www.Crossover-agm.de ARCTIC FLAME: Primeval Aggressor
von rls

ARCTIC FLAME: Primeval Aggressor   (Battle Cry Records)

Doppeltes Oxymoron vorneweg: Der Bandname als solcher stellt schon mal eins dar, und auf dem Cover wird der Kampf nicht etwa zwischen Frost and Fire (standen eigentlich Cirith Ungol Pate bei der Bandnamensfindung?) durchgeführt, sondern zwischen Mond und Sonne, wobei der Mond im Meer wohnt und eher wie Poseidon aussieht, der mal eben schnell in den Krieg ziehen mußte, deshalb zu Hause seine Gardinenstange abmontiert und an das eine Ende seinen Dreizack geschraubt hat. Wer letztlich gewinnt, verrät das innere Inlaybild, denn da ist nur noch verbrannte Erde zu sehen und nicht etwa vereiste. Nichtsdestotrotz könnte derjenige, der die ersten beiden Iced Earth-Alben mag und nicht zwingend Wert auf orchestrale Wirkungen oder atmosphärische Keyboarduntermalungen legt, durchaus auch mit "Primeval Aggressor" etwas anzufangen wissen, denn auch Arctic Flame sind im klassischen US-Metal anzusiedeln, im Direktvergleich allerdings etwas stärker europäisch geprägt, wie man gleich im Opener "Steel Angels" hört, dessen hektisches Drumming auch auf manchen älteren Iron Maiden-Platten auszumachen ist (dazu kommen einige sparsam eingestreute maidenähnliche Harmonien). Dazu kommen dann zahlreiche andere NWoBHM-Querverweise oder wahlweise solche auf ähnlich gepolte US-Bands wie The Lord Weird Slough Feg oder Brocas Helm, wie "The Levellers Wish" deutlich macht, das zudem niedliche zweistimmige Gesangspassagen enthält, in denen Robert, äh, Dave Lowe seine im höheren, aber nicht hohen Bereich anzusiedelnden Vocals mit quiekenden bis screamenden hohen Backings hinterlegt (wobei es auch sein könnte, daß das die im Booklet erwähnten "Extra Backing vocals" von Dave Magheimer und Scott Gorham, äh, Bill Gorman sind - der Schlußteil von "Misery's Mystery" würde allerdings dafür sprechen, daß er es doch selber ist, da der normale Leadgesang hier ohne hörbare Naht in einen ähnlichen sehr hohen Part übergeht; auf den Livefotos hat auch Basser Jeff Scott noch ein Mikrofon vor der Nase stehen). Ein passender Vergleich für die normale Stimme Dave Lowes will mir gerade nicht einfallen, aber der frühe Paul Di'Anno siedelte in nicht allzuweiter Entfernung, und an manchen Stellen, wenn Dave etwas nasaler singt (z.B. in "Kingdom Of Illusion" nach Minute 3), kommt eine sangesfähigere Variante eines anderen Dave in Erinnerung, nämlich dessen, der am Mikro von Megadeth agierte und agiert. Und wenn wir einmal bei großen Namen sind: "The Vanquished" fördert ein Hauptriff zutage, das in seinen ersten beiden Tönen dasjenige von Black Sabbaths gleichnamigem Klassiker repliziert und auch den dritten Ton noch übernimmt, allerdings anders harmonisiert und auch nicht aushält, sondern schon eher weiterführt. Ob das als bewußte Hommage gedacht war oder purer Zufall ist, muß offenbleiben, allerdings spricht einiges für letztgenannte Variante, die auch in "Misery's Mystery" zum Tragen kommen dürfte, denn dessen theatralischer Mittelteil findet anfangs paradoxe gitarrenseitige Ähnlichkeiten in Randalicas "Septemberregen", und daß von diesem Spaßprojekt der RockHard-Redaktion an der amerikanischen Ostküste, von der Arctic Flame zu stammen scheinen, schon mal jemand akustische Zeugnisse vernommen hat, darf getrost bezweifelt werden. Nicht bezweifelt werden sollten allerdings diverse Einflüsse aus Irland, deren deutlichster "Green Lady (Of The Hill)" zu entnehmen ist, denn dieser Song startet gleich mit einer typisch irischen Folkmelodie, wie sie auch Gary Moore oder Thin Lizzy mit Kußhand übernommen hätten; der Rest des Midtempostampfers paßt denn auch zum gedanklichen Projekt einer etwas metallisierten Version Thin Lizzys. Das wäre vielleicht auch der Song, mit dem Arctic Flame die besten Chancen auf einen Erfolg auch außerhalb der eingeschworenen Traditionsmetalgemeinde hätten, wenn sie einen solchen anstreben würden - eine Ballade zum Stürmen der weiblichen Herzen haben sie sich unter den vorliegenden acht Songs verkniffen, denn auch balladesk eingeleitete Songs wie "Kingdom Of Illusion" oder "Spark Of Ire" nehmen bald einen typischen metallischen Gestus auf, wobei ersterer ein ganz klein wenig an eine ungeschliffenere Variante von Leatherwolf (den klassischen Leatherwolf der 80er wohlgemerkt) erinnert (man höre sich mal sein Intro und danach das von "Wicked Ways" an), während letzterer weiterhin Thin Lizzy metalliclackiert und auch wieder entsprechende Melodien hervorzaubert. Mit siebeneinhalb Minuten ist es auch der längste Song (und nein, er wäre auch nicht entscheidend straffbar gewesen, denn gerade das letzte Hauptsolo macht richtig Spaß, obwohl es stilistisch die irischen Einflüsse nicht reproduziert und daher auf den ersten Höreindruck vielleicht ein wenig herausfällt), während "Green Lady (Of The Hill)" am anderen Ende des Spektrums knapp unter vier Minuten bleibt. Produziert hat übrigens Jack Frost - nein, nicht der Weihnachtsmann, sondern der Savatage-Teilzeitgitarrist mit zahlreichen anderen Projekten wie Seven Witches oder Frost. Das Klanggewand bleibt somit sehr typisch für diese Sorte Metal, und Keyboards wurden gar nicht erst in die Nähe des Studios gelassen. Speedfreaks werden mit den acht Songs nicht glücklich, denn das hektisch-treibende "Steel Angels" entspricht der tempotechnischen Schallgrenze des Albums; wer aber klassischen US-Metal mit den entsprechenden europäischen, speziell irischen Einflüssen mag, der macht mit dem Erwerb von "Primeval Aggressor" nichts falsch.
Kontakt: www.arcticflamemetal.com, www.battlecryrecords.de

Tracklist:
Steel Angels
The Levellers Wish
The Vanquished
Kingdom Of Illusion
Misery's Mystery
Green Lady (Of The Hill)
Spark Of Ire
Battle Of Heaven And Hell



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