www.Crossover-agm.de BALFOR: Snamenije
von rls

BALFOR: Snamenije   (Jet Noise Records/Mystery)

Heutzutage bringt ja jede Band spätestens drei Monate nach ihrer Gründung die erste CD auf den Markt. Nicht so die Russen Balfor (nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen ukrainischen Polterhorde): 1998 gegründet, dauerte es immerhin sieben Jahre, bis das vorliegende und drei Jahre später immer noch aktuelle Debütalbum "Snamenije" das Licht der Welt erblickt hat. Zugleich läßt sich am Werdegang der Band eine Entwicklung ablesen, wie sie fast typisch für Hunderte andere Bands abgelaufen ist bzw. abläuft: Man begann als Black Metal-Band, integrierte dann aber schrittweise immer mehr andere Einflüsse. Der vorläufige oder resultative Endpunkt liegt natürlich bei jeder Band an einer anderen Stelle - bei Balfor sieht es so aus, daß sich die Band auf ihrer Homepage zwar unter "Progressive Death/Black Metal" einschubladisiert, man aber eigentlich die Worte "Death" und auch "Black" mittlerweile nahezu weglassen könnte. Der dem klassischen und mit einigen Geräuschen und Sprechparts (übrigens auch aus nationalsozialistischer Zeit, ohne daß aber irgendwelche Anzeichen vorlägen, daß man Balfor in die rechte Ecke rücken müßte - der eingesampelte Kinderchor am Ende von "Snjeg", der "Bruder Jakob" nicht in der russischen, sondern in der französischen Textversion singt, dürfte auch keine tiefere Bedeutung haben) ausstaffierten Intro folgende Opener "Tainy Mjortwych" hält zwar das Tempo noch bisweilen recht hoch mit einigen Ausflügen auch in den Blastspeedbereich, aber solche Momente werden in den insgesamt 43 Minuten mit fortschreitender Spielzeit immer seltener, so daß als einziger blackmetallischer Bestandteil im Bandsound die bisweilen eingewobenen typischen schnellen Sechzehntelriffs sowie der etwas kratzige Leadgesang von Bandgründer Konstantin Konygin übrigbleiben, wobei erstgenannte aber auch in anderen metallischen Spielarten zum Einsatz kommen und zweitgenannter auch nicht daran interessiert scheint, etwaige Extremitätsrekorde aufzustellen; bisweilen wechselt Konstantin auch in eine Art heiseres Flüstern über, wie man es in ähnlicher Form zehn Jahre zuvor bei Fester gehört hat. So bleibt als musikalische Grundsubstanz eigentlich lupenreiner Progressive Metal übrig, wobei Drummer Jewgeni Moskalenko nicht daran denkt, öfter als nötig einen geradlinigen Beat über mehr als eine halbe Minute durchzuspielen, ohne nun allerdings die Songs durch gewollt anspruchsvolle Wechsel in ein unhörbares Durcheinander zu verwandeln. Wenn es sein muß, kann er sich auch zurückhalten, so etwa im wunderschönen halbakustischen Ausklang des Titeltracks, wo er sich auf stützende Rhythmusarbeit beschränkt. Rhythmuskollege Alexei Grischin am Baß bekommt im Instrumental "II" und in "Chosjajewa Schisni" Gelegenheit, sich mit einigen Leadpassagen in den Vordergrund zu spielen, und generell fällt auf, daß Balfor recht häufig die Verstromung der Instrumente abschalten, um Kontrastwirkungen zu erzielen. Der kurze Prügelpart am Beginn von "Chosjajewa Schisni" wirkt nach dem sanften Ausklang von "II" gleich doppelt so heftig, bevor der Song aber wieder in einen stampfenden Beat übergeht und im Rest seiner Spielzeit auch nicht mehr über gelegentliches schnelles Stakkato hinauszukommen gedenkt. Hier lassen sich auch die deutlichsten Anklänge an die Melodieführung im typischen Göteborg-Death Metal finden, wobei diese Bands sich ja wiederum auf das Vorbild Iron Maiden berufen haben, was die These unterstreicht, daß jede vernünftige russische Metalband an irgendeiner Stelle von Iron Maiden beeinflußt worden ist (man höre mit dem Sound des Themas von "The Evil That Men Do" im Ohr mal genau auf die Passage in "Tainy Mjortwych II" bei 4:20 min!). Zweitgitarrist Dmitri Kiseljew beschränkt sich laut Booklet allerdings auf die Rhythmusgitarren, und es gibt tatsächlich auch keine ausgedehnteren zweistimmigen Solopassagen. Ein paar Keyboardeinwürfe unterstützen hauptsächlich die akustischen Passagen (nur im abschließenden "Tainy Mjortwych II" legen sie bisweilen Teppiche unter den Rest der Musik); wer für sie verantwortlich ist, verraten Balfor im für russische Verhältnisse recht umfangreichen Booklet (acht Seiten mit allen Songtexten) nicht. Eingespielt hat das Quartett "Snamenije" im Panther-Studio ihrer Heimatstadt Twer, und das Soundgewand genügt zweifellos internationalen Maßstäben - es gibt also auch in der russischen Provinz mittlerweile hervorragende technische Möglichkeiten. Wobei, "Provinz" ist so eine Sache: Twer hieß zu Sowjetzeiten Kalinin - was nicht zu verwechseln ist mit dem im Westen deutlich bekannteren Kaliningrad aka Königsberg -, liegt an der Wolga nicht weit entfernt von Moskau und hat immerhin über 400000 Einwohner, was etliche mehr als Kaliningrad bedeutet und im deutschen Maßstab etwa Dresden entspräche, was man ja auch nicht unbedingt als "Provinz" titulieren würde. Keine Ahnung, wie es um die Metalszene in Twer bestellt ist (die Thankslist im Booklet führt sechs Bands auf, allerdings ohne Herkunftsangaben - die auffälligen Bandnamen Stalwart und Psilocybe Larvae hat mancher vielleicht schon mal gehört), aber Balfor pflanzen mit der eindrucksvollen Leistung auf "Snamenije" ihre Heimatstadt fest auf der metallischen Landkarte ein. Wenn es dem Quartett gelingt, vielleicht noch die eine oder andere Passage merkfähiger zu gestalten (das ist das einzige kleine Manko an der CD - auch nach mehrmaligem Hören bleibt nicht so sehr viel hängen, und die russischen Lyrics erschweren das Mitsingen der Refrains für den gemeinen Mitteleuropäer noch zusätzlich), könnte hier eine weitere stabile und interessante Kraft des russischen Metals heranwachsen.
Kontakt: www.balfor.ru, www.mystery.msk.ru

Tracklist:
Intro
Tainy Mjortwych
Bessilije Slow
Snamenije
II
Chosjajewa Schisni
Snjeg
Twoi Putj
Balfor
Tainy Mjortwych II



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