten swingenden und jazzenden Klänge umschlägt. Noch eine interessante Konstruktion gibt es in "Here Comes The Broad" zu bewundern, denn hier verquicken Setzer und seine Mannen die beiden berühmtesten Hochzeitsmärsche der Musikgeschichte (den aus Wagners "Lohengrin" und den aus Mendelssohns "Sommernachtstraum") in einem Stück, Glockenklänge und ähnliche Accessoires natürlich inclusive. "1812 Overdrive" übertreibt Tschaikowskis "Ouvertüre 1812" titelgemäß, aber nicht so sehr markant, wohingegen das herrlich ironisch betitelte "Some River In Europe" gleich mehrere Vögel abschießt: Die erste Minute klingt nach bayrischer Blasmusik, bevor die Gitarre etwaige traditionalistische Anwandlungen zerstört und kurze Zeit später in den typischen Swinggestus umgeschaltet wird, wenngleich unter harmonischer Verfremdung des Originals, für das die Tracklist im Booklet noch den niedlichen Fehler "Johann Sebastian Strauss" bereithält (oder sollte sich da in "An der schönen blauen Donau" oder eben "Some River In Europe" ein vom Rezensenten nicht erkanntes Bach-Motiv versteckt haben, so daß auch das noch Absicht wäre?). Den Abschluß bildet "Take A Break Guys" auf der Basis von "God Rest Ye Merry Gentlemen", dessen Hauptthema man als Johnny Cash-Anhänger (oder auch als Dean Reed-Fan) mal gehört haben sollte, während das große Hauptsolo auch dem Altrockfreund gefallen dürfte, zumal Setzer hier auch noch die Talkbox oder ein ähnlich effektierendes Gerät einschaltet, worüber sich beispielsweise der Anhänger von Peter Frampton freuen dürfte. Eine musikwissenschaftliche Analyse muß man den 44 Minuten natürlich ersparen, und da oftmals nur einzelne Parts umgesetzt, neu kombiniert und harmonisiert werden, tritt eben manchmal das eingangs geschilderte Problem auf, daß die eine oder andere Idee zu stark ausgewalzt wurde, weil man halt gerade keine bessere hatte. Das stellt man schon bei den ersten Hördurchläufen fest, aber da stört es noch nicht entscheidend; wie das nach dem 30. Hördurchlauf ist, kann noch nicht beurteilt werden - so viele hat "Wolfgang's Big Night Out" beim Rezensenten noch nicht durch, aber es werden auch in der Zukunft sicher immer mal noch welche dazukommen. So bleibt als generelles Fazit festzuhalten, daß sich diese CD mit dem "Smoke On The Water"-Sampler im Vorfeld des diesjährigen Gitarrenweltrekords um den Titel der besten Partyplatte 2007 balgt und aufgrund ihrer größeren stilistischen Homogenität vermutlich noch zielgerichteter einsetzbar ist als jene. Jede Menge Hörspaß ist aber bei beiden garantiert.
Kontakt: www.briansetzer.com, www.surfdog.com

Tracklist:
Take The 5th
One More Night With You
Wolfgang's Big Night Out
Honey Man
Yes We Can Can
Swingin' Willie
Sabre Dance
For Lisa
Here Comes The Broad
1812 Overdrive
Some River In Europe
Take A Break Guys



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