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von rls

BRASSMEN: Kontrastreich   (Gerth Medien)

Business as usual auf dem vierten Album der brAssMEN: 21 Tracks wandeln erneut auf dem schmalen Grat, den das musikalische Gebirge zwischen die beiden großen Täler des Humors und der Ernsthaftigkeit gesetzt hat, und bringen es fertig, sich oft und gern auf einem in die eine oder die andere Richtung aus dem Grat ragenden überhängenden Felsblock niederzulassen, ohne aber mit diesem und lautem Getöse in die Tiefe zu stürzen. Die Umsetzungs- und Einspielqualität bewegt sich auf gewohnt hohem Niveau, wenngleich man auch auf "Kontrastreich" sowohl High- als auch Lowlights findet, deren räumliche Anordnung sogar ungefähr der des Vorgängers "Villeroy & Bach" entspricht. Soll heißen: Der blechblasende Affe bekommt gleich zu Anfang ordentlich Zucker, nämlich mit einem alten Bluesstück namens "Sixteen Tons", das in der brAssMEN-Fassung zwar nicht an die kongeniale Metalversion der Schweden von Memento Mori (nachzuhören auf deren 94er Album "Life, Death And Other Morbid Tales") heranreicht, aber trotzdem jede Menge Laune macht. Die stilistische Sprunghaftigkeit der Truppe wird gleich auf dem Silbertablett serviert, denn mit Track 2 wechselt man zu Johannes Brahms und dem (genau, DEM) Ungarischen Tanz (es ist der fünfte), auch hier eine starke Leistung liefernd. "ABBA goes Brass" an dritter Position schließlich ist mit siebeneinhalb Minuten nicht nur der längste Track der CD, sondern ebenfalls einer der besten, wenngleich in diesem Medley aus Abba-Songs (der Titel hat schon vermuten lassen, daß es um diese gewisse schwedische Band geht und nicht etwa um ein Variationswerk über die Kirchenliedzeile "Abba, lieber Vater, schrey") nicht alle Übergänge so flüssig gestaltet werden konnten, wie das wünschenswert gewesen wäre. Damit haben die brAssMEN aber erstmal ihr Pulver verschossen, denn im großen Mittelteil der CD wechseln sie zwar weiter munter die Stile, spielen gekonnt auf ihren Instrumenten und lassen auch den Humor weiter durchklingen (man lausche etwa den Tierstimmenimitationen im "Livery Stable Blues"), aber die richtigen Geniestreiche sind etwas rarer gesät. Der ansonsten zauberhaft umgesetzte Bachchoral "Von Gott kommt mir ein Freudenschein" macht ein weiteres Problem deutlich, das man bisher eher latent wahrgenommen hat: Dem Soundgewand fehlt besonders im "Hintergrund" ein wenig die nötige Klarheit und an einigen Stellen auch etwas die Ausgewogenheit, denn die zwei Trompeten dominieren hier und da zu sehr, und aufgrund der genannten fehlenden Hintergrundklarheit stehen die drei tiefen Instrumente bisweilen noch etwas weiter im Hintergrund, als es für den Gesamtklang nützlich gewesen wäre. So entsteht bisweilen der Eindruck des Nebeneinander- statt Miteinander-Musizierens, und das dürfte nicht an den zwei Besetzungswechseln seit dem letzten regulären Studioalbum liegen, wenngleich Neu-Trommler Jürgen Haydu hier und da tatsächlich wie ein Fremdkörper agiert (das ist eine alte Krankheit der Arrangeure für Werke von Blechbläsern plus Drums: den Schlagzeugern diesen Fremdkörper-Status nicht nehmen zu können). Daß man sich unbedingt Mozarts "Kleine Nachtmusik" vornehmen mußte, hinterläßt beim ersten Hören auch noch Fragezeichen auf der Stirn des Lauschenden, dem gar schon der alte Witz auf den Lippen liegt, dieses Ding müsse "Nachtmusik" heißen, weil es zum Einschlafen langweilig sei - aber siehe da: Die hier verewigte Blechversion (ohne Drums, positiverweise ...) braucht tatsächlich den einen oder anderen Durchlauf, bis sie zündet, obwohl (oder vielleicht auch gerade weil) sie keineswegs abseitige, irgendwie gewöhnungsbedürftige Arrangementideen enthält. Einige der Stücke im Mittelteil legen allerdings auch nach etlichen Durchläufen ihren Gähncharakter nicht ab, etwa "My Lord, What A Morning", das zwar irgendwie ein Staunen anhand eines schönen Sonnenaufgangs transportiert, aber auch den Wunsch mitliefert, sich danach noch einmal in die Federn zu hauen. Erstaunlicherweise bildet auch "Ich bete an die Macht der Liebe" von Dmitri Bortnianski ein Lowlight, hier wieder aufgrund der genannten Soundbedingungen, welche zum völligen Abschmieren der tiefen Instrumente führen - außerdem gibt es von dem Stück deutlich schönere Bearbeitungen als die hier eingespielte von Friedrich Deisenroth (Tip: "Rühmet den Herrn" von Johannes Kuhlo, Nr. 84), und ob die unmotivierte Lautstärkeschwankung im Schlußton der ersten Zeile sowie die Staccato-Intonation der Strophenschlußtöne unbedingt sein mußten, sei auch dahingestellt. Die anschließende "Carmen Ouvertüre" macht wieder mehr Laune (obwohl es auch die in lebendigeren Blechversionen gibt), "Tuxedo Junction" fällt wieder ab (entweder als reine Kammermusikversion ohne Drums oder aber jazzlastig mit richtig zu hörenden Drums, aber nicht diese komische Zwischenvariante hier, die weder als Fisch noch als Fleisch durchgeht), aber Henry Mancinis "Moon River" und die locker aus dem Handgelenk geschüttelte Version des McCartney-Oldies "When I'm Sixty Four" (obwohl es auch hier entweder mehr oder weniger Drums hätten sein dürfen, aber diesmal stört diese Unentschlossenheit paradoxerweise nicht) schließen den regulären Teil der CD auf gewohnt hohem Niveau ab. Der 21. Track fällt dann wieder aus dem Rahmen, und diesmal bekommt der komödiantische Affe nochmal ein Stück Zucker: Die Truppe singt (!) eine astreine Männerchorversion von "Ich geh mit meiner Laterne", natürlich mit alternativem Text (das Programmende verkündend und auf die Bandhomepage verweisend - würde mich nicht wundern, wenn daraus die obligatorische letzte Zugabe bei Konzerten wird), bevor es noch zu einer Diskussion über verschiedene Aspekte der modernen Kommunikation via Internet kommt, die im Stile einer Meinungsverschiedenheit auf einem nahöstlichen Markt inszeniert wurde. Damit endet eine knappe Stunde moderner Blechbläsermusik mit viel Licht und auch ein wenig Schatten, die sich der Fan der Truppe getrost zulegen kann, und auch der Noch-nicht-Fan darf ruhig mal reinhören.
Kontakt: www.brassmen.de, www.gerth.de

Tracklist:
Sixteen Tons
Ungarischer Tanz Nr. 5
ABBA goes Brass
Consider Me
Livery Stable Blues
Estampas de Palermo:
  El Lenguaraz
  Piazza Sicilia
  La Diquera
Von Gott kommt mir ein Freudenschein
Eine kleine Nachtmusik:
  Allegro
  Menuetto
  Rondo
My Lord, What A Morning
Buglers Holiday
Sonata in B-Dur
Ich bete an die Macht der Liebe
Carmen Ouvertüre
Tuxedo Junction
Moon River
When I'm Sixty Four
Gesangsinternetdiskussionsbonus
 




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